Ohne den Begriff "historisch" überstrapazieren zu wollen - das Ergebnis dieser Wahlen ist als durchaus "geschichtlich" einzuordnen.
Erstens: Da fährt Angela Merkel mit der CDU/CSU annähernd 43 Prozent Stimmenanteil ein und streift damit sogar die absolute Mehrheit. Helmut Kohl hatte 1976 sogar 48,6 Prozent gewonnen und trotzdem diese Majorität nicht erreicht.
Fast die absolute Mehrheit
Zweitens: Zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte ist die FDP nicht mehr im Bundesparlament vertreten. Die Partei hatte mit Theodor Heuss und Walter Scheel zwei Bundespräsidenten und mit Hans Dietrich Genscher einen der erfolgreichsten Außenminister gestellt. Wie sich bereits vor einer Woche bei der Landtagswahl in Bayern andeutete, halten viele (zu viele) Bundesbürger die Liberalen inzwischen offensichtlich für überflüssig.
Drittens: Die Tatsache, dass gestern allein in Bayern die CSU mehr Stimmen einfahren konnte als die Grünen und die Linken im Bundesgebiet, müsste diesen Gruppierungen hinsichtlich ihres künftigen politischen Kurses eigentlich sehr zu denken geben.
Überhaupt noch Volkspartei?
Vierrtens: Geradezu dramatisch stellt sich die Situation für die Sozialdemokraten dar. Dass man offiziell den Zugewinn von mal eben etwas mehr als zwei Prozent auf nicht einmal insgesamt 26 Prozent bejubelt ? sei´s drum? Die SPD ist die älteste Partei in Deutschland mit einer grandiosen Vergangenheit und Leistungen, ohne die der heutige demokratische Staat überhaupt nicht denkbar wäre. Aber nicht einmal mehr 26 Prozent ? kann man da noch den Anspruch erheben, Volkspartei zu sein?
Fünftens: Eine minimierte SPD, eine geschrumpfte ?grüne? Partei, eine ebenso verkleinerte kommunistisch-linke Kraft und eine merklich gestärkte CDU/CSU ? wie wird es nun weitergehen? Die Wetten deuten (nach der Unmöglichkeit, das schwarz-gelbe Bündnis fortzusetzen) nahezu sämtlich auf eine Koalition von Union und SPD hin. Dabei hätten ? trotz ihrer Schwäche ? die Sozialdemokraten ja durchaus die Chance, die entscheidenden Bedingungen zu diktieren, da Angela Merkel schließlich auf sie angewiesen wäre.
Oder vielleicht doch schwarz-grün?
Gewiss, theoretisch wäre da auch noch die Möglichkeit eines Zusammengehens von Union und Grünen. Das wäre nun wirklich ein geradezu sensationelles historisches Ereignis. Doch das wird vorerst ein Traum bleiben ? wer immer einen solchen träumen sollte. Zu groß sind immer noch die mentalen, ideologischen und politisch-inhaltlichen Gräben.
Sechstens: Die Ergebnisse der gestrigen Wahlen im Bund und in Hessen werden ganz sicher zu personellen Veränderungen führen. Peer Steinbrück hat seinen Wahlkampf verloren und wird früher oder später aus der ersten Reihe der SPD verschwinden. Und bei den Grünen wird es erhebliche Teile der einstigen Gründungs- und heutigen Führungsgeneration treffen. Nicht heute schon oder morgen, aber vermutlich sehr bald.
Und nun liegt der Ball im Feld von Angela Merkel. Sie muss die kommende Regierung schmieden. Legen wir uns fest ?es wird eine mit der SPD sein.