In einer grösseren Rede vor eigenen Parteifunktionären und Diplomaten in Beijing hat der chinesische Präsident Xi Jinping kürzlich eine erste Bilanz seiner andauernden aussenpolitischen Charmeoffensive gezogen. Er unterstrich dabei, dass Beijing stets für alle Beteiligten vorteilhafte Konfliktslösungen anstrebe. So bewiesen in
- seinem Versöhnungsgespräch mit dem japanischen Premierminister,
- mit der bilateralen Übereinkunft zur Klimapolitik mit Präsident Obama
- und in der chinesischen Bereitschaft für ein bilaterales Freihandelsabkommen mit Australien, trotz klarer politischer Frontstellung Canberras mit den USA gegen China.
Diese drei Beispiele zeigen in der Tat eine gewisse aussenpolitische Flexibilität, wie sie seit Amtsantritt Xis neu ist.
Chinesische Eigeninteressen
Indes wird bei näherer Betrachtung nicht so sehr aussenpolitischer Altruismus sondern chinesisches Eigenintresse in allen drei Fällen offensichtlich.
Die Auseinandersetzung mit Japan über eine unbewohnte aber potentiell rohstoffreiche Inselgruppe im ostchinesischen Meer hat Beijing mit Drohgebärden bereits ausgereizt. Eine weitere Verschärfung würde unkalkulierbare Risiken mit sich bringen und zudem andere Nachbarn mit ähnlichen Streitpunkten im südchinesischen Meer noch mehr vergraulen.
Das Umweltsproblem Chinas ist so gravierend, auch und speziell für die eigene Bevölkerung, dass die chinesischen Behörden mit Blick auf die Innenpolitik ohnehin gezwungen sind, zu handeln.
Das Freihandelsabkommen mit Australien schliesslich sichert China direkten und indirekten (via Investitionen in australische Bergbauunternehmen) Rohstoffzugang und treibt einen politischen Keil in die von den USA geführte Allianz zur Kontrolle Beijings.
Keine Konzessionen
Dort wo Xi seine eigenen Interessen und jene der von ihm an immer kürzerer Leine gehaltenen KP Chinas in Gefahr sieht, ist von Entgegenkommen keine Rede. Konzessionen, oder auch nur der Anschein davon, kommen offensichtlich nicht in Frage.
Dies haben die prodemokratischen Demonstranten in Hong Kong schmerzlich erfahren müssen. Sie forderten ja lediglich das dem ‘halbautonomen Verwaltungsbezirk Hong Kong’ im Abtretungsvertrag Grossbritannien-China von 1984 verankerte Recht auf freie Wahlen ein, welches Beijing darin völkerrechtlich verbindlich für mindestens 50 Jahre zugesichert hatte.
Nachdem die eigene Regierung ihnen, offensichtlich auf Geheiss der chinesischen Zentralmacht, keinen Zentimeter entgegenkam, wurde den Führern des demokratischen Hong Kongs ein Reiseverbot auferlegt, um sogar jeden Kontakt mit den wirklichen Machthabern in Beijing zu verhindern.
Nackte Machtpolitik
Diese nackte Machtpolitik Chinas wird sich im Moment durchsetzen, zumal im Westen, auch im direkt für die Vetragserfüllung zuständigen Grossbritannien, offensichtlich weder die Möglichkeit noch der Wille besteht, China hier herauszufordern. Dies indes um den Preis der Radikalisierung der Studenten und einer politischen Bewusstseinswerdung einer breiteren Öffentlichkeit in Hong Kong.
Die kompromisslose Haltung Chinas unter Xi ist bei direkt Interessierten in der Region nicht unbemerkt geblieben. In Taiwan, wie Hong Kong von China wirtschaftlich immer abhängiger und politisch seit Jahrzehnten in einem delikaten Annährungsreigen an das Festland begriffen, ist die Reaktion speziell heftig ausgefallen: In Lokalwahlen hat die regiernde, eher Beijing zuneigende Kuomintang Partei grosse Verluste hinnehmen müssen, zugunsten der in Richtung formeller Unabhängigkeit tendierenden Opposition.
Ausschaltung potentieller Rivalen
So wird die von Präsident Xi im zweiten Teil seiner Rede heraufbeschworene Bedeutung chinesischer ‘soft power’ - dem Beispielscharakter eigener Politik und Kultur gegen aussen also - stark relativiert. In dieses Bild passt weiter ein eben veröffentlichter Bericht von ‘Transparency International’, wo der von Xi geführte Antikorruptionsfeldzug in China wegen fehlender Nachhaltigkeit (keine unabhängige Justiz, kein Schutz vor ‘whistleblowers’) hart kritisiert wird. Was den Verdacht nährt, Xi gehe es dabei nicht so sehr um Korruption an sich, sondern um die weitere Ausschaltung bestehender oder potentieller Rivalen um seine Macht als Alleinherrscher Chinas.