Wie ein zerbrochener Staat repariert werden kann, ist schwer zu ergründen, weil wir nur über wenige Präzedenzfälle verfügen. Somalia ist seit 23 Jahren zerbrochen. Reparaturversuche wurden und werden weiter gemacht. Sie sind jedoch nicht so erfolgreich gewesen, dass man sie als Vorbilder für Reparaturarbeiten in anderen zerbrochenen Staaten verwenden könnte.
Libanon nach 15 Jahren Bürgerkrieg
Es gibt einen arabischen Staat, der zerbrach und dann wieder aufgebaut werden konnte, Libanon. Libanon hat nicht den Prozess einer langsamen Delegitimierung des Staates durch die lang andauernde Präsenz eines einzelnen Herrschers durchgemacht, der als das erste Stadium der gegenwärtigen Verfallsprozesse in den zur Zeit gefährdeten oder bereits zerfallenen arabischen Staaten bezeichnend ist. Dennoch lassen sich einige Lehren aus dem libanesischen Bürgerkrieg gewinnen.
Dieser Bürgerkrieg hat 15 Jahre lang gedauert - 1975 bis 1991. Trotz zahlreicher internationaler Zusammenkünften und Verhandlungen und trotz Einmischungen oder Eingriffversuchen von französischen, amerikanischen, britischen, italienischen, syrischen und anderen arabischen Soldaten, massiven israelischen Streitkräften, persischen Revolutionswächtern und Uno-Soldaten konnte er nicht beendet werden. Die verschiedenen verfeindeten Milizen hörten nicht auf, gegeneinander zu kämpfen. Sie schlossen auch Bündnisse untereinander und lösten sie wieder auf. Sie brachen auseinander in zwei feindliche Hälften und bekämpften sich gegenseitig. Die libanesische Armee zerbrach, wurde wieder aufgerüstet, brach erneut auseinander und vermochte nie aller Milizen Herr zu werden.
Zwei Stufen der Überwindung
Wie kam das Ende dieses unendlich zähen und langfristigen Zustandes des Zusammenbruchs des libanesischen Staates? - Es brauchte eine doppelte Entwicklung: einerseits zähe Verhandlungen aller Beteiligten unter Führung der Arabischen Liga in Taif, Saudi Arabien, im Jahre 1989, weit von den Kampfplätzen entfernt. Sie führten zu einer neuen Machtverteilung für den libanesischen Staat, nicht sehr anders als sie früher gewesen war, jedoch mit einigen Korrekturen, so dass die bisher stark dominante Gemeinschaft der Maroniten immer noch führend blieb, aber etwas weniger dominant.
Diese Verhandlungsergebnisse waren zuerst nur Papier. Um sie in der Wirklichkeit durchzusetzen, brauchte es als zweiten Schritt: Eine Armee von aussen musste die Kampfgruppen entwaffnen. Dies war die syrische Armee. Sie marschierte im Jahr 1989 ein und führte 1990 die Entwaffnung aller Kampfgruppen durch - bis auf eine, Hizbullah, die ihre Waffen nicht abgeben musste. Was damit begründet wurde, dass Hizbullah Libanon gegen Israel schütze.
Kontrolle aus dem Hintergrund
Die syrischen Truppen blieben im Land - zehn Jahre lang. Ihre Zahl variierte zwischen 20.000 und 40.000 Soldaten. Doch sie liessen es zu, dass eine libanesiche Regierung gebildet wurde und beschränkten sich darauf, eine Kontrolle aus dem Hintergrund auszuüben. In diesen zehn Jahren waren Ghazi Kanaan und Rustum Ghazaleh, die beiden syrischen Geheimdienstchefs für Libanon. Die libanesischen Politiker mussten sie um ihre Meinung befragen, bevor sie eine Initiative im libanesischen Parlament unternahmen.
Libanesische Politiker und Milizführer, die Syrien nicht genehm waren, wanderten in syrische Gefängisse. Doch in diesen zehn Jahren gab es auch einen energischen Schub zum wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes. In erster Linie dank dem libanesischen Millionär und Geschäftsmann Rafik Hariri, der sein Geld in Saudi Arabien gemacht hatte und es nun grosszügig in seiner Heimat anlegte. Er wurde später auch Ministerpräsident Libanons und noch später, am 14. Febraur 2005 ermordet - von wem, ist bis heute ungeklärt geblieben. Der Mord an Hariri, für den in den Jahren nach der Untat in erster Linie die Syrer getadelt wurden, bewirkte, dass unter libanesischem und amerikanischem Druck die syrischen Soldaten aus Libanon abgezogen wurden. Der erwähnte Geheimdienstchef,Ghazi Kanaan, beging Selbstmord in Damaskus. Vielleicht wurde er dazu gezwungen; genaueres weiss man nicht.
