Nicht nur Donald Trump bezeichnete Putin als «genial». Die italienischen Rechtspopulisten zeigten offen ihre Verehrung für den Kreml-Chef. «Putin ist der fähigste Staatsmann der Welt», schwärmte Lega-Chef Matteo Salvini. Er trug nicht nur ein T-Shirt mit einem Bild von Putin: Der russische Präsident, sagte der Lega-Chef, sei «ein Geschenk Gottes» und verdiene den Friedensnobelpreis. Jetzt wird Salvini in Italien mit Häme überschüttet.
Immer neue Zitate zirkulieren in diesen Tagen: 2017 hatte Salvini gesagt: «Zehn Jahre Putin in Italien, dann hätten wir Ordnung.» Und: «Man muss zwischen Merkel und Putin wählen. Ich lasse euch Merkel, ich wähle Putin.» Und 2019: «Lasst mich sagen, dass Putin einer der besten Regierungschefs der Welt ist, zusammen mit Trump.»
Es fiel Salvini schwer, zu Kreuze zu kriechen. Die italienische Regierung unter Ministerpräsident Mario Draghi verfolgt einen harten, kompromisslosen Anti-Putin-Kurs und verurteilt das russische Vorgehen in der Ukraine «aufs Schärfste», verhängt Sanktionen und liefert den Ukrainern Waffen. Noch versuchte sich Salvini zu wehren. «Nicht in meinem Namen», erklärte er, als die Regierung beschloss, «Stinger»-Boden-Luft-Raketen an die Ukraine zu liefern.
Geld aus Moskau?
Doch dann schwappte eine gewaltige Anti-Putin-Welle über Italien, und Salvini wurde in die Knie gezwungen. Jetzt spricht er plötzlich kleinlaut davon, das Land müsse sich in Krisensituationen «solidarisch» zeigen.
Für einiges Aufsehen in Italien hatte gesorgt, als die Kreml-Partei «Einiges Russland» ein «Partnerschaftsabkommen» mit Matteo Salvinis Lega eingegangen war.
Später tauchte Salvini in einer Bar des Moskauer Hotels Metropol auf und soll – so besagen es mehrere Indizien – mit Emissären des Kreml über eine Mitfinanzierung des Lega-Wahlkampfs für die Europa-Wahlen verhandelt haben. Es sei um Millionen gegangen, schrieben italienische Medien. Salvini sagte, er habe «keinen einzigen Rubel» erhalten.
«Überzeugte Nazis»
Doch der Lega-Chef war nicht der einzige, der von Putin schwärmte. Auch die Protestbewegung «Cinque Stelle» verehrte den Kreml-Diktator. Beppe Grillo, der Mitbegründer und Guru der Partei, warb immer wieder für eine Annäherung Italiens an Moskau. Auf den offiziellen Blogs der Bewegung erschienen lange Artikel, die von der Kreml-Propaganda-Agentur «Sputnik» kritiklos übernommen wurden.
Als 2014 der pro-russische ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch vertrieben wurde, sprachen Abgeordnete der «Fünf Sterne» (so Manlio Di Stefano) von einem «von Amerika finanzierten Staatsstreich, der eine Regierung an die Macht brachte, die von ‹überzeugten Nazis› angeführt war».
Die Ukraine, «ein gescheiterter Staat»
Di Stefano ist nicht irgendwer. Der Sizilianer ist stellvertretender Staatssekretär im Aussenministerium und einer der einflussreichen Figuren der Cinque Stelle. Er trat sogar an einem Parteikongress der Putin-Partei «Einiges Russland» auf und bezeichnete die Ukraine als «gescheiterten Staat». Die nach der Krim-Annexion vom Westen verhängten Sanktionen seien «unangemessen und ungerecht» und müssten aufgehoben werden.
Doch auch der jetzige italienische Aussenminister, Luigi Di Maio, verurteilte 2016 die Sanktionen des Westens. Di Maio, damals Abgeordneter und Ziehsohn von Beppe Grillo, sagte, die Sanktionen würden «nicht funktionieren», das «Problem des Krim-Konflikts nicht lösen» und der italienischen Wirtschaft schaden. Auch er forderte eine Aufhebung der Sanktionen.
Moskau nicht abgeneigt
2017 erklärte die Partei «Einiges Russland», sie bereit, auch ein Partnerschaftsabkommen mit den Cinque Stelle einzugehen.
Im Wahlprogramm der «Sterne» wurde 2018, die «Kurzsichtigkeit der italienischen Aussenpolitik und der EU» kritisiert. Ebenso spricht das Programm von «Ängsten Russlands» wegen «der fortschreitenden Erweiterung der Nato». Kurz darauf hiess es: «Die Fünf Sterne werden sich für die sofortige Aufhebung der gegen Russland verhängten Sanktionen einsetzen». Auch der damalige Ministerpräsident Giuseppe Conte war Moskau gegenüber nicht abgeneigt.
Putin, ein «Bruder» Berlusconis
Doch auch Silvio Berlusconi verehrte Putin. Er nannte ihn in einem Video, das jetzt in Italien zirkuliert, die «Nummer eins der Welt» und: «fast schon einen jüngeren Bruder (von mir)». Immer wieder sprach er von «meinem Freund Putin». Auch er nannte ihn «ein Geschenk Gottes». Für Russland sei er ein «grosses Glück». Doch schneller als Salvini wechselte der schlaue Fuchs Berlusconi die Weste. Jetzt stimmte er im Parlament für eine Resolution, die den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt.
Auch der Cinque Stelle-Mann Manlio Di Stefano wechselte das Hemd: «Der russische Angriff in der Ukraine ist eine unerträgliche Verletzung, die nicht gerechtfertigt werden kann», schrieb der Staatssekretär jetzt in den sozialen Medien. «Italien verurteilt dies aufs Schärfste und arbeitet mit den europäischen und atlantischen Partnern zusammen, um das ukrainische Volk zu verteidigen.»
In den sozialen Medien werden die Cinque Stelle und Berlusconi regelrecht vorgeführt. Vor allem Salvini – sehr zur Freude seiner ebenso populistischen Gegnerin Giorgia Meloni, der Parteichefin der postfaschistischen «Fratelli d’Italia». In Italien werden die Weichen bald neu gestellt, denn in einem Jahr finden Wahlen statt. Salvini ist nach seinem kläglichen Scheitern als Königsmacher bei den jüngsten italienischen Staatspräsidentschaftswahlen ohnehin angeschlagen. Und ausgerechnet jetzt zirkulieren seine Putin-Hymnen.
Nachtrag (8. März 2022)
Die Kehrtwende des Matteo Salvin
Der Chef der rechtspopulistischen italienischen Lega war ein Freund des Kreml-Herrschers und bezeichnete diesen als «ein Geschenk Gottes», der den Friedensnobelpreis verdiene. Seine Freundschaft bezeugte er einst damit, dass er bei einem Besuch in Moskau ein T-Shirt mit Putins Konterfei trug, Jetzt reiste Salvini nach Polen, um seine «Solidarität mit der Bevölkerung» zu bezeugen und den Flüchtlingen zu helfen. Der Bürgermeister der polnischen Stadt Przemysl, Wojciech Bakun, verespottete ihn vor zahlreichen Journalisten, erinnerte ihn an seine einstige Verehrung für Putin und wollte ihm ein T-Shirt mit Putins Foto überreichen. Salvini lehnte ab.
Journal21.ch