In den frühen Morgenstunden des heutigen Tages setzten die Aussenminister Irans, der USA, Russlands, Frankreichs, Grossbritanniens, Chinas und Deutschlands ihre Paraphen unter ein Dokument, das die nuklearen Tätigkeiten Irans überprüfbar auf die zivile Nutzung der Kernkraft begrenzt.
Unter dem geballten Druck der Grossmächte und der Last der Wirtschaftssanktionen knickte die Regierung in Teheran ein. Kommentatoren bezeichnen das Ergebnis als „historisch“. US-Präsident Barack Obama erklärte, das Abkommen versperre Iran „fast alle vorstellbaren Wege zur Atombombe“. Als Gegenleistung erhalten die Iraner eine Lockerung der Wirtschaftssanktionen, die ihnen einen Finanzschub von sieben Milliarden Dollar beschert. Der Rest der beschlagnahmten rund 100 Milliarden Dollar iranischer Auslandsguthaben bleibt vorläufig unter Verschluss.
Obwohl es sich nur um ein auf sechs Monate befristetes Übergangsabkommen handelt, könne Iran nach Ansicht Obamas die bevorstehenden Verhandlungen über einen endgültigen Vertrag „nicht ausnutzen, um sein Nuklearprogramm voranzutreiben“. Jeder Bruch der eingegangenen Verpflichtungen hätte eine Wiederherstellung und Verschärfung der Sanktionen zur Folge.
Die Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm hatten vor zehn Jahren begonnen, nachdem aufgeflogen war, dass die Iraner geheim Uran anreicherten. Es wurde aber rasch klar, dass Teheran diese Gespräche nur führte, um Zeit zu schinden. Scheinbare Zugeständnisse wurden immer wieder zurückgezogen. Währenddessen erhöhte Iran die Zahl der Zentrifugen zur Uran-Anreicherung von ein paar hundert auf 19.000.
Die Provokationen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad stürzten das Land in seiner achtjährigen Regierungszeit in den wirtschaftlichen Ruin. Jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit. Auch das geistige Oberhaupt Ali Chamenei scheint eingesehen zu haben, dass die angestrebte Atomwaffenkapazität mehr Kosten als Nutzen bringt. Der neue Präsident Hassan Rohani - der von 2003 bis 2005 die iranische Delegation bei den Nuklearverhandlungen leitete und während dieser Zeit die Anreicherung von Uran aussetzte – hat sein Amt mit dem Versprechen angetreten, den Lebensstandard der Bevölkerung zu erhöhen.
Wie nach der Genfer Vereinbarung bekannt wurde, führten die USA und Iran seit März Geheimgespräche über eine Beilegung des Atomstreits. Enge Mitarbeiter Obamas trafen sich mindestens sechsmal vornehmlich in Oman mit hohen iranischen Vertretern. Dass es dennoch zweier Verhandlungsrunden auf Aussenministerebene zwischen der Gruppe 5+1 (den fünf ständigen Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrats plus Deutschland) und Iran bedurfte, um einen Deal zu schmieden, zeigt, wie schwer es den Iranern fällt, sich von ihren nuklearen Ambitionen zu trennen.
Das sehr detaillierte Abkommen unter dem Titel „First Step Understandings Regarding the Islamic Republic of Iran’s Nuclear Program“ verbietet es den Iranern, Uran auf mehr als fünf Prozent anzureichern. Das entspricht etwa dem Anreicherungsgrad von Brennstäben für Kernkraftwerke. Die für eine höhere Anreicherung erforderlichen technischen Mittel müssen zerstört werden. Iran muss auch die rund 200 Kilo auf 20 Prozent angereicherten Bestände entweder auf unter fünf Prozent verdünnen oder in einen Stoff umwandeln, der für Waffenzwecke nicht mehr geeignet ist.
Iran hat sich auch verpflichtet, keine weiteren Gaszentrifugen aufzustellen und die Bestände an leicht angereichertem Uran (3,5 Prozent) nicht zu erhöhen. Die zwei Anreicherungsanlagen in Natanz und Fordo dürfen künftig von Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in täglichem Rhythmus besucht werden.
Darüber hinaus muss Iran den Bau eines Schwerwasserreaktors in Arak einstellen. Dieser mit Natururan gespeiste Atommeiler sondert Plutonium ab, das zu waffenfähigem Spaltmaterial aufbereitet werden kann. Er hätte nächstes Jahr in Betrieb gehen sollen.
Offen bleibt die grundsätzliche Frage, ob Iran als Mitglied des Atomwaffensperrvertrags (NTP) das verbriefte Recht hat, Uran für friedliche Zwecke anzureichern. Die Regierung in Teheran hat die internationale Anerkennung dieses Rechts als ihre „rote Linie“ bezeichnet, ohne die kein Abkommen möglich sei.
Die westlichen Staaten legen den Artikel IV des NPT restriktiver aus. Darin heisst es: „Nichts in diesem Vertrag darf so interpretiert werden, dass es das unveräusserbare Recht aller Vertragsmitglieder auf die Entwicklung, Erforschung, Produktion und Anwendung der Atomenergie für friedliche Zwecke einschränkt.“ Die Uran-Anreicherung ist in dem Text nicht ausdrücklich erwähnt.
Die Iraner weisen aber darauf hin, dass eine Reihe von Ländern wie Deutschland, Japan, Holland, Südkorea, Brasilien und Argentinien in voller Übereinstimmung mit dem Atomwaffensperrvertrag Uran anreichern. Nur ihnen dieses Recht abzusprechen, sei eine durch den NPT verbotene Diskriminierung.
Diese letztlich semantische Auseinandersetzung würde hinfällig, so bald die Islamische Republik nicht mehr Uran anreichert als es für ihre Reaktoren benötigt und ihre Nuklearanlagen ohne Einschränkungen von der IAEO inspizieren lässt. Das Zwischenergebnis von Genf lässt erhoffen, dass Iran bald ein Land ist wie jedes andere.