Vermeintlich verlässliche Bündnispartner der USA auf der arabischen Halbinsel lassen Präsident Biden abblitzen. Sie wollen ihre Fördermengen nicht erhöhen und weigern sich, bei der Energieversorgung Europas in die Bresche zu springen. Auch der lateinamerikanische Paria-Staat spielt nicht mit. Nach einer vorsichtigen Annäherung der USA an den Erzfeind Venezuela kommen von dort nun doch wieder zweifelhafte Signale.
So etwas gab es noch nie: dass die führenden Politiker in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ein Telefonat mit einem US-Präsidenten verweigerten. Doch genau das ist geschehen. Das berichtet nicht nur das «Wall Street Journal», das bestätigen auch Quellen aus dem Weissen Haus und den Regierungssitzen in Riad und Abu Dhabi.
Präsident Biden wollte über eine Erhöhung der Öl- und Erdgasförderung reden, wollte offenkundig nach Alternativen für die Energieversorgung der westlichen Welt für deren Front gegen den Kriegstreiber Russland sprechen – und blitzte ab. Ausgerechnet bei den zwei (vermeintlich) wichtigsten Partnern im Mittleren Osten. Wohl gemerkt, bei denen, die bisher zu den besten Kunden US-amerikanischer Rüstungsgüter weltweit zählten.
Wer kann sich nicht daran erinnern, dass Donald Trumps Delegation 2017 mit Saudi-Arabien einen Rüstungsdeal über mehr als 330 Milliarden Dollar vereinbarte? Wer auch nicht, dass die Emirate, als Belohnung für ihre Normalisierung mit Israel, die Lieferung von F-35-Flugzeugen versprochen erhielten und dass beide Länder sich jahrelang treu an die Seite der USA gestellt haben, wenn es um Sanktionen oder Drohungen gegen Iran ging? Alles passé?
Komplikationen bei Saudis und Golfstaaten
Ja, zumindest vieles davon. Hinsichtlich einiger Gründe muss man spekulieren, bei anderen kann man zwei und zwei zusammenzählen. Beginnen wir mit Saudi-Arabien.
Kronprinz Mohammed bin Salman fühlt sich persönlich verletzt, weil Joe Biden ihm zwar nicht eine total kalte, aber doch eine kühle Schulter gezeigt hat. Hauptgründe von US-Seite sind der Krieg Saudi-Arabiens gegen Jemen und die Ermordung des Publizisten Kashoggi (2018) durch saudische Schergen, höchst wahrscheinlich im Auftrag Mohammed bin Salmans. Kommt hinzu, dass die US-amerikanische Legislative sich weigert, die jemenitischen Huthi-Rebellen als Terror-Organisation zu brandmarken.
Im Fall der Emirate liegen die Dinge vertrackter. Sie verkehren zwar mit Israel immer entspannter, begrüssen sogar israelische Politiker und Touristen. Aber so hemmungslos wie ihr Regime sich das erhofft hatte, liefern die USA eben doch nicht ihre militärische Hochtechnologie (da bremst ja auch Israel, das sich von den USA eine permanente militärische Überstärke garantieren liess). Daher verzichteten die VAE schliesslich auf die US-Flugzeuge und wandte sich anderen Lieferanten zu, nämlich China und Russland.
Hinzu kommen andere Faktoren, rein materielle: Die Beziehungen zwischen Abu Dhabi und Dubai mit Russland wurden in den letzten Jahren konsequent intensiviert. «Le Monde Arabe» zeichnet das in Details (versehen allerdings auch mit Spekulationen) nach und kommt zum Resultat, dass russische Finanzinstitute sich mehr und mehr darauf stützten, Gelder dubioser Herkunft am Persischen Golf zu waschen. Und dafür gebe es eben jetzt zusätzliche Anzeichen: Reiche Russen und internationale Finanzinstitute hätten noch in den letzten Tagen versucht, russische Vermögen, die durch die westlichen Sanktionen blockiert werden sollten, auf unverdächtige Weise in die Emirate zu transferieren.
Russische Forderungen an die Iran-Verhandlungen
Könnte ein Ausserirdischer unsere Welt in der Perspektive der Energieversorgung betrachten, gelangte er zu einer völlig irren Beurteilung: Insgesamt gibt es, wenn Russland aus dem ganzen Powerplay ausgeklammert würde, weit mehr als genug Erdöl und Erdgas. Iran könnte sofort Riesenmengen liefern – kann das aber nicht aufgrund der US-Sanktionen, die immer noch in Kraft sind.
Ob die Wiener Verhandlungen eine Lösung bringen, ist völlig offen. Russland stellt jetzt die Forderung, dass sein Handel mit Iran nicht durch US-Sanktionen gegen Teheran in irgendeiner Weise behindert werde. Also müssten die USA für Russland eine neue Ausnahme-Bestimmung erlassen? Das werden sie nie tun. Und Iran fordert erneut, dass die US-Regierung nicht nur alle Sanktionen aufhebt, sondern auch noch eine Garantie gibt, dass Amerika auch künftig nicht mehr aus dem so genannten Atomabkommen ausschert. Das scheint unmöglich: Wie soll eine jetzt amtierende US-Administration etwas versprechen, das auch eine künftige bindet? Es ist schlicht nicht vorstellbar.
Und während in Wien über solche Details nachgedacht und geredet wird, läuft die Zeit für eine sinnvolle Einigung bei den Verhandlungen täglich bedrohlicher aus.
Gespräche der USA mit Venezuela
Doch in dem ganzen absurden Energiepoker gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer. Die USA, oh Wunder, entsandten Emissäre zu Gesprächen mit dem «Paria» Venezuela. Dessen Präsident, Nicolás Maduro, zeigte sich nicht total ablehnend gegenüber der US-Idee, dass allenfalls US-Firmen die Verantwortung für Förderung und den Transport venezolanischen Öls ins Ausland übernehmen sollten.
Doch kaum trennten sich die Verhandler, konnte man in Medien Venezuelas lesen, dass die Regierung in Caracas die Nato, die USA, den Westen insgesamt für die «Invasion» verantwortlich macht. Gemeint ist natürlich die Attacke Russlands gegen die Ukraine. Doch Putin ist aus venezolanischer Sicht kein Aggressor, sondern Opfer einer «Dämonisierungs-Kampagne». Dass auch die regime-gesteuerten Medien Kubas in diesen Ton einfielen («Granma» schrieb über eine «ruchlose Kampagne der Yankees») erstaunt weniger. Aber sehr irritierend sind dann doch, beispielsweise, Kommentare in südafrikanischen Medien, welche die Schuld für die Tragödie mehrheitlich dem Westen, nicht Russland, zuschieben.
Die Welt ist aus den Fugen, darf man Shakespeare zitieren. Bei ihm allerdings wird dieser Satz ergänzt durch: «Weh’ mir, dass ich zur Welt, sie einzurichten kam.»
Schwer vorstellbar, wer sie wann wieder «einrichten» kann.