Im Silicon Valley haben die Zukunfts-Technologen schon viel erfunden, was den Wandel unserer Zeit tangiert und zum Teil unser Kommunikationsverhalten tiefgreifend verändert hat. Nun wollen die kalifornischen Ingenieure die Uhr neu erfinden. Das dürfte ihnen allerdings kaum gelingen. Die mit viel Lärm angekündigte Apple Watch mag ein faszinierendes Spielding sein, das vor allem junge Informatikfans und Technologiebegeisterte, die das Kurzlebige lieben, lockt. Zudem lässt sich über den Erfolg der Neuheit nur spekulieren. Am Handgelenk dürfte sich dieser „Zeitmesser“ als eher unnötig und kompliziert erweisen. Hinzu kommt ein recht happiger Preis. Das billigste Modell wird um die 500 Fr. zu stehen kommen. Und schliesslich das Hauptproblem, die Energieversorgung. Die Apple Swatch muss beispielweise jede Nacht an der Steckdose verbringen, um am anderen Morgen wieder funktionsfähig zu sein.
Branche nicht erschüttert
An der Baselworld ist die Apple Uhr nur als Gespenst präsent. Die Uhr selber ist unsichtbar geblieben. Silvie Ritter, die Messedirektorin, erklärte ausdrücklich „Wir sind offen, wenn Apple hier in Basel seine Uhren zeigen will. Wir verstehen uns als Schaufenster einer ganzen Branche. Die Firma muss nur bei uns anklopfen“. Für Ritter ist aber auch klar, dass die Smartwatch die traditionelle Uhrenindustrie „nicht erschüttert“ hat.
Weitgehend skeptisch
Die Schweizer Uhrenhersteller zeigen sich in der Tat weitgehend skeptisch und abwartend. Nicht zu Unrecht betont Swatch Group Chef Nick Hayek bei jeder Gelegenheit „Wir fabrizieren Uhren und keine Computer“. Diese Ansicht wird in der Uhrenbranche mehrheitlich geteilt. Wie schwierig es ist, in anderen Branchen Fuss zu fassen, hat Swatch vor Jahren schon selber erlebt. Das Swatch-Telephon, mit der genialen Marketingkunst von Vater Nicolas Hayek (1928 - 2010) auf den Markt gebracht, war ein Hit mit interessanten Vorteilen. Das Gerät wird jedoch längstens nicht mehr hergestellt. Es passte einfach nicht in das Sortiment und in die Branche.
Bei der Einführung der ersten Quarzuhren machte sich in der Schweizer Uhrenindustrie die Angst breit, internationale Elektronikkonzerne könnten nach der Uhr greifen. Weder ein Phillips- noch ein Siemens-Konzern oder sonstiger Riese wagte das Abenteuer. Das Sprichwort „Schuster bleib bei deinem Leisten“ hat wohl an Aktualität bis heute nichts eingebüsst. Sicher müssen Innovationen stets ernst genommen werden. Das hat auch Quarz bewiesen. So müssen Neuentwicklungen, selbst wenn sie aus dem Silicon Valley kommen, ernst genommen werden.
Mutige Vorreiter unterwegs
Manche Uhrenhersteller wollten allerdings nicht abwarten. Sie haben es auch nicht verpasst, über Joint venture mit den Amerikanern oder aus eigener Kraft bereits an der diesjährigen Uhrenmesse in Basel mit avantgardistischen Produkten die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Und es handelt sich sogar zum Teil um renommierte und bekannte Häuser wie Frédéric Constant in Genf und ihre Tochter-Marke Alpina, Tag Heuer, Mondaine Watch, um nur diese zu nennen. Sie präsentieren zum Teil interessante Zeitmesser, die mit Smartphone verbunden werden können und auch mit neuen Funktionen wie die Schlafüberwachung aufwarten, wie das System „Horological Smartwatch“ der erst genannten Marke. Ein Vorteil auf Apple haben sie alle, sie funktionieren mit Batterien, die mindestens zwei Jahre halten. Weitere Firmen haben neue, „intelligente“ Produkte angekündigt. Dass im Hause Swatch ein neues Produkt vor der Marktreife steht, ist auch kein Geheimnis mehr.
Die Uhr bleibt der Star
Doch bleiben wir bei der richtigen traditionellen Uhr, die in die Nacht der Zeit zurück reicht. „Mit der Erfindung der mechanischen Uhr wurde die Messung der Zeit zu einer Kunstform erhoben“, stellte der Schweizer Wirtschaftsminister, Bundesrat Johann Schneider-Ammann an der Eröffnungszeremonie der Baselworld fest.