Den Amerikanern gelang nicht, was die Syrer vermochten
Dass es syrische Truppen waren, die den Bürgerkrieg in Libanon beendeten, war wohl entscheidend. Sieben Jahre zuvor, 1982, hatten amerikanische, französische und englische Truppen gemeinsam versucht, das gleiche zu tun. Damals hatte Israel die Hälfte Libanons besetzt und war bis nach Beirut vorgedrungen. Doch die Amerikaner und Franzosen waren im folgenden Jahr zwei Selbstmordanschlägen erlegen, denen 241 amerikanische und 58 französische Soldaten zum Opfer fielen, und sie zogen darauf aus Libanon ab.
Wahrscheinlich waren die Anschläge von schiitischen Hizbullah-Kämpfern durchgeführt worden. Es waren die ersten grossangelegten Selbstmordbomben im Nahen Osten. Seither haben sie Schule gemacht. - Was die amerikanischen und anderen westlichen Truppen in Libanon erreicht hätten, wenn sie geblieben wären, weiss man nicht. Was die Amerikaner im Irak bewirkten, als sie dort versuchten, nach ihrer Invasion von 2003 den Staat wieder aufzubauen, den sie gründlich zerschlagen hatten, war dermassen katastrophal, dass man sich sagen muss, vielleicht war es für Libanon besser, dass sie das Land verliessen, obgleich der Bürgerkrieg danach noch weitere sechs Jahre andauerte.
Syrien zurückgehalten von den USA mittels Israels
Die Syrer hätten wahrscheinlich, wie man vermuten kann, schon Jahre früher entscheidend in Libanon eingegriffen, um den dortigen Bürgerkrieg zu beenden. Doch sie taten es nicht, weil sie unter einer amerikanischen Drohung standen. Die Amerikaner hatten Damaskus klargemacht, wenn Syrien Libanon besetze, würden sie kein Veto dagegen einlegen, dass die israelische Luftwaffe Syrien angreife. Dies zusammen mit der Unterstützung, die Saddam Hussein den anti-syrischen Kräften in Libanon zukommen liess, genügte, um Syrien zum Stillhalten zu zwingen. Die Lage änderte sich erst, als Syrien im ersten Golfkrieg von 1990-1991 einer der Verbündeten Washingtons gegen Saddam Hussein wurde, der damals Kuwait besetzt hatte. Im Gefolge dieser Zusammenarbeit hob Washington seine Israel-Drohung auf, und Syrien wurde frei, mit voller Macht in Libanon einzugreifen.
Fremdbesetzung macht es noch schlimmer
Die Lehre, die man aus alldem für die heutigen zerfallenden und zerfallenen Staaten der arabischen Welt ziehen kann, würde lauten: Fremdbesetzung durch Amerikaner und andere Westler wird wahrscheinlich keinen Wiederaufbau erreichen und hat eine gute Chance, die Lage noch weiter zu verschlechtern. Arabisches Einwirken, so langsam es kommen mag und so schwierig es sein mag, mehrere arabische Staaten zugleich zu effizientem Handeln zu bringen, hätte bedeutend bessere Chancen. Wahrscheinlich wäre auch in Syrien oder in Libyen, im Jemen oder im Irak eine längere Periode der Bevormundung nötig, bis die Staaten wieder auf eigenen Beinen stehen könnten. Bevormundung heisst in grossen Zügen: de facto Einfluss, jedoch mehr im Hintergrund gehalten als diskrete Kontrolle der neu reparierten nationalen Regierung.
Eine solche Bevormundung ist westlichen Demokratien nicht zuzutrauen und nicht zuzumuten. Bei ihnen muss alles öffentlich geschehen und öffentlich diskutiert werden. Ausserdem sind sie belastet als ehemalige Kolonialisten und bedingungslose Freunde Israels. Ihre Präsenz wird immer Widerstand hervorrufen, in erster Linie heute gewiss islamisch eingekleideten Widerstand.
