Die „Spiegel“-Rubrik "Die Lage am Morgen" steht am heutigen 26. Mai unter der Überschrift „Was Deutschland von der Schweiz lernen könnte“. Mathieu von Rohr, Ressortleiter Ausland, schreibt:
„Die Schweiz ist das einzige Land Europas, das den Föderalismus noch stärker hochhält als die Deutschen. Ein Land, in dem jede Gemeinde selbst entscheidet, wie hoch die Steuern sind, und in dem die Bürger den Staat misstrauisch beäugen, wenn er Kompetenzen an sich reißen will.
Die Schweiz ist bekannt für ihre langen Entscheidungswege in der Politik, stets müssen alle eingebunden werden. In den vergangenen Monaten war das anders: Es gab – anders als in Deutschland – bei der Bekämpfung der Pandemie kein föderales Gerangel. Denn die Schweizer Regierung kann im Sonderfall einer Pandemie eine 'außerordentliche Lage' ausrufen und ohne weitere Konsultation der Kantone für das ganze Land Maßnahmen anordnen. Das hat sie auch getan: Sie verbot im ganzen Land Treffen von mehr als fünf Personen. Die Bürger selbst hatten einem neuen Epidemiegesetz, das genau dies ermöglicht, in einer Volksabstimmung vor sieben Jahren zugestimmt – womit das Vorgehen demokratisch legitimiert war. Um gar keine Zweifel aufkommen zu lassen, wurde es nachträglich vom Parlament abgesegnet.
Die Bürger sind in der Krise laut Umfragen mit ihrer Regierung zufrieden. Was das zeigt? Dass selbst ein hochföderales System im Pandemiefall davon profitieren kann, wenn in der Krise nicht jede Maßnahme zwischen vielen ausverhandelt werden muss. In der Schweiz sind gestern übrigens noch zehn neue Fälle gemeldet worden – und die Corona-Tracing-App 'SwissCovid' ist auch bereits fertig.“
Mathieu von Rohr kennt, was er da beschreibt. Er ist Schweizer und erklärt den Leserinnen und Lesern des „Spiegel“ immer mal wieder das verwunderliche Phänomen Schweiz.