Da es etwas peinlich wäre, sich selbst zu zitieren, nehme ich doch den bekannten Ökonomen Stefan Homburg, der in einem «Spiegel»-Gespräch aktuell genau das sagt, was ich schon seit Jahren schreibe: «Etliche Banken und Hedgefonds profitieren von folgendem Geschäftsmodell. Schritt eins: Sie verkaufen die Anleihen des betreffenden Landes. Schritt zwei: Sie bringen das Land ins Gerede. Schritt drei: Nachdem die Kurse der Anleihen gesunken sind, kaufen sie billig zurück. Und zuletzt jagen sie die Regierungen mit dem Unsinn ins Bockshorn, eine Insolvenz werde verheerende Folgen haben.» Homburg weist noch völlig zu Recht auf einen zweiten Punkt hin: Banken können sich niemals «freiwillig» finanziell an einer Umschuldung beteiligen, das wäre «Untreue und strafbar». Der Staat könnte sie allerdings dazu zwingen, doch das will der französische Präsident Sarkozy nicht, und Angela Merkel ist in dieser Frage bekanntlich eingeknickt. Wetten, dass die Banken bei all ihrer grossartigen angeblichen Beteiligung an Rettungsmassnahmen keinen einzigen Cent (oder Rappen) verlieren werden? Mein Einsatz: ein griechisches Staatsschuldpapier in beliebiger Höhe.
Insolvenz, keine Liquiditätskrise
Obwohl sich immer mehr Euro-Politiker in gewundenen Worten an die Möglichkeit heranrobben, dass im allerschlimmsten Fall Griechenland tatsächlich Pleite gehen könnte, verschliessen sie immer noch krampfhaft die Augen vor einer einfachen Tatsache: Der Staat hat kein Liquiditätsproblem. Das würde nämlich bedeuten, dass er momentan Finanzhilfe braucht, um einen Engpass zu überstehen, und anschliessend geht alles super weiter. Das ist nicht der Fall, Griechenland ist blank, pleite, insolvent, bankrott. Mit oder ohne neues Sparpaket. Was dagegen unternommen wird, fasst der ehemalige Chefökonom des IWF, Kenneth Rogoff, in ein schönes Bild: «Statt die offensichtlich nicht zu bewältigenden Schuldenlasten Portugals, Irlands und Griechenlands (PIG-Staaten) umzustrukturieren, drängen Politiker und Entscheidungsträger auf immer grössere Rettungspakete mit immer unrealistischeren Sparauflagen. Leider schieben sie damit das Problem nicht nur vor sich her, sondern wie einen Schneeball den Berg hinunter.» Und auf der anderen Seite: «Warum sollten die Griechen, Iren und Portugiesen jahrelang sparen, um die französischen und deutschen Bankensysteme zu stützen?» Die griechische Bevölkerung sieht das ähnlich und tobt bereits auf den Strassen.
Mit Anlauf in den Abgrund
Wenn man bedenkt, dass diese drei PIG-Staaten lediglich einen Anteil von 6 Prozent am Bruttosozialprodukt der EU haben, ist es schon beachtlich, was die EU-Politiker hier für ein Schlamassel anstellen. Denn, man will sich wirklich nicht ständig selbst zitieren, nochmals Homburg zum «unausweichlichen» Staatsbankrott und anschliessender Währungsreform in Griechenland: «Irgendwann, das ist sicher, wird das System durch politische und ökonomische Faktoren gesprengt. Und leider besteht die grosse Gefahr, dass dann nicht nur der Euro zerbricht, sondern die EU insgesamt.» Also mit einem letztlich überschaubaren und lokalen Problem, dass allerdings durch den von Anfang an falsch konstruierten Euro verursacht wurde, hat der versammelte Sachverstand der Eurokraten einen Flächenbrand angefacht, der die Währungsunion in Schutt und Asche legen wird. Das ist einerseits gut so, fort mit Schaden, andererseits sprechen wir doch wieder von Hunderten von Milliarden Steuergeldern, die sinnlos verlocht oder cleveren Bankern geschenkt werden.
Reine Perversion
Es ist den Griechen also zu wünschen, dass das Sparpaket abgelehnt wird, damit endlich neue Kreditzusagen hinfällig werden und mit einem möglichst geordneten Staatsbankrott noch gerettet wird, was gerettet werden kann. Ich wage die Prognose: Das wird sehr hässlich und übel, aber kein Weltuntergang. Sondern Gläubiger, vor allem Banken, wenn sie sich nicht ein weiteres Mal mit der Nummer «too big to fail» durchsetzen, nehmen endlich ein Grundprinzip des Kapitalismus zur Kenntnis: Jedes finanzielle Engagement birgt das Risiko des Totalschadens. Was passiert, wenn man das aushebelt, haben wir in der jüngsten Finanzkrise schmerzlich erfahren. Es sieht allerdings nicht danach aus, dass diese Lektion gewirkt hat. Und wer nichts aus der jüngsten Geschichte lernt, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen. Leider hört man immer noch das Argument, alles andere als Milliardenhilfspakete wäre noch schlimmer, Griechenland sei halt eben auch «systemrelevant». Unfug, sagt Homburg richtig: «Würde eine Insolvenz des kleinen Griechenlands tatsächlich eine weltweite Finanzkrise auslösen, dann könnten neue Rettungsprogramme das Problem nicht lösen. Sie würden es vielmehr intensivieren, denn wenn kein Staat und keine Bank mehr pleite gehen darf, weil sonst eine Finanzkrise droht, sind wir am Ende.»
Ein kleiner Lichtblick
Um den Leser nicht mit Depressionen zu entlassen, ein weiterer Anlagetipp: Wieso nicht einen namhaften Betrag in griechische Staatspapiere mit einer Laufzeit von einem Jahr und einem potenziellen Profit von 25 Prozent stecken? Homburg zumindest hat genau das getan, denn er geht von Folgendem aus: «Griechenland hat weder ökonomisch noch politisch die Möglichkeit, sich zu sanieren. Es wird niemals in der Lage sein, die bisher aufgenommenen Schulden zurückzuzahlen. Trotzdem wird die Bundesregierung zahlen.» Auch wenn Griechenland das Sparpaket nicht verabschiedet, wohlgemerkt. Homburgs Vertrauen in die Dummheit der Politiker übertrifft sogar noch meines ...