Wer kommt, um einfach nur zu schauen, dem bietet sie Kunstgenuss auf hohem Niveau. Wer mehr von dem Menschen wissen möchte, der hinter den Exponaten steht, dem gewährt sie Einblick in die Sammlertätigkeit des eigenwilligen Kunstliebhabers. Und schliesslich kommt auch auf seine Rechnung, wer am geschichtlichen Hintergrund und den politischen Verstrickungen des Mannes interessiert ist, dem Zürich eines seiner interessantesten Museen verdankt.
Als Baron Eduard von der Heydt der Stadt 1946 Teile seiner immensen Kunstsammlung vermachte und damit indirekt zur Schaffung des Museums Rietberg beitrug, war die Politik noch kein Thema. Die Verlegenheit, die das Geschenk an der Limmat damals hervorrief, hatte eher damit zu tun, dass sich die Bedeutung aussereuropäischer Kunst noch nicht allgemein herumgesprochen hatte. Heute ist das anders. Heute ist man stolz auf das Museum und seine Sammlungen. Heute will man aber auch wissen, wie sie zustande gekommen sind.
"Ars una", eine Art Weltkunst
Es ist der Museumsleitung deshalb hoch anzurechnen, dass sie sich nicht damit begnügt, ihre Schätze zu hüten und mit hochkarätigen Ausstellungen den Ruf des Hauses zu festigen, sondern dass sie sich jetzt darüber hinaus auch der eigenen Entstehungsgeschichte stellt. Die Zeit dazu war überreif. Dass Eduard von der Heydt Mitglied der NSDAP gewesen und als „Opportunist reinster Art“, wie der erste Rietberg-Direktor Johannes Itten ihn einmal genannt hatte, zwischen allen Fronten laviert hatte, war schon seit längerem bekannt. Schwerer noch wog indes der Verdacht, es könnten sich in den Beständen des Museums auch Stücke aus ehemals jüdischem Besitz – Raubkunst also – befinden. Im einen Fall war er, wie man jetzt weiss, begründet, in einem anderen nicht. Dass heute auf diesem Gebiet Klarheit herrscht, ist der seit 2008 am Museum Rietberg für Sammlungsgeschichte und Provenienzforschung zuständigen Historikerin Esther Tisa Francini zu verdanken. Sie zeichnet auch für die momentane Ausstellung verantwortlich und hat überdies an der grossformatigen Monographie mitgearbeitet, die das Leben und Wirken des Bankiers, Sammlers und Mäzens Eduard von der Heydt in seiner ganzen Fülle und Widersprüchlichkeit beleuchtet.
Eduard von der Heydt war als Spross einer geadelten deutschen Bankiersfamilie mit Kunst aufgewachsen und sah es deshalb als selbstverständlich an, auch seinerseits wieder als Sammler aktiv zu werden. Im Gegensatz zu vielen Kunstliebhabern seines Schlags und seiner Generation begnügte er sich jedoch nicht mit dem Ankauf französischer Impressionisten oder deutscher Expressionisten, sondern richtete sein Augenmerk mehr und mehr auf Werke der klassischen Moderne sowie auf die Kunst aus Fernost, aus Afrika und dem pazifischen Raum. Etwas vereinfacht könnte man sagen: Von der Heydt kaufte, was ihm gefiel. Und es gefiel ihm vieles: Cézanne, Picasso und Kokoschka ebenso wie Modersohn-Becker, Adolf Dietrich oder Moholy-Nagy, mittelalterliche Heiligenfiguren ebenso wie Buddha-Statuen aus Indien, Totems aus der Südsee oder Masken aus Afrika. Um dieser Vielfalt gewissermassen ein theoretisches Fundament zu verpassen, prägte der Sammler den Begriff der „Ars una“, einer Art Weltkunst, könnte man sagen, die über alle Zeiten und Grenzen hinweg ihre tiefe innere Zusammengehörigkeit offenbart.
Antworten von fremden Kulturen und Religionen
Was es mit dieser Einheit auf sich hat und wie sie sich im ursprünglichen Kontext der Sammlungen von der Heydts präsentierte, davon können sich jetzt Besucherinnen und Besucher des Rietberg-Museums selbst ein Bild machen. Die Ausstellung „Von Buddha bis Picasso“ führt nämlich nicht nur zusammen, was nach dem Tod des Sammlers zwischen Wuppertal, Zürich und Ascona aufgeteilt wurde, sondern sie präsentiert die Exponate auch vor dem Hintergrund grossformatiger Fotografien, die die Räumlichkeiten von einst zeigen und einen Eindruck davon vermitteln, wie die Stücke zu Lebzeiten von der Heydts sowohl miteinander als auch mit den jeweiligen Interieurs korrespondierten. Dabei verlieren die ausgestellten Objekte unversehens etwas von ihrem musealen Charakter und werden noch einmal Teil jenes gelebten Ganzen, das der Sammler mit ebenso viel Leidenschaft wie merkantilem Geschick aufgebaut hatte.
Es sind diese unmittelbaren Einblicke in die persönlich-biografischen wie die historisch-politischen Zusammenhänge, die die Ausstellung über Eduard von der Heydt so aussergewöhnlich machen. Der Sammler mag ein gewiefter Geschäftsmann, ein zwielichtiger Charakter und ein konservativer Chauvinist gewesen sein. Er mag sich mit den braunen Machthabern gemein gemacht und von der Not der Verfolgten profitiert haben. Das alles lässt sich gut dokumentiert in den Vitrinen nachlesen. Doch Eduard von der Heydt war gleichzeitig anderes und mehr: Er war ein Suchender, der von fremden Kulturen und Religionen Antworten zu bekommen hoffte, und er war ein Liebender, der Kunst nicht nur besitzen, sondern auch mit ihr leben wollte. All diese Facetten beleuchtet die Ausstellung „Von Buddha bis Picasso“ und lässt den Besuch des Museums Rietberg einmal mehr zu einem höchst lohnenden Unterfangen werden.
Von Buddha bis Picasso. Der Sammler Eduard von der Heydt. Museum Rietberg, Zürich, bis 18. August 2013.
Eberhard Illner (Hrsg.): Eduard von der Heydt. Kunstsammler, Bankier, Mäzen. Prestel-Verlag, München 2013, Fr. 66.90.