Mit der "Cloud" insbesondere. Sie verspricht Bequemlichkeit an jedem Ort und erlaubt es meinem Chef, von mir den Rund-um-die-Uhr-Einsatz für die Firma zu leisten. Nebenbei füttert sie die Kassen und Fichensammlungen der grossen Konzerne. Ganz schlimm erwischte es uns mit dem "Smartphone", welches uns über unsere animalischen Instinkte ganz direkt steuert.
Es fing alles so harmlos an...
Die ersten Personal Computer , - ich besass bereits 1983 einen SINCLAIR ZX SPECTRUM, genannt "Specki" -, waren ziemlich primitiv und hatten für das, was man mit ihnen schon damals anfangen konnte, verdächtig wenig Arbeitspeicher - ganze 48 KB! Ich schaffte es dennoch, Artikel, Tagebücher, Briefe und sogar E-Mails mit ihm zu schreiben, ein Basicprogramm für Autoabrechnung zu entwickeln und mit dem Flight Simulator Flugmanöver auf einer schneeweissen Fläche mit einer Linie als Piste zu üben. Dann kamen die ATARIs und auch die verstand man noch einigermassen. Vor allem schwiegen sie vornehm und sandten einem nicht pausenlos doofe Meldungen wie "Auf ihrem Desktop liegen Icons, die sie nicht gebrauchen" oder "Ihr WLAN ist nicht aktiviert".
Die Verschlimmbesserung von Programmen
Unterdessen sind die Maschinen raffiniert und raffinierter geworden, ohne dass sich das nervige Meldewesen verbessert hätte. iPhones und Tablets sind dazu gekommen, deren Inneres man längst nicht mehr versteht und welche einem alle paar Monate mit neuen Updates um den Verstand bringen. Es läuft eigenartigerweise unter den Begriffen "Fortschritt", "Innovation" und "Neuentwicklung", wenn die Short Cuts / Tastenkürzel / Tastaturbefehle etc. (suchen sie mal nach einem solchen Begriff!) ändern, anders heissen, andere Funktionen bekommen. Kein Stein bleibt auf dem anderen, wenn Programmierer ihrer Phantasie freien Lauf lassen, was ihnen die Unternehmen offensichtlich nahelegen. In dunkler Schaffenswut verschlimmbessern sie Programme, krempeln die Oberflächen mit jedem Update ins Unverständliche um und posten Funktion um Funktion neu in die bereits überquellenden Programme, die kein vernünftiger Mensch je braucht. Ein schönes Beispiel dafür ist ACDSee, ein Fotoverwaltungsprogramm. Ich habe Version 3.1 (immerhin!), 17 Jahre alt, ist so einfach und klar, dass User richtig gerne damit Bilder guckt, sie in Ordner rum schürgelt oder skaliert - bis heute. Auch Farben kann man ändern etc., aber natürlich ist dafür das (erstaunlich einfach gebliebene) LIGHTROOM besser. Heute ist ACDSee ein aufgepumpter Hybrid, weder Fisch noch Vogel und userfeindlich. Das einzig Positive was man anfügen kann: Version 3.1 läuft auf Windows 7 immer noch, was bei den meisten alten Programmen natürlich nicht der Fall ist. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich nicht auf Windows 10 wechseln werde. Denn die Befehlsausgabe aus Silicon Valley lautet: jetzt ist endgültig Schluss mit alten Programmen! Kauft endlich die viel teureren!
Genau so geht es mir mit meinem Buchhaltungsprogramm, unterdessen über 17 Jahre alt, noch mit einer DOS-artig-einfachen Oberfläche, wie es sich für einen zuverlässigen Rechenknecht gehört. Die neuen Programme derselben Firma sind oberflächenmässig ein wenig aufgepeppt, haben diesen und jenen Schnickschnack mehr und kosten dafür das 10fache, obschon sie eigentlich nicht mehr können (ausser vielleicht, dass man - siehe unten - die sensiblen Daten in der "Cloud" ablegen darf).
Dieselbe Überladung kann man natürlich auch den neueren Versionen von WORD vorwerfen oder den Betriebssystemen WINDOWS VISTA und WINDOWS 8. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass das wunderbar einfache WINDOWS XP noch immer auf gegen 50% aller PC's läuft, obschon uns eingehämmert wird, dass dies brandgefährlich sei. Man will ja schliesslich das Neue verkaufen.
Der PR-Trick mit der "Cloud"
Unterdessen zwingen sie uns aus demselben Grund in die "Cloud", speziell auch WINDOWS 10. Mit dem hübschen Wölkchensymbol, aus dem es weder je regnen noch schneien wird, verführen Kolonnen von Werbe- und PR-Beratern uns arme Seelen dazu, unsere Daten auf fremden Servern zu speichern, die in Wirklichkeit in fensterlosen Lagerhallen und Bunkern stehen - meist im schnüffelfreudigen Amerika. Es ist New-Speech - oder besser New-Imaging - in Perfektion, wie damals die Umwandlung des Begriffes Atomkraft in Kernenergie. Vorbei die Zeiten, da Steve Jobs mit dem genialen Werbespot "1984" von Ridley Scott Microsoft als Big Brother denunzierte. Nein, unterdessen nervt Big Sister Apple besonders, in dem sie ständig ein Cloud-Passwort fordert, auch wenn man nichts damit zu tun haben will. Wir kehren zurück in die Steinzeit der Abonnemente, mit denen man monatlich die Kassen der Unternehmen mästet (erinnern Sie sich noch, als man für jedes Telefongerät der PTT ein Leben lang zahlte bis es hundert Mal amortisiert war? (Die PTT gehörte damals wenigstens uns allen).