Iran als Gegenbeispiel
Vielleicht sind auch Lehren zu ziehen aus der Islamischen Revolution Irans. Sie begann 1978 mit gewaltigen Massendemonstrationen gegen den Schah und seine Herrschaft. Im Februar 1979 war es soweit, dass der Schah zur Ausreise gezwungen wurde und Khomeini triumphierend zurückkehrte. Bis zu diesem Punkt besteht eine frappante Ähnlichkeit mit dem Beginn des "arabischen Frühlings" von 2011 in fünf der sechs von ihm betroffenen arabischen Staaten. Doch dann entwickelte sich Iran geradezu gegenläufig zu dem Geschehen in der arabischen Welt.
Ayatullah Khomeini vermochte es, die Revolution vollständig unter seine Gewalt zu bringen. Widerstrebende Gruppen, die es anfänglich gab, schaltete er aus, wo nötig mit harter Gewalt, zum Beispiel die Volksmujahedin oder die Kommunisten. Er beaufsichtigte die Niederlegung einer Verfassung, die bis heute gültig geblieben ist und die sein Verständnis einer Islamischen Demokratie unter der Führung des Herrschenden Gottesgelehrten festschrieb. Der Grund für diese unterschiedliche Entwicklung Irans liegt auf der Hand. Die Revolution Irans wurde schon in der Protestphase im Namen des damals abwesenden und verbannten Ayatollah begonnen und durchgeführt. Andere politische Gruppen schlossen sich an und anerkannten von Beginn an, dass Khomeini und seine engsten Mitstreiter den Kern der Bewegung bildeten. Ihre gewaltige Zugkraft auf den Strassen beruhte auf der Popularität des Ayatollah. Khomeini wusste diesen Umstand zu nützen. Nicht nur durch die neue Verfassung wurde seine Herrschaft gefestigt, sondern auch durch eine neu eingeführte Armee, jene der Revolutionswächter. Diese Armee wurde ins Leben gerufen, um ein Gegengewicht zur regulären persischen Armee zu schaffen, die die Armee des Schahs gewesen war.
Revolution ohne Führung?
Eine Person, Khomeini, wurde Symbol der Revolution und ergriff dann die Herrschaft über den neuen iranischen Staat. Die arabischen Revolutionäre und Demonstranten wollten dies vermeiden. Sie hatten keine Symbolfiguren und wollten auch keine haben. Sie sagten sogar, gerade darin liege ihre Stärke. Das Regime ihres Starken Mannes fand kein Oberhaupt, um es einzukerkern oder niederzuschlagen. Was zutraf, solange es darum ging, den alten Gewaltherrscher zu vertreiben. Doch es erwies sich in der Folge als eine Schwäche, weil die Protestgesellschaft nach ihrem Erfolg der Absetzung des Gewaltherrschers sich nicht darüber einigen konnte, wie und unter wessen Führung es nun weiter gehen solle mit der Gründung und Inbetriebnahme der erhofften Demokratie.
Die Legitimität des Staates wurde zuerst zerstört
Dass dies so schwer fiel, muss man gewiss in Verbindung bringen mit der ersten Phase des Staatszerfalls. Die langjährigen Gewaltherrscher, die die Legitimität des Staates zerstört und ad absurdum geführt hatten, bewirkten auch, dass es keine - oder nur sehr ungenügende - Strukturen, Infrastrukturen und Geistesverfassungen gab, auf denen der neue Staat hätte aufbauen können.
Libanon hatte, wie oben erwähnt, nie einen vieljährigen Gewaltherrscher gekannt. Die libanesische Demokratie, so eigenartig sie gewesen sein mag, hatte sich immer durchgesetzt, wenn eine Person versuchte, die Herrschaft über Gebühr zu monopolisieren. (Einmal 1958 sogar vermittels eines kurzfristigen Bürgerkrieges, der eine harmlos verlaufene amerikanische Intervention hervorrief). In Libanon überlebte den Bürgerkrieg das Wissen darum, dass man sogar mit Feinden und Widersachern zusammenarbeiten musste, wenn ein demokratisches Regime funktionieren sollte. Dies erlaubte es, nach dem Bürgerkrieg, mit einigen kleinen Veränderungen und über viele Krisen hinweg, zu einem pluralistisch regierten Staatswesen zurückzukehren.
