Wer auf Facebook nach durchzechter Nacht ein Foto hochlädt, das den Besitzer eines Accounts in eher unvorteilhaftem Zustand zeigt, ist selber schuld. Wer twittert, dass sein Chef heute mal wieder unerträglich sei, ist selber schuld. Wer jemals davon ausging, dass digitale Daten, seien das in Clouds gelagerte Archive, E-Mails oder gespeicherte Fotos genauso sicher wie Aktenordner, Briefe oder Fotoalben seien, ist selber schuld. Wer glaubt, dass Geheimdienste nicht alles machen, was technisch möglich ist, ist selber schuld und naiv obendrein.
Die Verschlüsselung
Gewandtere Internet-User vertrauen darauf, dass Verschlüsselungsprogramme zusätzlich Sicherheit geben. Also ein normales E-Mail, über welchen Provider auch immer verschickt, kann fast von jedem Laien gelesen werden, auch wenn er nicht der Empfänger ist. Aber unter Anwendung von Kryptologie, da überschlagen sich Ratgeber auch mit Empfehlungen, sei die Botschaft dann schon geschützt.
Ein schwerer Irrtum. Es geht ja gar nicht darum, dass grosse Firmen wie Microsoft, Google, Facebook usw. Schnüffelnasen wie der NSA oder ihren Brüdern im Geist in England, Frankreich, Deutschland, Zugang zu ihren Servern verschaffen. Es geht darum, dass alle Firmen, die Verschlüsselung betreiben, einen Passpartout bei der NSA hinterlegen müssen. Oder sie werden vom US-Markt ausgeschlossen. Oder sie bekommen Probleme mit dem «Patriot Act» und den vielen anderen Gesetzen nach 9/11, die die Schnüffelmöglichkeiten der USA unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung deutlich erweitert haben.
Die Wirtschaftsspionage
In aller Offenheit gehört es zu den vornehmsten Aufgaben der NSA – und jeder anderen staatlichen Schnüffelorganisation der Welt –, nationale wirtschaftliche Interessen zu «schützen». Damit gemeint ist einerseits die Abwehr von feindlichen Angriffen, all das, was unter Cyber War, staatliche Hackerattacken läuft, mit denen sich China besonders hervortut.
Aber mindestens so wichtig ist andererseits der Schutz der eigenen Industrie in einem ganz anderen Sinn. Der Klassiker: Verschiedene Firmen bewerben sich um einen lukrativen Auftrag irgendwo auf der Welt. Darunter auch eine US-Bude. Da ist es doch nett, wenn diese US-Firma weiss, wie denn das letzte Angebot der Konkurrenz aussieht, welche Preisnachlässe, welche zusätzlichen Tätigkeiten da noch angeboten werden. Und wo der absolute Nullpunkt liegt, also keine weiteren Konzessionen im Gefeilsche um den Auftrag gemacht werden. Um dann mit diesem Wissen ausgestattet selbst das siegreiche Angebot einzureichen. Und die Konkurrenz wundert sich, wieso das so haarscharf preislich unterhalb der streng geheimen eigenen letzten Offerte liegt.
Es ist die Wirtschaft, Dummkopf
Natürlich regen wir uns alle, zu recht, darüber auf, dass wir unter einen Generalverdacht gestellt werden, das Postgeheimnis zur Lachnummer verkommt und über jeden Einzelnen Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt werden, die vielleicht mehr aussagen als wir selbst über uns wissen. Wir trösten uns höchstens mit dem Gedanken, dass das bei uns doch keinen Drohnen-Angriff auslösen wird, und unsere Chance, als Kollateralschaden bei diesem staatlich sanktionierten Mord ums Leben zu kommen, sind auch eher überschaubar.
Aber die Musik spielt nun mal in der Wirtschaft. Wirtschaftskriege, Wettbewerb zwischen unter unbezahlbaren Schuldenlasten ächzenden Staaten, das sind die wahren Schlachtfelder der Moderne. Ist das Kampfterrain in der globalisierten Weltwirtschaft. Was sich da abspielt, dagegen sind selbst Steuerkriege ein Klacks dagegen.
Vernebelung funktioniert immer
Bei der Fahndung nach in andere Länder flüchtende Steuerhinterzieher geht es nicht um Moral und Steuergerechtigkeit, sondern um hinter unsäglich verlogener Heuchelei versteckte weltweite Umverteilung in der Aufbewahrung von grossen Vermögen. Beim grossen und allumfassenden Lauschangriff auf alle digitalen Daten geht es nicht in erster Linie um Terrorbekämpfung, auch nicht um das Ausforschen unserer meistens doch eher belanglosen privaten Informationen, sondern um Wirtschaftsspionage. Natürlich hilft es den grossen Betreibern von Internetplattformen, möglichst viel über ihre Nutzer zu wissen, um sie punktgenau an Werbeangeboten heranzuführen. Damit kann man wirklich im Internet einen Haufen Geld verdienen.
Aber noch viel mehr Geld kann man verdienen, wenn man weiss, was der Konkurrent, der Mitwerber tut. Nicht nur, was Betriebsgeheimnisse, Patente, Herstellungsformeln betrifft. Sondern auch, was seine Versuche betrifft, sich einen Auftrag an Land zu ziehen.
Merkwürdigerweise hört man zu diesem Thema, bei aller aufschäumenden Erregung über einen ungeheuerlichen Angriff auf unser aller Privatsphäre, kaum einen Ton. Ist keine Verschwörungstheorie, aber kann doch kein Zufall sein.