Als Zypern die «Euroreife» erlangte und seit 1. Januar 2008 ebenfalls diese Fehlgeburt einer Währung benutzen durfte, war eigentlich nichts anders als heute. Hypertropher Bankensektor, schlecht reguliert und kontrolliert, russisches Geld en masse, Steueroase mit diskreten Holding-Strukturen.
Das konstante Leistungsbilanzdefizit, also viel mehr Importe als Exporte, wurde nur durch den stetigen Zustrom von Neugeld ausbalanciert. Und natürlich wusste man, dass die darin ausgedrückte mangelnde Wettbewerbsfähigkeit sich durch die Einführung des Euro dramatisch verschlechtern würde. Aber was sagt der Eurokrat in solchen Fällen? Genau: Na und?
Wieder und wieder
Immerhin hatte sich Zypern, soviel man weiss, nicht mit gefälschten Statistiken in den Euro geschummelt -wie das Griechenland tat. Denn angeblich galt doch damals das sogenannte Maastricht-Kriterium. Danach durfte das Haushaltsdefizit des Staates in den drei Jahren vor dem Eintritt in den Euroraum nicht mehr als 3 Prozent des BIP betragen.
Wunderbarerweise sank das in den Jahren 1997 bis 1999 von 4 Prozent auf vorbildliche 1,8 Prozent. In Wirklichkeit betrug es aber, wie im Nachhinein von Griechenland eingestanden wurde, zwischen 6,4 und 3,4 Prozent. Aber Italien erfüllte dieses Kriterium ja auch nicht und durfte, als europäisches Kernland, die Lira von Anfang an wegschmeissen. Und Musterknabe Deutschland brach das Kriterium als erster Eurostaat nach der Einführung des Euro. Also zusammenfassend: Na und?
Kein Multi-Tasking
Dass mit der Einführung des Euro auf der Schwarzgeldinsel Zypern eine weitere Tretmine gelegt wurde, ging damals im Sturm der Finanzkrise 1 völlig unter. Man hatte ja grössere Probleme zu lösen. Vergessen, dass auch Griechenland niemals dem Euro hätte beitreten dürfen. Übersehen, dass sich in Spanien dank Zugang zu Billigkrediten eine Immobilienblase aufpumpte, gegen die die US-amerikanische ein Klacks war. Verdrängt, dass Italien mit dem Euro seine chronische Staatsverschuldung im Exportwettbewerb mit Deutschland niemals im Griff behalten konnte.
Ach, und dann gab es noch Portugal, durch die Einführung des Euro ebenfalls zum wirtschaftlichen Untergang verurteilt. Aber selbst ganze Heerscharen von Eurokraten können sich doch nicht gleichzeitig um alles kümmern.
Von Brandherd zu Brandherd
Wenn man nur die letzten 12 Monate nimmt, musste sich da die EU nicht grosse Sorgen um Griechenland, Spanien und Italien machen? In dieser Reihenfolge, und ergänzt durch Frankreich. Redete da jemand von Zypern, obwohl die Insel bereits im Juni 2012 um Hilfe gebeten hatte? Und seit jetzt alles von Zypern redet, bedeutet das, dass in den übrigen Krisenländern wieder Ruhe, Frieden und wirtschaftliches Wohlgefallen eingekehrt ist?
Und wenn nein, hätten die Eurokraten dann nicht ein paar grössere Probleme zu lösen, als einer winzigen Insel beim wirtschaftlichen Absaufen zu helfen? Denn nichts anderes stellt ja das absurde Angebot dar, einem sowieso schon überschuldeten Staat nochmals mehr als die Hälfte des Bruttoinlandprodukts als Kredit geben zu wollen.
Das kann nur die EU
Man muss sich dieses elende Gewurstel richtig vor Augen führen: Sollte es, im schlimmsten Fall, wirklich zu einer Verlängerung der zypriotischen Agonie durch einen Neukredit von 10 Milliarden Euro kommen, dann fällt der nicht vom Himmel. Sondern wird von Staaten wie Portugal, Griechenland, Spanien und Italien zum Teil garantiert. Alles Länder, die selbst, gelinde formuliert, in ein paar gröberen wirtschaftlichen Problemen stecken. Und als zukünftige Pleite- oder zumindest Austrittskandidaten wohl zuallerletzt den Euro retten sollten. Den Euro auf Zypern, um Himmels willen, wo bleibt da Sinn und Verstand?
Und zu welchem Behufe?
Nehmen wir, obwohl sich das Hirn dagegen sträubt, einmal an, Zypern kratzt die geforderten 5,8 Milliarden zusammen und bekommt weitere 10 Milliarden. Ist die Insel damit gerettet? Geht es dann Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und auch Frankreich einen Deut besser? Ist dann, endlich, endlich, das Schlimmste überstanden? Bricht dann Prosperität aus, brummt der Wirtschaftsmotor, strömen die Arbeitslosenheere wieder in wertschöpfende Anstellungsverhältnisse?
Und nebenbei, hat dann Zypern auch nur den Hauch einer Chance, seine Staatsschulden jemals zurückzuzahlen? Glaubt da jemand, so ausserhalb von Brüssel, wirklich im Ernst dran? Ich wage die These: Nicht mal dort, denn selbst Eurokraten sind ja nicht völlig realitätsferne Fantasten.
Verpasste Chancen
Die Geschichte kann nicht umgeschrieben werden. Aber wäre Griechenland schon vor zwei Jahren, Spanien letztes Jahr und Italien spätestens nach den Wahlen aus dem Euro ausgetreten, dann gäbe es das Problem Zypern in seiner heutigen Form gar nicht.
Nein, nicht weil der Weltuntergang stattgefunden hätte, sondern weil im besten Fall der Austritt des ersten Euro-Staates diese Fehlkonstruktion zu Grabe getragen hätte. Was allen unter ihr leidenden Nationen die Chance geboten hätte, mit den schmerzlichen Aufräumarbeiten zu beginnen. Mit oder ohne Staatsbankrott, aber mit eigener Währung. Allen wäre es zwar schlechter gegangen als vor der Einführung des Euro. Aber es gäbe wenigstens Hoffnung auf bessere Zeiten.