Myanmar steht vor einem entscheidenden Jahr. Die Parlamentswahlen im Herbst werden zeigen, ob das halbe Jahrhundert Militärherrschaft (1962-2010) endgültig der Vergangenheit angehört. Der politische Alltag jedoch ist mühsam und beschwerlich.
Nach den letzten Parlamentswahlen 2010, von den westlichen Medien unisono als „Farce“ bezeichnet, hat General Thein Sein seine massgeschneiderte Uniform entsorgt und ist abwechslungsweise in handgefertigten Massanzügen westlichen Zuschnitts oder im traditionellen Wickelrock Longyi aufgetreten. Diesmal nicht mehr als nächster Vertrauter des Diktators und Generals Nummer 1, Than Shwe, sondern seit März 2011 als Präsident einer Zivilregierung.
Unter Theins Seins Ägide hat sich in den letzten vier Jahren vieles zum Teil grundsätzlich verändert. Das Land hat sich wirtschaftlich, aber auch politisch geöffnet. Friedensnobelpreisträgerin und Demokratie-Ikone Aung San Suu Kyi und einige ihrer Mitkämpfer der Nationalen Liga für Demokratie sitzen nach einer Zwischenwahl im Parlament. Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit sind praktisch wieder hergestellt. Ausländische Investoren und Touristen strömen ins Land. Die westlichen Sanktionen – seit jeher unwirksam und kontraproduktiv – sind zum grössten Teil aufgehoben.
Unkritischer Optimismus
Noch können die Militärs, so will es die geltende Verfassung, das demokratische Experiment abbrechen. Doch dazu wird es kaum kommen. Eine Rückkehr zu den alten Verhältnissen würde auf breitesten Widerstand stossen. Eine aktive Zivilgesellschaft hat sich seit 2011 entwickelt: Positiv in Aktionen gegen den Ausverkauf der Naturschätze, zum Beispiel Proteste gegen ein Kupferbergwerk oder gegen ein von China finanziertes grosses Wasserkraftwerk; negativ in buddhistischer Hetze gegen die wenigen Muslims im Land sowie vor allem gegen die Minderheit der Rohingyias.
Westliche Länder und vor allem die USA versuchen unterdessen, wie kürzlich beim Besuch von US-Präsident Obama in Nay Pyi Daw und Yangon, Myanmar Demokratie-Lektionen zu erteilen. Gleichzeitig wird in westlichen Medien unkritischer Optimismus über die wirtschaftliche Entwicklung des bitterarmen Landes verströmt.
30‘000 Tonnen Holz beschlagnahmt
Die Demokratie-Schulmeistereien mit erhobenem moralischem Zeigefinger hat Myanmar nicht nötig. Die Regierung sowie Burmesinnen und Burmesen versuchen pragmatisch, sich im komplizierten politischen Reform-Geflecht zurechtzufinden. Bei vielen Schritten ins wirtschaftlich Unbekannte sind mannigfaltige Interessen im Spiel, nicht zuletzt jene der Militärs. In Burma gab und gibt sich niemand der Illusion hin, dass sich die lange durch absolute Macht privilegierten Uniformierten einfach zurückziehen. Der Handel und Schmuggel von Drogen oder des Edelsteins Jade waren und sind offenbar noch immer lukrative Geschäftsfelder, mit denen sich mittlere, höhere und höchste Chargen die Taschen stopfen. Auch bei legitimen Geschäften haben die Militärs, ähnlich wie in ehemaligen Sowjetstaaten, den entscheidenden Beziehungs-Vorsprung und kommen so zu Schnäppchenpreisen zu erklecklichen Vermögen. Von alle dem nicht zu trennen sind die oft damit verquickten politischen Nahkämpfe.
