120 Staats- oder Regierungschef werden an der am Dienstag in New York eröffneten Generaldebatte der 67. UNO-Vollversammlung das Wort ergreifen. Als erster Redner forderte US-Präsident Barack Obama die Staatengemeinschaft auf, die Unruhen im Nahen Osten an ihren Wurzeln zu behandeln.
Grosse Würfe sind allerdings dieses Jahr von der Messe der Vereinten Nationen nicht zu erwarten. Eher wird es ein Gipfel aller Gefahren. Die fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats sind wegen des Syrienkonflikts so stark zerstritten wie zu den Zeiten des Kalten Kriegs. Russlands Präsident Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Hu Jintao haben sich nicht einmal auf die Rednerliste setzen lassen.
Die Präsenz der Schweiz
Dafür ist die Schweiz mit einer Doppelspitze in New York präsent: Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf und Aussenminister Didier Burkhalter wollen für ihren Antrag werben, die für die Kriegsverbrechen in Syrien verantwortlichen Politiker und Militärs vor den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen. Das Sonderthema der diesjährigen UNO-Vollversammlung ist die Rechtsstaatlichkeit.
Auch Deutschland wird auf der bis zum 1. Oktober angesetzten Generaldebatte durch die Kanzlerin Angela Merkel und den Aussenminister Guido Westerwelle vertreten sein. Deutschland führt bis Ende des Monats den Vorsitz des Weltsicherheitsrats, was die besondere Aufmerksamkeit erklärt.
Schrilles Kriegsgerede
Der neue französische Präsident François Hollande trat am Dienstag zum ersten Mal in den heiligen Hallen der multilateralen Diplomatie auf. Die Zeitung »Le Figaro« nannte ihn »einen Unbekannten im Glashaus der UNO«. Für den iranischen Staatschef Mahmud Ahmadinedschad hingegen bedeutet die für Mittwoch vorgesehene Rede den Abschied von der UNO-Generalversammlung. In neun Monaten läuft nämlich seine Amtszeit aus.
Ahmadinedschad wird gerade am höchsten Feiertag der Juden, dem Jom Kippur, vor den versammelten UNO-Mitgliedern das Wort ergreifen. Generalsekretär Ban Ki-Moon wies bei seiner Eröffnungsansprache den Iraner vorsorglich darauf hin, dass »die rhetorische Bedrohung der Existenz Israels« unakzeptabel sei. Der Ausgewogenheit wegen kritisierte Ban aber auch »das schrille Kriegsgerede« der israelischen Regierung.
Reichliche finanzielle Mitgift
Auf der Tagesordnung der diesjährigen UNO-Generalversammlung stehen 168 Punkte. Zum Präsidenten wurde der serbische Aussenminister Vuk Jeremic gewählt, weil nach einem Rotationsverfahren jetzt die osteuropäische Staatengruppe an der Reihe ist. Die Wahl von Jeremic löste vor allen in dessen Heimat Kritik aus, weil die nicht gerade auf Rosen gebettete serbische Regierung ihren Kandidaten mit reichlicher finanzieller Mitgift ausstattete, um den Prestigeposten zu erobern und stilvoll ausüben zu lassen.
Während sich der Vorsitzende Jeremic um den geregelten Ablauf der öffentlichen Debatten kümmert, will Generalsekretär Ban hinter den Kulissen tätig werden. Auf seinem Terminkalender stehen allen für die laufende Woche 145 bilaterale Treffen. Die brennenden internationalen Fragen sind neben einer Lösung des auf die Nachbarstaaten überschwappenden Syrienkonflikts die Lage in der Sahelzone - vor allem im Norden von Mali -, der erneut ausgebrochene Krieg im Osten Kongos an der Grenze zu Ruanda, der Streit um das iranische Nuklearprogramm und der israelisch-palästinensische Konflikt.
»Zeit und Raum«
Für diese Fragen ist eigentlich allein der Sicherheitsrat zuständig. Die Generalversammlung kann aber eingreifen, wenn der Sicherheitsrat über längere Zeit handelsunfähig ist. Am Donnerstag werden sich die Vertreter der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats und Deutschlands zusammensetzen, um eine gemeinsame Linie im Atomstreit mit Iran abzusprechen.
US-Präsident Obama erklärte vor der UNO-Generalversammlung, es bestünden noch »Zeit und Raum«, den Atomstreit mit Teheran durch Verhandlungen beizulegen. Aber diese Zeit sei nicht unbegrenzt. Den Israelis und Palästinensern riet Obama, ihre Zukunft nicht jenen anzuvertrauen, »die den Friedensperspektiven den Rücken zuwenden«. Die USA selber werden Farbe bekennen müssen, wenn die Araber demnächst den Antrag einbringen, dem »Staat Palästina« bei den Vereinten Nationen einen Beobachterstatus ohne Mitgliedschaft einzuräumen, wie ihn die Schweiz bis 2002 innehatte. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit der 193 UNO-Mitglieder ist diesem Antrag ziemlich sicher.