Es handelt sich um eine kleine, gehaltvolle Ausstellung, die uns im Strauhof bis Mitte Januar 2020 präsentiert wird. Eine Ausstellung, die ihre Zeit braucht, will man sie richtig auskosten: sie enthält viel Lesestoff. Konzipiert wurde sie von Kuratoren des Literaturarchivs Marbach, beliefert und unterstützt vom Thomas-Mann-Archiv der ETH Zürich. Sie widmet sich dem amerikanischen Exil der Familie Mann, 1938 bis 1952, und bietet eine Menge gedruckter, faksimilierter, akustischer und fotografischer Dokumente.
Farbe bekennen
Der berühmte, mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Dichter hielt sich in der Schweiz auf, als Hitler 1933 an die Macht kam. Er, der 1918 die „Betrachtungen eines Unpolitischen“ verfasst hatte, tat sich anfangs schwer mit öffentlichen Stellungnahmen gegen das nationalsozialistische Regime. Es waren nicht zuletzt seine Kinder, die ihn aufforderten, Farbe zu bekennen. „Der Alte schwankt wie eine geköpfte Wespe hin und her. Soll er schweigen … oder soll er sich äussern? Ich rate zu letzterem“, notierte Golo Mann 1933 in seinem Tagebuch.
1936 brach Thomas Mann sein Schweigen in einem langen Brief an Eduard Korrodi, den Feuilletonchef der NZZ. Mit den Folgen hatte der Autor gerechnet – und sie liessen nicht auf sich warten. Noch im gleichen Jahr entziehen die deutschen Behörden Thomas Mann, seiner Frau und seinen Kindern die Staatsbürgerschaft. 1938 reist der Dichter mit einem Teil der Familie ins US-amerikanische Exil, nach Princeton, wo er enthusiastisch willkommen geheissen wird und sich als Gastprofessor an der dortigen Universität etabliert. Später lebt er im eigenen Haus im kalifornischen Pacific Palisades.
Der Kämpfer
„Ich glaube, nichts Lebendes kommt heute ums Politische herum“, heisst es jetzt, und tatsächlich verwandelt sich Mann in den vierzehn Jahren seines Exils vom unpolitischen, bourgeoisen Intellektuellen in einen engagierten, ja glühenden Kämpfer, der nicht müde wird, sein Volk vor den Nationalsozialisten zu warnen und sich in Vorträgen, Interviews, Schriften zu den Werten einer liberalen Demokratie zu bekennen. „Wo ich bin, ist Deutschland“, erklärt er selbstbewusst und stolz 1938 in einem der „New York Times“ gewährten Interview. Er stilisiert sich zum Anti-Hitler, reist durch die USA, hält Vorträge, trifft sich mit anderen deutschen Immigranten, hilft ihnen nach Möglichkeit.
In den Fotos der Ausstellung stilisiert er sich als Familienpatriarch, als stets tadellos mit Anzug und Fliege ausstaffierter Grossbürger, manchmal in Posen, die an Franklin D. Roosevelt, den von ihm verehrten Präsidenten der USA, denken lassen.
Sprachanpassungen
Thomas Mann war ein unheimlich fleissiger, gut organisierter Wortarbeiter. Frau und Kinder organiserten ihm den Alltag, so dass er sich möglichst ungestört seinen Texten zuwenden konnte. Die Tagebücher sind in der Ausstellung omnipräsent. Sie begleiten ihn ein Leben lang, haben dokumentarischen und literarischen Wert. In ihnen lassen sich, in sachlicher Sprache, die Werkprozesse nachvollziehen. Wiedergegeben werden auch zahlreiche biografische Ereignisse, die Mann, im Bewusstsein seiner Bedeutung, akribisch aufschreibt.
Im ersten Stock des Strauhofs lässt sich der Wechsel vom Tagebuch in die eigentliche Literatur besichtigen, die Wandlung der berichtenden, nüchternen Sprache zum artistischen Stil der Romane. Ein Band des Josephromans, der „Doktor Faustus“ und „Der Erwählte“ sind in den USA entstanden.
Reden an deutsche Hörer
In einem Zimmer der Ausstellung sind Kopfhörer aufgehängt und man kann den Dichter bei einer Rede 1940 via BBC an deutsche Hörer hören. Da erlebt man, wie der wortmächtige Mann seine Sprache anpasst, wie er sie pathetisch und rhetorisch auflädt, politisiert, in den Dienst einer höheren Macht stellt, die das deutsche Volk warnen, aufrütteln, zum Widerstand bewegen soll.
Das US-Exil, das ein dauerhaftes hätte werden sollen, endet schlecht. Als nach dem Krieg Eugene McCarthy seine von Verfolgungswahn imprägnierten Denunziationen startet, überall vermeintliche Kommunisten ausmacht und sie zwingt, sich zu rechtfertigen, gerät auch Thomas Mann ins Visier des argwöhnischen Senators. Und so entschliesst er sich 1952, das Land, dessen Staatsbürger er längst geworden ist, zu verlassen. Gestorben ist Thomas Mann 1955 in Zürich.