Zunächst schien alles klar: Angehörige des 1966 abgesetzten Königs von Burundi, die burundische Regierung und die Opposition waren sich einig, die auf dem Friedhof des Genfer Vororts Meyrin bestattete Leiche von Mwambutsa IV. in seine Heimat zu repatriieren. Ein Charterflugzeug stand bereit. In Bujumbura war bereits ein Mausoleum errichtet worden, in dem der Monarch seine letzte Ruhe finden sollte.
Zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit Burundis am 1. Juli war ein feierlicher Staatsakt vorgesehen, an dem die Bemühungen des früheren Königshauses um den nationalen Frieden gewürdigt werden sollten.
Wie im Nachbarland Ruanda fanden auch in Burundi seit den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Massenmorde mit ethnischem Hintergrund statt. 1972 forderten blutige Unruhen zwischen Hutu und Tutsi in Burundi an die 100.000 Todesopfer. Aber da war der Mwami (König) schon längst im Genfer Exil. Er war 1966 von seinem eigenen Sohn Charles, der den Namen Ntara V. annahm, abgesetzt worden. Hinter dem Putsch stand der Armeehauptmann Michel Micombero, der kurz darauf die Republik ausrief und sich selbst zum Präsidenten ernannte.
Der Schreiber dieser Zeilen machte damals ein Interview mit Mwambutsa IV. für die „Frankfurter Rundschau“, das unter anderem von „Le Monde“ nachgedruckt wurde. Der abgesetzte König empfing den Journalisten in seinem kleinen gemieteten Studio in der Genfer Rue des Alpes über einem Nachtlokal, in dem er seine Lebensgefährtin Josy kennen gelernt hatte. In dem Gespräch beklagte er den Verrat Micomberos und die Naivität seines erst 19jährigen Sohnes. Er erklärte sich bereit, nach Burundi zurückzukehren und seine moralische Autorität für die Versöhnung der Volksgruppen einzusetzen.
Doch dazu kam es nicht. Micombero blieb zehn Jahre lang Staatsoberhaupt, bis er seinerseits gestürzt wurde und 1983 unter verdächtigen Umständen im Exil in Somalia starb. Während seiner Regierungszeit hatte er die gesamte Hutu-Elite und die liberalen Tutsi eliminiert. 1972 lockte er den nach Deutschland geflohenen Ntare V. mit Hilfe des ugandischen Despoten Idi Amin in einen Hinterhalt und liess ihn ermorden. Die Leiche des letzten Königs von Burundi wurde nie gefunden.
Heute ist das kleine ostafrikanische Land, das einst eine deutsche und dann eine belgische Kolonie war, relativ wohlhabend. Eine kleine Oberschicht profitiert von der illegalen Ausbeutung der Bodenschätze des benachbarten Kongo. Der Flughafen von Bujumbura ist zum Hauptumschlagplatz für Gold und andere wertvolle Mineralien aus Ost-Kongo geworden. Burundische Exilpolitiker bezeichnen die derzeitige Regierung unter dem Präsidenten Pierre Nkurunziza als ein „Klienten-Regime“.
Etliche Leute, die an den blutigen Putschen und Massakern der jüngeren Vergangenheit beteiligt waren, mischen weiterhin in Politik und Wirtschaft mit. Mit der feierlichen Beisetzung des letzten legalen Königs in der Hauptstadt wollen sie sich einen Persilschein ausstellen. Die Opposition zweifelt aber daran, dass die derzeitigen Machthaber eine echte Aussöhnung der arg gemarterten Bevölkerung zum Ziel haben.
Die Kosten der Exhumierung von Mwambutsa IV., der Überführung des Sargs nach Bujumbura und den Bau eines Mausoleums übernimmt das Königreich Marokko. Es geht aber nicht um die Solidarität zwischen afrikanischen Monarchen, sondern um politische Interessen. Marokko hat 1984 die Organisation der Afrikanischen Einheit (jetzt Afrikanische Union) verlassen, als dieses Regionalorgan die von Marokko besetzte frühere spanische Kolonie Westsahara als souveränen Staat anerkannte. Seither versucht die Regierung in Rabat, die Länder des Schwarzen Kontinents einzeln auf ihre Seite zu ziehen, wobei kleine Geschenke zum Geschäft gehören.
Die sterblichen Überreste von Mwambutsa IV. wurden am 15. Mai exhumiert und in ein Genfer Beerdigungsinstitut gebracht. Eine Woche zuvor hatte aber die in Paris lebende Prinzessin Esther Kamatari in einen Brief an die Genfer Justizministerin Isabelle Rochat formellen Einspruch gegen die geplante Umbestattung erhoben. Die Prinzessin wies nach, dass ihr Onkel kurz vor seinem Tod bei einem Rechtsanwalt ein Testament hinterlegte, in dem er seinen Willen ausdrückte, „ein Grab in der Schweiz zu erhalten auf keinen Fall nach Burundi oder in ein anderes Land transportiert zu werden“. Bis zu einem Richterspruch oder einer gütlichen Einigung liegt die Leiche jetzt in einer Kühltruhe des Gerichtsmedizinischen Instituts.