Zur Entschärfung des Syrien-Konflikts kann sie sogar notwendig sein. Aber der Preis darf nicht in der vorzeitige Aufhebung der Sanktionen wegen der russischen Ukraine-Aggression bestehen.
Im Westen reagiert man weitherum perplex über Russlands militärisches Eingreifen im vom blutigen Bürgerkrieg zerrissenen Syrien. Putin rechtfertigt die Intervention mit der Stützung des angeblich legitim gewählten Asad-Regimes. Natürlich geht es ihm dabei nicht um rechtsstaatliche Prinzipien, sondern um seine eigenen russischen Interessen: Asad ist Moskaus einziger direkter Verbündeter in der Nahostregion. Die islamistischen Fanatiker des IS, die in Syrien um die Macht kämpfen, sind wegen ihrer Ansteckungspotenzials etwa im russischen Nordkaukasus auch für Moskau eine echte Gefahr. Zudem kann der Kremlchef mit den Kampfjet-Einsätzen in Syrien dem einheimischen Fernsehpublikum nach dem Verblassen des Ukraine-Abenteuers ein neues Schauspiel russischer Expansiv-Kraft und Weltmachtbedeutung vorzaubern. Und dies auf Augenhöhe mit den Westmächten.
Bei aller Fragwürdigkeit dieses Engagement sollte man sich im Westen einer begrenzten Kooperation mit Russland zur Eindämmung der syrischen Katastrophe mit ihren Millionen von Flüchtlingen nicht kategorisch verschliessen (zur Koordination der Flugaktivitäten in diesem Luftraum existiert sie ja bereits). Hier geht es um die Wahl des kleineren Übels. Ohne Bodentruppen werden weder die Westmächte noch Russland in der Lage sein, die IS-Terroristen nachhaltig auszuschalten. Aber wenn die Grossmächte zusammen mit verschiedenen Regionalmächten am gleichen Strick ziehen würden, könnte dies die Erfolgsaussichten im Kampf gegen die IS-Islamisten um Einiges verbessern. Nicht auszuschliessen wäre zudem, dass sich im Rahmen einer solchen Interessen-Kooperation mit Moskau sogar ein Zeitrahmen zur Beendigung der Asad-Herrschaft aushandeln liesse. Es geht bei solchen Überlegungen, wie gesagt, um die Wahl des kleineren Übels. Und diese Möglichkeit muss eine verantwortungsvolle Politik immer im Auge behalten – auch wenn Puristen und Dogmatiker sich darüber empören.
Nun haben einzelne Stimmen bereits die Idee ins Spiel gebracht, dass man die wegen der russischen Aggression gegen die Ukraine verhängten westlichen Sanktionen gegen Russland allmählich aufheben könnte, um so Putins Interesse an einem koordinierten Lösungskonzept in Syrien zu stimmulieren. Doch ein solcher Handel bleibt inakzeptabel, wenn Moskau zuvor nicht durch konkrete Taten seine Bereitschaft beweist, das Minsker Waffenstillstandsabkommen vollumfänglich zu erfüllen. Ausserdem müsste garantiert sein, dass die gesamte ukrainische Ostgrenze wieder von der Kiewer Regierung kontrolliert und die im Donbass vorgesehenen Regionalwahlen von der OSZE überwachten werden können.
Die vom Westen nach der Annexion der Krim und der Intervention russischer Militärkräfte im Donbass verhängen Wirtschaftssanktionen sind für den Kreml durchaus schmerzhaft. Sie werden deshalb von Putin nicht auf die leichte Schulter genommen. Manches spricht für die These, dass der Kremlchef im vergangenen Jahr seine Militärs zumindest bis nach Mariupol am Schwarzen Meer oder vielleicht bis nach Kiew hätte marschieren lassen, wenn ihm die USA und die EU nicht die Verschärfung ihrer Wirtschaftssanktionen angedroht hätten. Ein vorzeitiger Verzicht auf dieses Druckmittel wäre ein kurzsichtiger Kuhhandel – und ein Verrat an der Ukraine.