Politische Wüste als Erbe der Diktatur
Den heutigen arabischen Staaten mit dem Erbe der langjährigen Einmannregime fehlt jede Tradition des Zusammenarbeitens rivalisierender Gruppen zum Wohle des Ganzen. Es gelang nicht, solche Traditionen neu zu beginnen und einzuüben. Es fehlte sogar bei weitaus den meisten politischen Gruppen das Bewusstsein, dass dieses eine notwendige Voraussetzung war, wenn die erhoffte Demokratie funktionieren sollte.
In Iran hätte dieses Bewusstsein vielleicht auch gefehlt. Jedenfalls war es nicht gefordert, weil ein neuer Starker Mann die Machtkontrolle übernahm.
Braucht es eine Vaterfigur - mindestens vorübergehend?
Damit ist die Frage verbunden: Wird sich ein neuer Starker Mann als notwendig erweisen, um die zerfallenen Staaten wieder auf die Spur zu bringen? Wird ein neuer - hoffentlich etwas weniger eigenartiger - Ghaddafi oder Asad oder Mubarak notwendig sein? Von denen man hoffen würde, dass sie sich diesmal nicht auf lebenslänglich und mit dem Versuch, die Macht auch noch an ihren Sohn weiterzugeben, an der Herrschaft festkrallen werden. Das kann man hoffen, aber schwer beeinflussen.
Anmerken kann man nur, dass es seit dem arabischen Frühling eine gesellschaftliche Entwicklung gibt, die darauf hinzielt, die Befreiung von politischen Vaterfiguren zu erreichen. Sie ist vielleicht heute noch bloss eine Strömung "modern" ausgerichteter Minderheiten, aber sie liegt im Zuge der Zeit und sie wird daher schwerlich versiegen.
Ein vorläufiger Übervater in Ägypten
In Ägypten hat sich eine neue Vaterfigur durchgesetzt, und sie erwies sich als ein überaus strenger Papa. Sie kam zur Macht mit der anfänglichen Zustimmung grosser Massen von Ägyptern. Ob ihr heute noch gleichviele zustimmen würden, ist unklar, aber irrelevant, weil General und Präsident al-Sissi die Macht egriffen hat und sie grimmig verteidigt. Die versprochene Demokratie soll noch kommen. Vorläufig gibt es kein Parlament, und der Ex-Geheimdienstchef, Ex-General und heutige Präsident macht die Gesetze und beaufsichtigt ihre Durchführung. Er kommandiert offensichtlich sogar die Richter. Man muss erwarten, dass das künftige Parlament ein sehr zahmes Parlament werden dürfte.
Wie lange as-Sissi?
Der Fortgang des ägyptischen Experimentes wird wesentlich von den Wirtschaftsfragen abhängen. Nur wenn es al-Sissi wider Erwarten gelingen sollte, die marode ägyptische Wirtschaft einigermassen zu sanieren, kann er mit einer längeren Herrschaftsperiode rechnen. Wenn nicht, sind neue Unruhen zu erwarten, diesmal wahrscheinlich noch blutiger als die vorausgegangenen, weil die protestierenden Massen nicht nur mit der Polizei sondern auch mit der Armee werden rechnen müssen.
Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Herrschaft des gegenwärtigen Starken Mannes nur eine Episode im Gesamtablauf einer ägyptischen Revolution abgeben wird, deren Ende noch nicht absehbar ist, aber, wenn nicht noch Glücksfälle eintreten, eher auf einen zerstörten Staat hinauslaufen wird als auf eine Neugeburt des ägyptischen Staates.
Syrien bleibt eine Unbekannte
Wird für Syrien der unabkömmliche Starke Mann doch Asad heissen? Niemand kann es voraussagen. Am wahrscheinlichsten ist eine lange und verzweifelte Periode weiterer innerer Kämpfe. Die amerikanischen Generäle sagen, "langjährige" Kämpfe nur gerade gegen den IS stünden bevor - und das Ende vom IS bedeutete noch nicht das Ende des syrischen Bürgerkrieges.
In Syrien sind erst drei Jahre des Bürgerkrieges vergangen, bisher nur ein Fünftel der Zeit, die der libanesische Bürgerkieg dauerte. Doch die Masse der inneren und äusseren Heimatlosen und Vertriebenen beträgt schon heute ein Drittel der syrischen Bevölkerung. Um sie auch nur notdürftigst zu ernähren, benötigt die Uno für das kommende Jahr 7,2 Milliarden Dollar. Sie hat zur Zeit kein Geld mehr und musste Nahrungslieferungen an 1,7 Millionen bedürftige Syrer einstellen.Die Kommentatoren und die verantwortlichen Organisatoren merken an,dass auch in den kommenden Jahren erhebliche Mittel benötigt werden. Diese Aussichten beruhen auf dem Umstand, dass Nahrungshilfe verbraucht wird, aber nichts produziert - ausser neue Kindern in den Flüchtlingslagern und in Notunterkünften, die auch ernährt werden müssen. Ganz abgesehen davon, dass die Kämpfe, solange sie andauern, stets weitere Flüchtlinge und Vertriebene schaffen werden.
