Wer einen undichten Duschschlauch oder eine kaputte Brause ersetzen muss, geht zum Sanitärgeschäft, um neue zu kaufen. Dort findet man gleich auch noch einen Aufsatz für den Wasserhahn, der sich, je nach Wassertemperatur, unterschiedlich verfärbt. Und auch einen Seifenspender mit Infrarotsensor. Wer einen Reis- oder Wasserkocher sucht, findet ihn im Haushaltwarengeschäft. Genauso wie einen Akkustaubsauger und Duftperlen, die bei dessen Benützung für einen angenehmen Geruch sorgen. Wer einen Heizlüfter für kalte Winternächte braucht, ersteht ihn im Elektrofachgeschäft.
„Barista“ klärt auf
Wer die lieben Kleinen mit einem Globi-Buch oder einer Puppe verwöhnen möchte, wird im Spielwarenladen fündig. Wer Lotto spielen will, um das alles zu finanzieren, marschiert zum nächsten Kiosk. Und wem diese Herumrennerei von Fachgeschäft zu Fachgeschäft zu mühsam ist – der geht zur Post. Denn dort ist das alles und noch viel mehr zu haben.
Seit mir vor kurzem die Broschüre „Barista“ ins Haus geflattert ist, weiss ich das. Die kam nämlich von dem Unternehmen, das – so meinte ich bisher – Briefmarken verkauft, Briefe und Pakete in der Weltgeschichte herum transportiert und verteilt und Einzahlungen entgegennimmt. Und das demnächst jedem Schweizer Haushalt vier Marken à einen Franken zusenden wird, weil es seinen Kunden für seine Leistungen zu viel Geld abknöpft (meint nicht nur der Preisüberwacher).
Die Broschüre lockt mit dem Slogan „Alles Wichtige gibt’s auf der Post“, und wer nun denkt, Briefmarken und Co. seien wohl kaum „alles Wichtige“ und die Auswahl sei auch nicht gross genug, um ein 20-seitiges Heft zu füllen, der liegt ganz richtig. Ein Sammelsurium ohnegleichen steht da zur Auswahl. Von „Iglu-Romantik pur im Emmentaler Frischlufthotel“ über Duvets und Kopfkissen, Uhren und Schmuck, Messer und Pfannen, Hörgeräte, Jeans, Kaffeemaschinen jeglicher Art und Grösse bis zum Käsefondue-Set „Fondueofen“ reicht die Produktepalette.
Der gelbe Riese und das Monopol
Nicht zu vergessen: kümmerliche vier Angebote aus dem Briefmarkensektor. Etliches von „allem Wichtigen“ kann man direkt in jeder grösseren Poststelle einkaufen, anderes am Schalter bestellen und bezahlen (allerdings nur bar oder mit der Postcard, alle anderen bargeldlosen Zahlungsmittel werden nicht akzeptiert) und es sich portofrei nach Hause liefern lassen. Von der Post natürlich.
Auch Online-Shopping ist möglich, und was sich da für ein Sortiment eröffnet, lässt jedes Warenhaus wie einen schlecht bestückten Krämerladen aussehen. Gartengrills und Fernseher, Schirmständer und Gummiboote, Navigationsgeräte, alle erdenklichen Haushaltgeräte, Computer, Gutscheine für den Einsatz eines persönlichen Handwerkers oder ein Gehtraining auf Stöckelschuhen, Elektrovelos die Liste ist scheinbar endlos.
Dass auch der gelbe Riese marktwirtschaftlich denkt und sich hohe dreistellige Millionengewinne nicht bloss mit dem Verkauf von Wertzeichen sowie mit Gebühren und Dienstleistungen erwirtschaften lassen, kann man allenfalls noch verstehen. Dass aber das eigentliche Kerngeschäft angesichts einer derartigen Verlagerung in den Detailhandel zum Nebenschauplatz verkommt, mutet, gelinde gesagt, fragwürdig an. Dies umso mehr, als die Post noch immer von einem Monopol beim Versand von Briefen bis zu 50 Gramm profitiert.
Wer keinen Computer hat ist selber schuld
Laufend werden Poststellen abgebaut, Briefkästen aufgehoben, mit dem Nummern-Zettelchen in der Hand wartet man an den Schaltern lang und länger, weil die Hälfte von ihnen geschlossen ist. Umso besser, in dieser Zeit können sich die Wartenden von all den Waren, die in der Schalterhalle im Weg stehen, zum Kauf verleiten lassen. Weniger Leistung, dafür höhere Taxen – und die Möglichkeit, das Campingzelt gleich beim Paketabholen zu kaufen. Wenn das nicht effizient ist!
Man spart beim Personal, die Touren der Briefträger und Paketpöstler werden immer länger und die Zeit ist zu knapp, um das Paket bei der Empfängerin abzuliefern, wenn diese nicht im Tempo von Usain Bolt die Treppe hinunterrast, um es entgegenzunehmen. Lieber gar nicht erst klingeln und gleich den Abholschein in den Briefkasten werfen, das geht schneller. Pech nur, dass die Sendung erst tags darauf auf der Poststelle abgeholt werden kann, obwohl der Absender den A-Post-Tarif bezahlt hat.
Service public war einmal, heute ist Self-Service angesagt, eben wie im Warenhaus. Möchte man zum Beispiel während der Ferien die Post zurückbehalten lassen und gibt den Auftrag direkt am Postschalter auf, bezahlt man zweieinhalbmal so viel wie jene, die das online selber erledigen. Wer keinen Computer hat, ist selber schuld und kauft sich am besten gleich im Postshop einen fürs nächste Mal.
Statt mich zu ärgern, sollte ich dort wohl besser eine „Energetische Tibetische Rückenmassage“ buchen. Beim Entspannen könnte ich mich dann einer Frage widmen, über die ich schon seit geraumer Zeit nachdenke: Woher stammt der schweizerdeutsche Ausdruck „poschte“? Aber vielleicht erübrigt sich diese Frage jetzt auch.