Bereits am Sonntag wurde ein Vorausteam von höchstens 30 Überwachern des Waffenstillstands in Bewegung gesetzt. Einige dieser Offiziere verschiedener Nationen befinden sich seit geraumer Zeit in der Gegend.
Sie gehören der UNO-Friedensmission im Südlibanon (UNIFIL) und den Blauhelmen der UNDOF an, die seit 1967 eine Pufferzone zwischen den Israelis und Syrern auf den Golanhöhen ausfüllt. Für die UNO ist es wichtig, so rasch wie möglich präsent zu sein, um den brüchigen Waffenstillstand zu sichern. Wie Generalsekretär Ban Ki-Moon erklärte, kann in der emotionsgeladenen Situation „jeder Funke eine Explosion auslösen“.
Den Gegner testen und provozieren
Ban und sein Vermittler im Syrienkonflikt, der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan, sind vorsichtig optimistisch. Niemand erwartete, dass der am Donnerstag in Kraft getretene Waffenstillstand sofort von allen Konfliktparteien hundertprozentig respektiert würde.
Die Gewalt ist aber in Syrien deutlich zurückgegangen. Ein Test waren die Demonstrationen gegen das Assad-Regime am vergangenen Freitag, die überwiegend friedlich verliefen. Nur vereinzelt wurden tödliche Schüsse auf Demonstranten und Artilleriefeuer gegen Gebäude gemeldet, vor allem aus Homs.
Kofi Annans Sprecher Ahmad Fawzy meinte vor der Presse in Genf, es sei nach Waffenstillstandsabkommen üblich, dass sich die Gegner „testen“, manchmal auch provozieren oder ein entstandenes Machtvakuum ausfüllen möchten.
Noch kein Abzug der Regierungstruppen
Das neuralgische Zentrum der Friedensbemühungen liegt in Genf, wo derzeit Ban und Annan die Fäden ziehen. Von Genf aus wurde der Sicherheitsrat der UNO in New York via Videokonferenz über die Lage in Syrien informiert. Am Mittwoch flog Annan zu einem Kurzbesuch nach Teheran, um auch die iranische Regierung für seinen Plan zu gewinnen. Er erhielt von höchster Stelle die mündliche Zusicherung, dass Iran kein Öl aufs Feuer giessen werde.
Syriens Präsident Baschar al-Assad hat allerdings die Forderung der UNO und der Arabischen Liga auf einen Waffenstillstand bisher nur zur Hälfte erfüllt. Mit dieser Forderung verknüpft ist nämlich ein Abzug der Regierungstruppen mit ihren Panzern und Geschützen aus allen Siedlungsgebieten. Die jüngste Resolution des Weltsicherheitsrats, der sich auch Russland und China anschlossen, hakt in diesem Punkt nach.
Der rechtsverbindliche Text verlangt die „dringende, umfassende und sofortige Umsetzung“ des Annan-Plans.
9'000 Tote
Der Vorhut von 30 Offizieren in UNO-Diensten sollen 250 weitere Überwacher des Waffenstillstands folgen. Dafür ist eine neue Resolution des Sicherheitsrats erforderlich. Laut Fawzy werden insbesondere Militärs aus Asien, Afrika und Südamerika angeworben, um den neutralen Charakter der Mission zu betonen.
Die Einstellung der Kämpfe und die Rückkehr der Regierungstruppen in ihre Kasernen ist nur ein Teil des Friedensplans, aber die Voraussetzung für eine politische Lösung des blutigen Konflikts, der nach den Angaben der UNO bereits an die 9'000 Menschenleben gekostet hat.
Herummäkeln der Medien an der UNO-Diplomatie
Die von Assad akzeptierten sechs Punkte Annans sehen unter anderem den freien Zugang für die humanitären Hilfsorganisationen und ausländischen Pressevertreter, die Freilassung der politischen Häftlinge und den Beginn eines breiten politischen Dialogs vor, der die „berechtigten Aspirationen und Sorgen des syrischen Volkes berücksichtigt“. Auf einer Pressekonferenz in Genf erklärte Ban Ki-Moon vergangene Woche den Aufbau einer „pluralistischen demokratischen Gesellschaft“ zum Ziel der Bemühungen.
Niemand ist so naiv, anzunehmen, dass in Syrien bald freie Wahlen stattfinden, deren Verdikt sich die Clique um Assad und alle anderen Gruppen beugen. Die Vielfalt der syrischen Gesellschaft und die Ängste der Minderheiten machen eine sorgfältige Vorbereitung des politischen Prozesses unumgänglich. Die vordringliche Aufgabe ist die Verhinderung eines Bürgerkriegs, der, ungeachtet seines Ausgangs, lediglich neue Probleme schaffen würde. Das Herummäkeln der Medien an der Diplomatie der UNO ist dabei nicht besonders hilfreich.