Implementieren des neuen Geschäftsmodells
Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt: mehr und mehr Programme sind nur noch in der "Cloud" zu mieten, was ja neben dem fortdauernden Geldgeklimper auch noch den schönen Nebeneffekt hat, dass man grad ganz alles, was ein Individuum so treibt, überwachen und weiter verticken kann. Schon jetzt wickelt mein Desktop-Computer pro Monat rund 1 GB Datenverkehr ab, den ich weder autorisiert habe noch verstehe. Ganz brachial kommt da das neue Windows 10 daher, dessen Datenhunger nach verbürgten Massstäben einer zivilisierten Gesellschaft kaum anders als unverschämt zu bezeichnen ist - natürlich alles im Dienste des Users. Da sind die Chinesen schon fast unheimlich ehrlich: sie sagen wenigstens, dass sie den Bürger mit Überwachung zu "Harmonie", sprich Wohlverhalten anhalten wollen.
Für die, welche noch alle Tassen im Schrank haben: noch nie war Speicherplatz billiger: 4 TB (= 4000 GB) kosten noch knapp 200 Franken. Hat zwar nicht den Wölkchencharme, aber darauf hat ein halbes Leben Platz, inklusiv Fotografien und ziemlich viele Filme. Mit dem Backup sind es dann gegen 400 Franken. Rechnen sie doch einmal, wie viel sie in zehn Jahren an Apple & Co, abführen, wenn sie für 1 TB (in Worten: ein) Franken 20 (zwanzig 00/00 Franken) pro Monat bezahlen. Mal abgesehen davon, dass Alphabet & Co die öffentlichen Infrastrukturen, auch die bezahlt vom Benutzer und Steuerzahler, gratis für ihre eigenen Gewinne strapazieren. Das nennt man ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Von Google, Twitter, Facebook & Co. und all den anderen, welche den gigantischen digitalen Leerverkehr produzieren, will ich schon gar nicht erst anfangen.
Die normative Kraft der Programme
Aber eigentlich geht die Diktatur der IT-Firmen und ihrer Programmierer tiefer. Ihre normative Kraft ist beeindruckend: Nehmen wir als Beispiel die EXCEL-Tabelle. Wirklich ein Segen! Jeder Hauswart, jede Hausfrau, jeder Filialleiter kann damit neue Tabellen und Formulare anlegen und sie tun es wahrhaft intensiv, wie man in jeder Verwaltung als Angestellter und als geplagter Nutzer von staatlichen und privaten Dienstleistungen feststellen kann. Das Ausfüllen dieser Fragebogen-Flut stielt nicht nur Ärzten kostbare Zeit, in diesem Fall für Patienten. Sogar ein mathematischer Dummkopf wie ich kann zwar damit eine Prozentspalte kalkulieren. Aber: Kästchen für Kästchen ist mir vorgeschrieben, wie ich zu denken, zu rechnen und zu gestalten habe und das geht dann erst noch so einfach. Bei WORD hat die voreingestellte Schrift "Times New Roman" zu einer Überschwemmung mit öde gestalteten Briefen geführt, obschon - oder gerade weil - tausend andere Schriften zur Verfügung stünden. Wenn man erst an den Stuss denkt, welcher mit POWERPOINT-Präsentationen auf die Leute losgelassen wird, - in den Templates sind die Denkmuster detailliert vorgespurt, - wird einem schwindlig ab soviel freiwilliger Gleichschaltung. Natürlich sind dagegen die Vorlagen bei PAGES und NUMBERS von Apple etwas schöner gestaltet, aber sie hängen einem irgendwann genauso zum Hals raus, wenn sie von Krethi und Plethi benutzt werden.
Der Schimpanse in uns
Schliesslich die Schlüsselloch-Falle. Weichen sie noch aus, wenn ihnen ein iPhone-Blinder entgegenkommt? Warum starren sie nur ständig auf den Bildschirm? Soll er, soll sie doch auflaufen! Also, wie geht das mit dem Schlüsselloch? Es ist das geniale animalische Prinzip, welches die Lebensführung des Gehirns an den Bauch, Solar Plexus oder was auch immer abgibt. Das geht so: ein Forscher sperrt einen Affen für ein Experiment in ein Zimmer und schaut durch das Schlüsselloch, was dieser damit macht. Er sieht zuerst nur Dunkel, bis er merkt, dass ihn der Affe seinerseits durch das Schlüsselloch beobachtet. So funktioniert auch das Smartphone: wer ins Display starrt, wird angestarrt von Alphabet & Konsorten, von NSA, GCHQ, KGB etc., und wenn der Nachbar draus kommt, möglicherweise von diesem. Unser Chemielehrer fragte staunende, mit dem Was-wird-gleich-passieren-Blick auf seine explosiven Versuche starrende Schüler jeweils: "Tust kinoerlen?". Was sich bewegt, sei es auf der Leinwand, auf dem Bildschirm oder sonst im Gesichtsfeld, fesselt unsere Aufmerksamkeit per Instinkt. Insofern ist das Schlüsselloch "Smartphone" die bisher genialste Erfindung, um uns abhängig zu machen. Von was? Fragen sie mich etwas Gescheiteres!