Mindestens zwei Explosionen ereigneten sich am Dienstag kurz nach 08.00 Uhr in der Abflughalle des Flughafens Zaventem, dem grössten Brüsseler Flughafen. Laut der Staatsanwaltschaft handelt es sich "wahrscheinlich" um Selbstmordattentate. Am Flughafen wurden eine oder zwei Kalaschnikows gefunden. Neben den 14 Toten sollen 106 Personen verletzt worden sein.
"Le Soir" veröffentlichte ein Foto, das von einer Überwachungskamera am Flughafen aufgenommen wurde. Bei den beiden Männern links und in der Mitte könnte es sich laut Medienberichten um Attentäter handeln. Ihre Identität ist nicht geklärt. Der Mann rechts im Bild gilt als "suspekt". Von ihm fehlt jede Spur.
"Le Soir" zitiert Augenzeugen mit den Worten «Un bain de sang effroyable» (Ein schreckliches Blutbad). Ein Teil der Flughafendecke stürzte ein, Scheiben gingen in Brüche. Viele an den Schaltern anstehende Passagiere rannten ins Freie oder warfen sich auf den Boden. Mit Ambulanzen und Bussen wurden die Menschen evakuiert.
Zach Mouzoun, ein Passagier, der von Genf kommend auf dem Flughafen eingetroffen war, erklärte dem französischen BFM-Fernsehen: "Es war schrecklich. Die Decke stürzte ein. Überall Blut und verletzte Menschen, Gepäckstücke überall. Wir wateten in Glassplittern. Eine Szene wie im Krieg".
Um 09.15 Uhr detonierten in der Metro-Station Maelbeek im Brüsseler EU-Quartier wahrscheinlich zwei Sprengsätze, möglicherweise in einem Zug. Dabei starben 20 Menschen, 130 wurden verletzt, 17 von ihnen schwer. Die belgische Internetzeitung La Libre.be spricht von "einer extrem chaotischen Situation".
Das Bekennerschreiben der Terrororganisation wurde von der IS-Nachrichtenagentur Aamaq veröffentlicht. Sie verbreitet seit zwei Jahren regelmässig auf Facebook, Twitter, Youtube und Websites Nachrichten.
Die belgische Regierung hat über das ganze Land die höchste Alarmstufe verhängt (Alarmstufe 4). Die Bevölkerung wurde aufgerufen "Restez où vous êtes", bleiben Sie, wo sie sind!
La Libre.be zitiert Pierre Meys, Sprecher der Feuerwehr in Brüssel: "Das ist Krieg. In vierzig Jahren Berufserfahrung habe ich noch nie so etwas Schlimmes gesehen."
Sprengkörper entdeckt
"Die Behörden vermuten, dass Terroristen noch weitere Anschläge in Brüssel planen. Der belgische Aussenminister erklärte, wir fürchten, dass Terroristen immer noch auf freiem Fuss sind.
In der Brüsseler Gemeinde Schaerbeek haben Anti-Terror-Einheiten in einer Wohnung in der Rue Anatole France 19 einen mit Nägeln versehenen Sprengkörper sowie chemische Produkte und eine Flagge des "Islamischen Staats" entdeckt. Das Gebiet ist seit Mittag weiträumig abgesperrt.
Der Flughafen Zaventem, der zwölf Kilometer nordöstlich von Brüssel in der flämischen Gemeinde Zaventem liegt, wurde geschlossen. Flüge werden auf den Brüsseler Flughafen Charleroi oder nach Lüttich, Ostende oder Lille umgeleitet. Auch am Mittwoch bleibt der Flughafen Zaventem geschlossen.
Alle Flüge von Zürich nach Brüssel wurden am Dienstag annulliert.
Verstärkter Schutz für AKWs
Wie die belgische Nachrichtenagentur Belga meldet, hat die Regierung die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Atomkraftwerke erhöht. Die beiden belgischen Atomkraftwerk in Tihange bei Lüttich und Doel bei Antwerpen wurden teilnweise evakuiert, berichtet der Betreiber Engie Electrabel. Die AKWs standen seit mehreren Tagen unter verstärktem Schutz.
Sämtliche Bahnhöfe in Brüssel sind geschlossen. Die Eurostar-Züge in die belgische Hauptstadt verkehren zur Zeit nicht.
Alle Strasentunnels, die länger als 300 Meter sind, wurden gesperrt.
Die Primarschul- und Sekundarschullehrer wurden aufgefordert, die Schüler während der Mittagspause nicht nach Hause oder ins Freie gehen zu lassen. Am Nachmittag erklärten die Sicherheitsbehörden, die Eltern könnten nun ihre Kinder aus den Schulen abholen.
Das mobile Telefonnetz ist überlastet und stark gestört. Die Behörden raten der Bevölkerung, via SMS zu verkehren.
Auf fast allen euroäischen Flughäfen und in vielen Bahnhöfen wurden die Sicherheitsvorkehrungen drastisch verstärkt, vor allem in Frankreich, Grossbritannien, den Niederlanden, Luxemburg, Deutschland, Italien und der Schweiz.
Vor dem EU-Hauptquartier in Brüssel wurden alle Fahnen auf Halbmast gesetzt. Die belgische Regierung hat eine dreitägige Staatstrauer verhängt. Die Brüsseler Stadtregierung hat dazu aufgerufen, am Mittwoch um 12.00 Uhr eine Schweigeminute einzulegen.
Vier Tage vor den jetzigen Attentaten wurde in Brüssel Salah Abdeslam und vier weitere Verdächtige nach einer Schiesserei festgenommen. Abdeslam gilt als einer der führenden Köpfe der Attentate in Paris vom vergangenen 13. November, bei denen 130 Menschen ums Leben kamen. Journalisten vermuten, dass die jetzige Attentatsserie eine Rache für die Verhaftungen am vergangenen Freitag sein könnte.
Als Zeichen der Solidarität mit dem trauernden Belgien erstrahlte am Dienstagabend der Eiffelturm in Paris und das Brandenburgertor in Berlin in den Farben der belgischen Nationalflagge: schwarz-gelb-rot. In den sozialen Medien haben die Attentate vom Dienstag eine riesige Solidaritätswelle mit Belgien ausgelöst: Frankreich tröstet Belgien.
Die Brüsseler Tageszeitung Le Soir, die grösste französischsprachige Tageszeitung Belgiens, erschien am Abend mit einer Sonderausgabe.
(Journal21.ch/hh/Le Soir/RTBF/Belga/La Libre.be/AP/EPA)