Das Messebild wird eindeutig geprägt von der Uhrenbranche. Vor allem die Schweizer Marken aus dem oberen Preissegment sind dominierend präsent. Sie beherrschen mit weit über 90 Prozent der Produktion den Weltmarkt. Es handelt sich hier um fast ausschliesslich mechanische Uhren, vielfach von Hand gefertigt mit diversen zeitgebundenen Funktionen. In der Tat wahre Meisterwerke der Uhrmacherkunst. Neben den führenden Prestige-Marken ist auch das mittlere, breitgefächerte Segment prominent vertreten. Nur ein Zeitmesser, der für die Schweizer Uhrenindustrie ganz allgemein zu einem weltweiten Aushängeschild geworden ist, fehlt im Schaufenster: die Swatch.
Die Weltmesse
An der Baselworld stellen auf einer Fläche von 140´000 Quadratmetern insgesamt 1500 Firmen aus etwa 40 Ländern aus. Erwartet werden etwa 150´000 Besucherinnen und Besucher. Die Messe ist weltweit die Nummer eins. Alle führenden Uhrenländer sind mit ihren Leadermarken am Rheinknie vertreten. Die Japaner sind nach wie vor nicht zu vernachlässigen und überzeugen mit erstklassigen Produkten. Unter den Europäern sind die deutschen, französischen, italienischen, britischen Zeitmesser prominent vertreten. Stark ausgebreitet haben sich die grossen internationalen Marken. Neben den Uhren belegt der Schmucksektor den gesamten sogenannten Rundbau. Das Angebot umfasst auch Diamanten, Edelsteine und Perlen.
Unübersehbar präsent sind die grossen Modemarken, die längst in den Uhrenmarkt vorgestossen sind. Die Produkte sind vorwiegend vom Design geprägt und vor allem mit Schweizer Werken ausgestattet. Namen wie Chanel, Dior, Armani und noch ein paar Dutzend mehr, haben mit ihren Riesenständen in der Messe attraktive Pole geschaffen
Stabile Entwicklung erwartet
Der Bundesrat wies bei seinem Messerundgang mit Nachdruck auch auf die wirtschaftliche Bedeutung der Uhrenindustrie hin, ein Wirtschaftszweig, der im Laufe der Jahrhunderte trotz vielen Krisen zur heutigen Grösse herangewachsen ist. Die Schweizer Uhrenindustrie zählt etwa 500 Unternehmen und beschäftigt ca. 50´000 Personen. Insgesamt geht es der Branche gegenwärtig trotz den allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheiten gut. Die Branchenvertreter gehen von einer mehr oder weniger stabilen Entwicklung aus.
In den ersten zwei Monaten dieses Jahres konnte die Schweizer Uhrenindustrie gar eine Steigerung der Exporte um nahezu 2 Milliarden Franken oder 3,7 Prozent erzielen. Im letzten Jahr wurden insgesamt über 28 Millionen. Uhren und Uhrwerke ausgeführt, was eine Zunahme von 3,4 Prozent bedeutet. Wertmässig beträgt die Erhöhung 1,9 Prozent auf 22,2 Milliarden. Franken. Das entspricht einer Konsolidierung auf hohem Niveau. Zweistellige Wachstumsraten wurden bei der Ausfuhren nach Japan, Südkorea und Saudi-Arabien verzeichnet. Die Exporte in Europa sind eher rückläufig, was zum Teil währungsbedingt ist.
Währungsprobleme vor Apple
Mehr als die Apple-Uhr beschäftigen Währungsprobleme die Uhrenindustrie. Der starke Schweizer Franken ist momentan das grösste Übel. Das veranlasst die Hersteller, ihre unter Druck geratene Preispolitik, beinahe von Tag zu Tag neu zu überdenken. In Hongkong und China wurden Preise gesenkt. In anderen Regionen wiederum erhöht, um den Markterfordernissen gerecht zu werden. Von Marke zu Marke unterscheiden sich die Strategien. Eine einheitliche Strategie hat sich hier bis dahin kaum abgezeichnet. An der Baselworld erhoffen sich nun die Aussteller, trotz allen Turbulenzen die Rheinstadt nächste Woche mit vollen Auftragsbüchern verlassen zu können.