Ein Irak in Fragmenten?
Auch im Irak wächst die Zahl der obdachlosen und unproduktiven Bevölkerung. Dort gibt es ein bedeutendes Erdöleinkommen und eine südliche Landeshälfte mit schiitischer Bevölkerung, in welcher der Staat bisher überlebt hat. Dort ein schiitisches Regime unter iranischer Schutzherrschaft einzurichten, erscheint machbar. Doch was mit dem sunnitisch-arabischen Nordwesten des Landes geschehen soll, ist noch immer sehr unklar. Es geht nicht nur um einen noch zu erringenden Sieg über IS, sondern viel grundlegender um ein Staatssystem innerhalb dessen die irakischen Sunniten sich als zugehörig und gleichberechtigt empfinden können. Die schiitische Regierung von Bagdad müsste dieses System entwickeln, gegen alle Instinkte der Hauptmasse der Schiiten des Südens, aus denen diese Regierung hervorgeht, und wahrscheinlich gegen den Willen der iranischen Revolutionswächter, die im irakischen Süden eine möglicher- und wahrscheinlicherweise entscheidend wichtige Rolle spielen.
Wie verhält sich die äussere Welt?
Zu den Unbekannten der kommenden Jahre gehört natürlich auch, welche Rolle die künftige, möglicherweise republikanische, Regierung Amerikas im Nahen Osten zu spielen gedenkt. Die gegenwärtige, aber bereits auslaufende Obama Regierung hat erkannt, dass sie ein lang hingezogenes Spiel treiben muss. Sie urteilt zu recht: Schneller ginge es, aber gefährlicher wäre es auch, mit direkten militärischen Engriffen à la "Furcht und Schrecken", wie sie Bush im Irak durchführte. Gefährlicher nicht nur wegen der russischen Reaktion und nicht nur wegen Bankrottgefahr für die amerikanische Wirtschaft, sondern gefährlicher auch für den weiteren Ablauf nach einer Gewaltaktion der amerikanischen Supermacht. Denn es ist heute klar, dass eine solche Gewaltaktion nicht nur einen IS sondern viele IS hervorbringen würde.
Die Gewaltaktion würde genau die strategischen Wünsche von Al-Qaida und IS erfüllen. Ihnen und ihresgleichen geht es darum, möglichst alle Muslime, die 1,6 Milliarden von ihnen, gegen die USA und den Westen (zusammengefasst als die "Kreuzzugsmächte") aufzubringen und zu mobilisieren. Obama und seine Verwaltung scheinen dies, genau oder auch nur nebulös und gefühlsmässig, erkannt zu haben. Doch was wird eine künftige republikanische Administration davon begreifen?
Müssen wir es bei der Prognose bewenden lassen:Die Umwälzungen im Nahen Osten sind noch nicht zu Ende. Je länger sie andauern, desto ungewisser wird ihr Ausgang? Vielleicht lässt sich mit einiger Sicherheit hinzufügen: Es gibt gewisse Fehler, die bisher gemacht wurden, und die zu vermeiden sind, wenn man die Lage nicht noch weiter verschlimmern will. Der wichtigste davon dürfte sein: Direkte Interventionen aus den "Kreuzugsländern" müssen soweit wie möglich vermieden werden. Wenn sie unabdingbar sind, sind sie klein zu halten. Sogar wenn dies bedeuten sollte, dass damit eine Verlängerung der Wirren und Kriegszustände einhergeht. Dies ist der Fall, weil ein Eingriff mit der vollen Gewalt einer einsatzfähigen modern ausgerüsteten Armee unvermeidlich eine Gegenmobilisation hervorrufen wird, solange auch nur ein Teil der muslimischen Bevölkerung überlebt. Diese Reaktion wird in der heutigen Zeit die Züge beabsichtigter maximaler Grausamkeit in islamistischem Gewande und mit islamistischer Rechtfertigung tragen.