David Miliband, der letzte Aussenminister von Premierminister Gordon Brown, war der Liebling seiner Partei und von Hillary Clinton. Er war einer der engsten Anhänger von Tony Blair, der New Labour dreimal zum Sieg verholfen hatte. Bekanntlich verspielte Blairs Nachfolger Gordon Brown nach insgesamt dreizehn Regierungsjahren die Macht. Jetzt geht es für Labour darum, möglichst rasch die Koalition von Tories und Liberalen abzulösen.
Der 45-jährige David Miliband musste jetzt den mit 1,5 Prozent Stimmen Vorsprung extrem knappen Sieg seines um fünf Jahre jüngeren Bruders Ed im Kampf um den Parteivorsitz von Labour zur Kenntnis nehmen. Im Verhältnis zu ihm ist der ehemalige Staatssekretär im letzten Kabinett Blair und Energie- und Umweltminister unter Gordon Brown eher ein Leichtgewicht. David wird Eds dessen Sieg aber aus Gründen familiärer und parteipolitischer Fairness mittragen.
Es muss sich vor den nächsten Parlamentswahlen in spätestens fünf Jahren erst noch zweigen, ob es sich bei der Rivalität zwischen den beiden Brüdern wieder um eine Art selbstzerstörerischer Depression der Labour Party handelt. Dabei ist der Unterschied zwischen Ed und David letztlich nicht extrem. Denn beide haben sich intellektuell von ihrem Vater Ralph Miliband gelöst, der sich als Marxismus-Theoretiker profiliert hatte.
Das Verhältnis zu Tony Blair
Mit dem offiziellen Titel des "Opposisitonsführers ihrer Majestät" - es gibt immer nur einen - ist der neue Parteivorsitzende (es gibt noch einen administrativen Parteidirektor) auch automatisch der designierte künftige Premierminister für den Fall, dass der amtierende Premierminister - wie Brown im Mai - die Wahlen verliert. Ed Miliband ist damit für die politische Ausrichtung der Labour Party zuständig, was bisher indirekt und inoffiziell David Miliband war. David Miliband war Blair sehr verbunden. Das galt auch im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg, der bis jetzt ein schmerzhafter Stachel im Fleisch von New Labour ist. Blairs Faible für die Londoner Hochfinanz sorgte ebenfalls für Unmut. Brown dagegen hatte unter und nach Blair autoritärer als dieser den gleichen finanzpolitischen Kurs gefahren, aber mehr auf Steuerumverteilung gesetzt. New Labour war und blieb ihrer beider Kind, wobei Brown konsequenter war als der sprunghafte Blair. Anders als David hatte Ed zu Blair eine grössere Distanz eingenommen.
Entsprechend war die Absetzung von Blair und dann von Brown für David schwieriger. Ed hatte sich als Energie- und Umweltminister vollmundig vom Irak-Krieg distanziert, David war als Aussenminister mehr Zurückhaltung auferlegt. Aber jetzt könnte er, im Gegensatz zu Ed, internationales Profil und vor allem eine profunde Kenntnis der Europäischen Union einbringen. Beides ging Brown übrigens vollkommen ab. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Wahl des Jüngeren kein Lichtblick für den "Kontinent".
Woher kommt das Profil?
Ed Miliband hat sich stark den Gewerkschaften angebiedert und letztlich New Labour eine Absage erteilt. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass die konservativ-liberale Regierung mit ihrem rigorosen Austeritätskurs bald scheitert. Aber seine Alternative - es kann ja nicht der alte abgewrackte Labour- Sozialismus sein - kennt man nicht. Oder wird er am Ende doch auf seinen Bruder im Schattenkabinett hören. David Miliband ist vielleicht zu glatt, zu sehr "middle of the road", aber er hat Standfestigkeit gezeigt - ausser wenn er Blairs und dann Browns Staatsräson verteidigen musste - als ein letztliche kontinentaler Sozialdemokrat. Das war vielleicht schon zu viel im desillusionierten Camp von Labour.
David Cameron ist als junger Premierminister quasi noch in der Probezeit. Sein liberaler und ebenfalls junger Koalitionskollege Nick Clegg hält sich still. Ed Miliband muss nun erst beweisen, was David Miliband bereits gezeigt hat: politische Autorität in schwieriger Gemengelage. Grossbritannien verjüngt sich. Was alle vier Youngsters charaktierisiert, ist eine Abwesenheit von extremer Ideologie, ein gewisser Pragmatismus, das heisst letztlich eine Position in der Mitte. Das macht es schwer, sich von den andern zu distanzieren. Grossbritannien gleicht darin mehr und mehr Kontinentaleuropa, wobei es bis jetzt weniger Rechtsextreme gibt. Man darf gespannt sein, wie es unter diesen Bedingungen dem einen oder anderen der Vier gelingt, das eigene Profil zu schärfen.