‚Clapton is God’ sprayte 1966 ein Fan an die Wand einer Metrostation. Für die Generation der Babyboomers aber bedeutet Eric Clapton mehr als grossartiges Gitarrenspiel. In einer Reihe mit den Beatles und den Rolling Stones steht er für die Erinnerung an ihre Jugendjahre, den Sturm und Drang, und die Faszination dieser ungewissen, doch wilden Zeit, in der sie nicht nur von der Kindheit ins Erwachsenenalter erwuchsen, sondern auch in einer Zeit des Umbruchs lebten, in der alles möglich schien.
„Old Sock“
Die Aufbruchstimmung ist verflogen, die Beatles schon lange zerstreut, die Stones auch musikalisch in die Jahre gekommen und die Babyboomer selbst an der oder über die Schwelle des Rentenalters. Doch Eric Clapton selbst scheint unverwüstlich. Der gefühlvolle Blues& Rock-Softie, der sich in seiner Frühzeit unsterblich in Pattie Boyd, die gerade angetraute Ehefrau von Freund George Harrison verliebte (die er dann auch bekam), ist privat wie beruflich immer noch aktiv. Er ist mit einer über 30 Jahre jüngeren Frau verheiratet, hat kleine Kinder, und präsentiert jetzt sein neuestes Album, ‚Old Sock’ genannt nach seinem sich selbst gegebenen Spitznamen - „das entspannteste Album überhaupt“ wie er selbst sagt.
Es enhält Coverversionen der Songs, die ihn und seinen Stil charakterisieren: Soul, Reggae, Rock und romantische Standards. Dabei müsste er sich nichts mehr beweisen: Auf der im Jahr 2011 aktualisierten Liste der ‚100 Greatest Guitarists of All Time’, bestimmt von der amerikanischen Musikzeitschrift Rolling Stone, belegt Clapton Rang 2 , gleich nach Jimi Hendrix. Dann ist er auch der einzige Musiker, der dreimal in der „Rock and Roll Hall of Fame“ vertreten ist: Mit den Yardbirds (1992), mit Cream (1994) und als Solo-Künstler (2000).
Letzte Auftritte?
In Basel gab er nun einen seiner vielleicht letzten Live-Auftritte Der jetzt 68 jährige Komponist, Sänger und Soloist aus dem südenglischen Surrey , der schon mit 17 Jahren in einer Band spielte, meint, dass er ab 70 wohl nicht mehr auf Tournee gehe .
Die Gelegenheit ihn nochmals live zu hören musste ergriffen werden. Und die Babyboomer strömten; doch unter ihnen auch eine geraume Anzahl von 20 bis 30 Jahre Jüngeren. Warum diese? „Clapton ist Musikgeschichte!“; ‚Ein Vorbild für jeden Musiker! Er ist so vielseitig“. Und : „Eric Clapton ist eine Ikone. Es ist wie die Beatles oder die Rolling Stones zu hören“. Oder: „Ich habe alle seine Aufnahmen zu Hause; doch seines ist das erste Livekonzert, das ich mir leiste.“
Die Erwartungen des sehr gemischten Publikums sind hoch. Sie werden nicht enttäuscht. Clapton erscheint fit, schlank und gelenkig in dunklem Anzug und offenem Hemdkragen, das leicht ergraute Haar kurz geschnitten, die Gesichtszüge jugendlich. Die Spuren früherer Drogen- und Alkoholexzesse sind nur von Nahem zu sehen. Er und seine fünf etwa gleichaltrigen Musiker und die beiden Backgroundsängerinnen heizen die Halle erst mit Rock&Roll auf.
Peitschender Rock, versunkener Blues
Eric Claptons Spiel ist gewohnt konzentriert, leicht und mühelos. Seine Bewegungen sind die eines leicht ungelenken Jungen. Nach dem zweiten Song gibt’s bereits eine Standing Ovation. Nach dem dritten Song strömt die Masse nach vorne und tanzt ausgelassen vor der Bühne. Die ersten ersehnten Gitarrensoli erklingen. Die elektrische Gitarre bekommt unter Claptons Händen ein Eigenleben, ein hoch emotionales. Sie schluchzt, heult, schreit, jubelt, stöhnt, singt, jault. Die rohen peitschenden Töne gehen ins Blut und reissen das Publikum mit. Bald stampft, wippt, wackelt, und wiegt sich jeder im Saal.
Doch dann kommen die Bluespassagen; wahrscheinlich die tiefsten musikalischen Eindrücke. Clapton sitzt nun hemdsärmlig auf dem Stuhl, in sich versunken und spielt das, wofür er eigentlich Musiker geworden ist: Seine Reverenzen an den Blues der dreissiger und vierziger Jahre, an seine Idole Muddy Waters und Chuck Berry. Hier, das spürt man, ist ‚Mr Slowhand’ ganz zu Hause. Und es überträgt sich. Niemand stört, alle hören gebannt zu. Gänsehaut bildet sich ob der starken Gefühle, die da erklingen.
Unverwässert
Zwei Stunden lang rockt und bluest es ununterbrochen. Es gibt keine Show, kein Styling. Die Musiker sind irgendwie angezogen. Die üblichen Witzchen fehlen wohltuend, Übergangstexte und Anbiederungen wie ‚I love Basel’ auch. Die Musiker werden nur kurz genannt, wenn sie besondere Soli spielen. Es gibt beste Musik, und das ist genug. Es ist wie einen Whisky ‚straight’ zu trinken. Unverwässert, weil es ja der Beste ist.
Am Ende des Konzerts sind die Älteren verjüngt und beschwingt. Die Jüngeren äussern sich beeindruckt: „Ganz grossartig“. „Super!“, „Wie fit die noch sind“, „Seine Musik ist ganz modern“. Und das vielleicht grösste Kompliment von allen: ‚Der ist wirklich cool.’
Heute Abend wäre das Erlebnis zu wiederholen: Eric Clapton Baloise Session 2013 20 Uhr in der Eventhalle der Messe Basel.