Weil der hyperaktive italienische Ministerpräsident Matteo Renzi sonst nichts hinkriegt, lud er zum Gipfeltreffen zum Thema Arbeitslosigkeit in Mailand. Wie bei den beiden vorherigen Treffen letztes Jahr Gelegenheit für wichtiges Gehabe, markige Forderungen (Frankreichs Krisenpräsident Hollande: «Wir brauchen ein Aktionspaket im Wert von 20 Milliarden Euro») und heisse Luft.
Die Schande
Nach Angaben des statistischen Amts Eurostat liegt nach jeweils den letzten verfügbaren Zahlen die Jugendarbeitslosigkeit von unter 25-Jährigen in Griechenland bei 59,4 Prozent, in Spanien sind es 55,5 Prozent, in Italien 38,7 Prozent, in Portugal 38,6 Prozent, in Frankreich 26,9 Prozent. Nur die Ausnahme Deutschland mit 7,9 Prozent drückt den Durchschnitt der Euro-Länder auf über 23 Prozent.
Auch wenn damit nicht Prozentzahlen der gesamten Bevölkerung dieses Alters ausgedrückt sind, sondern nur der aktiv Arbeitssuchenden, relativiert sich das wiederum dadurch, dass diese Statistik natürlich nicht all die Jugendlichen erfasst, die sich schon längst aus dem offiziellen Arbeitsmarkt verabschiedet haben und entweder ganz aufgaben oder schwarzarbeiten. Diese Zahlen sagen nichts anderes als: Es ist eine Schande. Es ist Versagen. Es ist ein Verbrechen.
Die «Jugendgarantie»
Die EU wäre nicht, was sie ist, wenn nicht sie vollmundig vor anderthalb Jahren eine Jobgarantie versprochen hätte. Mit dieser «Jugendgarantie» sollten allen Menschen unter 25 Jahren innerhalb von vier Monaten nach Abschluss einer Ausbildung oder nach Eintritt der Arbeitslosigkeit ein «konkretes und qualitativ hochwertiges Angebot» erhalten. Passiert ist natürlich nichts, ausser, dass seither die Quoten der Jugendarbeitslosigkeit in einigen Euro-Ländern nochmals angestiegen ist.
Für diesen kühnen Plan sollten im Rahmen einer Beschäftigungsinitiative grossartige 6 Milliarden Euro aufgeworfen werden. Davon wurden allerdings nach anderthalb Jahren lediglich «wenige hunderttausend Euro» ausgegeben, wie ein EU-Diplomat gegenüber den Medien bestätigte. Denn markige Worte und mehr als mangelhafte Umsetzung ist ein Markenzeichen der EU.
Schlimmer noch: «Arbeitslose Jugendliche verursachen EU-Schätzungen zufolge jährliche Kosten in Höhe von 153 Milliarden Euro an Arbeitslosenleistungen, Verdienst- und Steuerausfällen (Quelle: Eurofound-Bericht zur Arbeitslosigkeit)», berichtet «Der Spiegel». In der Eurozone samt Stabilitätspakt und Blabla entwickelt sich die Jugendarbeitslosigkeitsquote dramatischer als in der EU, dort wiederum schlimmer als in den USA.
Gipfel der Schande
Natürlich hat auch der jüngste Jobgipfel nichts gebracht. Ausser, dass der mit dem Rücken zur Wand stehende Präsident Hollande noch mehr Geld für Massnahmen forderte, während Bundeskanzlerin Merkel nicht zu Unrecht darauf hinwies, dass vielleicht zuerst die besonders betroffenen Länder Strukturreformen durchführen sollten, bevor noch mehr Geld zum Fenster rausgeschmissen wird. Ganz abgesehen davon, dass der bereits vorhandene Topf immer noch prallvoll ist.
Aber das wirkliche Verbrechen der EU besteht darin, dass einer ganzen Generation von Jugendlichen jede Perspektive, ihre Gegenwart und ihre Zukunft gestohlen wird. Man wagt sich gar nicht vorzustellen, was für Auswirkungen das auf das Selbstwertgefühl hat, auf den zutiefst menschlichen Wunsch, sein eigenes Leben gestalten zu können, selbständig und unabhängig zu werden, sich seinen Traum vom eigenen kleinen Glück zu erfüllen.
Typisch EU
Eine wie auch immer geartete Organisationsform einer Gesellschaft, die nicht mal in der Lage ist, ihrer Jugend eine sinnvolle Lebensperspektive zu geben, hat jegliche Legitimation verloren, ihr Existenzrecht verwirkt. Hier geht es nicht um reparaturbedürftige Wirtschaftsentscheidungen, möglicherweise fehlende Instrumente wie Fiskal- oder Bankenunion, um Flickwerk am «europäischen Haus». Hier zeigt sich, dass das Fundament morsch ist. Denn wo soll die Zukunft der EU liegen, wenn nicht in ihrer Jugend?
Aber damit nicht genug. Neben dem Diebstahl an Gegenwart und Zukunft tut die EU noch etwas Fataleres. Sie bürdet der nächsten Generation durch ihre unverantwortliche Schuldenpolitik (mit einer durchschnittlichen Staatsverschuldung, die sich 100 Prozent des BIP nähert) eine Last auf, die schlichtweg unbezahlbar ist. Also selbst der Jugendliche, der eine Anstellung gefunden hat, steht vor der grossartigen Perspektive, dass er theoretisch mindestens die Hälfte seines Einkommens früher oder später zum Abtragen von Schulden verwenden müsste.
Die einzig gute Nachricht für ihn ist, so pervers das auch klingen mag, dass dieses ganze System zusammenbrechen wird. Mit welchen Verwerfungen das allerdings einhergehen wird, um es sehr zurückhaltend zu formulieren, das steht in den europäischen Sternen. Vielleicht sollte sich die europäische Jugend einen Song von Leonard Cohen zur Hymne machen. Gerade 80 Jahre alt geworden, auch ein alter Sack, aber immer noch recht munter; und wie dichtete er so schön:
Give me back the Berlin wall
give me Stalin and St Paul
I've seen the future, brother:
it is murder.