Ein gutes Beispiel ist der Handel und der Schmuggel von kostbarem Teak-Holz in der burmesisch-chinesischen Grenzregion. Seit dem 1. April 2014 sind einschneidende Massnahmen gegen legalen wie illegalen Holzschlag in Kraft. Ziel der Reform ist ein besserer Schutz der Naturressourcen, vor allem von Teak und andern reichlich vorhandenen Harthölzern. Im vergangenen Jahr bereits hat die Regierung durch die Militärs über 30‘000 Tonnen illegal gefällten Hartholzes beschlagnahmt, darunter ein Drittel Teak. Wie der Vizeminister für Umweltschutz, Aye Myint Maung, erklärte, so viel wie nie zuvor. Myanmar verfügt über die Hälfte des weltweiten Bestandes an natürlichen Teakwäldern. Nach Angaben der Uno-Weltagrar-Organisation FAO sind das rund fünfzehn Millionen Hektar. Der Waldbestand freilich hat wie anderswo in der Welt auch in Burma deutlich abgenommen. Nach offiziellen Statistiken war Burma 1990 noch zu 58 Prozent mit Wald bedeckt, 2010 waren es noch 47 Prozent. Weil die Statistiken unter den Militärs notorisch unzuverlässig oder gefälscht waren, könnte der Verlust an Wald noch grösser sein.
Teak, gefragt wie Schweizer Luxusuhren
Der Export von Teak ist für die burmesische Volkswirtschaft bedeutend. Im Geschäftsjahr 2013/14 betrug die Ausfuhr von Teak und andern Harthölzern rund eine Milliarde Dollar. Illegale Holzexporte erreichen nach einer Studie der „Environmental Investigation Agency“ (EIA) von 2011 bis 2013 satte 6,5 Millionen Kubikmeter im Werte von 5,7 Milliarden Dollar. Nach der gleichen Quelle sollen in den letzten fünfzehn Jahren sogar nur 28 Prozent der burmesischen Holzexporte legal gewesen sein.
Die rechtliche Lage im Holzfäller-Geschäft ist, kaum verwunderlich nach nicht einmal vier Jahren der Öffnung, nicht eindeutig klar. Viele der lukrativen Teak-Wälder liegen in Gebieten, die von Rebellenarmeen der nationalen Minderheiten kontrolliert werden. Um zu Geld zu kommen, betreiben die Aufständischen nicht nur Produktion und Handel mit harten Drogen, sondern vergeben auch Holzschlag-Lizenzen. Diese Lizenzen gehen meist an Chinesen, denn in China verleihen Teakmöbel oder Teakparkett Prestige und sind so gefragt wie etwa Schweizer Luxus-Uhren, Überseereisen oder französischer Bordeaux. Die Holzschlag-Bewilligungen der Aufständischen freilich sind landesweit ausdrücklich ungültig.
Vorsichtiger Optimismus
An diesem Punkt kommt wieder die Armee ins Spiel. Illegaler Holzschlag ist ein guter Vorwand, gegen Rebellen vorzugehen, obwohl Präsident Thein Seins Regierung mit verschiedenen Gruppen über Waffenstillstand und Frieden verhandelt. Der Vize-Direktor der burmesischen Waldbehörde, Nyi Nyi Kyaw, formuliert es so: In den Rebellengebieten „kann nur die Armee etwas gegen illegale Holzfäller ausrichten“. Anfang Januar stellte die Armee durch Luftüberwachung im nördlichen Kachin-Staat Waldrodungen fest und schlug zu. Wie die Armeezeitung berichtet, sind dabei 102 Ausländer, vor allem Chinesen, sowie 20 Burmesen festgenommen worden. Ihnen wird illegale Holzfällerei, aber auch Drogen-Handel und Jade-Schmuggel vorgeworfen. Die „Unabhängigkeits-Armee Kachin“ bestätigte den Raid der Myanmar-Streitkräfte. Von chinesischer Seite hiess es nur, man werde mit den Behörden von Myanmar eng zusammenarbeiten, um Ruhe und Ordnung in der chinesisch-burmesischen Grenzregion aufrechtzuerhalten.
Die neueste Militäraktion zeigt, dass Myanmar im schicksalhaften Wahljahr 2015 noch weit von Normalität und Stabilität entfernt ist. Der Kampf zwischen verschiedenen politischen und militärischen Fraktionen nimmt in den Niederungen des neuen demokratischen Alltags seinen Fortgang. Die immer besser informierte Zivilgesellschaft jedoch gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus.