Hersteller von Gebrauchsanleitungen wissen, dass sie ihr Ziel ansatzweise erreicht haben, wenn zwar nicht alle Benützer das beschriebene Produkt richtig verwenden können, es aber beim Versuch wenigstens nicht kaputtgeht. Genauso verhält es sich mit der Wirtschaft im Allgemeinen und der Finanzwelt im Speziellen.
Griechenland gibt es immer noch
In einer Rezession sparen, Staatsausgaben herunterfahren und tatenlos zuschauen, wie früher ausgegebene Schuldpapiere auf einen Bruchteil ihres Werts schrumpfen, während das Land im Korsett einer Währung verbleibt, die keinen Spielraum für eine Anpassung der Kaufkraftparität lässt: Falscher kann man es nicht machen. Dennoch gibt es Griechenland noch.
Zu spät, zu wenig und erst noch falsch. So kann man die EU-Krisenpolitik des Jahres 2011 zusammenfassen. Auf den Punkt gebracht hat das die deutsche Bundeskanzlerin Merkel mit ihrem denkwürdigen Satz: «Scheitert der Euro, scheitert Europa.» Das Gegenteil ist richtig, solange der Euro in seiner heutigen Form nicht abgeschafft wird, ist Europa als Wirtschaftsunion gescheitert.
Stattdessen wurde mit gigantischen und nicht rückzahlbaren Schulden Zeit gekauft, um das Unvermeidliche zu vertagen. In Kauf genommen wurde ein galoppierender Vertrauensverlust in die Fähigkeit der Regierenden, mit sinnvollen Massnahmen die Zukunft zu gestalten und den Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen. Dennoch gibt es die Europäische Union noch und werkeln die Eurokraten ungefährdet von Volkszorn und Wutbürgern weiter vor sich hin.
Bankautomaten spucken immer noch Geld aus
Die meisten Finanzinstitute haben sich von ihrer einzig sinnvollen Funktion verabschiedet, anderweitig nicht gebrauchtes Geld gegen Sicherheiten an wertschöpfende Unternehmen zu verleihen. Stattdessen haben sie sich in Zockerbuden verwandelt, die sinn- und zwecklose Wetten in einer virtuellen Geldwelt auf alles abschliessen, das nicht bei Drei auf den Bäumen ist. Einzige Triebfeder ist Gier, persönliche Bereicherung der Wettkumpane.
Mit Gratisgeld gehebelte Spekulationen generieren volumenabhängige Kommissionen, unabhängig vom Resultat und völlig wertschöpfungsfrei. Dennoch spucken Bancomaten weiterhin Geld aus, verlassen arg gebeutelte Besitzer, die 2011 zuschauen mussten, wie sich ihr in Bankaktien investiertes Kapital im Schnitt nochmals halbierte, nicht in Scharen die sinkenden Schiffe.
Wo ist die Inflation?
Wenn einer gleichbleibenden Produktivität eine gigantisch aufgeblähte Geldmenge gegenübersteht, auch wenn die nur zu einem kleinen Teil in Umlauf kommt, müsste das mit einer galoppierenden Inflation bestraft werden. Das ist volkswirtschaftliches Einmaleins.
Wenn grössere Teile von Spargroschen und Rentengeldern in Wettbuden verzockt werden, also in Derivatespekulationen angelegt sind, bei denen immer einer so viel verliert, wie ein anderer gewinnt, müsste durch diese Umverteilung ungefähr die Hälfte dieser Anlagen weg, beziehungsweise in den Händen neuer Besitzer sein. Dennoch werden Renten ausbezahlt, Spargroschen auf Wunsch ausgehändigt.
... und die Apokalypse?
Jeder vernünftige Investor müsste schon längst jedes Vertrauen in Geldanlagen verloren haben. Bankruns, Börsencrashs, ein explodierender Goldpreis, Warenlieferung nur gegen Vorleistung, Hysterie, Pogrome, marodierende Banden in entstaatlichten Gebieten und ein Zusammenbruch der sozialen Ordnung müssten die Folge sein.
Als verzweifelte Gegenwehr Protektionismus, Auflösung der globalisierten Märkte, Militärdiktaturen, Umverteilungskämpfe und bewaffnete Ressourcensicherung. Und gelegentlich mal ein Atompilz, der davon zeugt, dass hier jemand zur ultimativen Waffe gegriffen hat.
Dollar und Euro sind trotz allem stabil
Die Macht des Faktischen zeichnet ein anderes Bild. Obwohl die USA weitgehend entindustrialisiert und faktisch pleite sind, der Staatsbankrott im Parteiengezänk in regelmässigen Abständen nur knapp vermieden werden kann, ist der Dollar stabil und war die Konsumentenlaune an Weihnachten grandios. Obwohl die Eurokraten neben vielen anderen Dummheiten ihre Notenbank dazu zwingen, Staatsschulden als Sicherheit für neu gedrucktes Geld entgegenzunehmen, ist auch der Euro stabil und waren die Sylvesterfeuerwerke eindrücklich.
Obwohl China als kommende Weltwirtschaftsmacht Nummer eins ihre Wachstumsraten im Jahr 2012 nicht wie gehabt fortschreiben kann, brummt es im Reich der Mitte.
Warum ist das so?
Es ist offenkundig, dass alle pseudowissenschaftlichen Erklärungen für dieses Phänomen Pipifax sind. Tatsache ist lediglich, dass die Weltwirtschaft sowie die Herstellung und Distribution von Waren und Dienstleistungen bislang allen Anstrengungen widersteht, sie in ein völliges Desaster zu verwandeln. Es quietscht, knirscht und bröckelt an allen Ecken und Enden. Alle vorhandenen Gebrauchsanleitungen werden ignoriert oder falsch angewendet. Und dennoch geht die Maschine namens Wirtschaft nicht kaputt. Wunder, Zufall, Glück? Das soll mal einer erklären.