In Qatar wurde am 11. November nach einer Woche zäher Verhandlungen unter kräftiger Nachhilfe der amerikanischen und golf-arabischen Diplomatie die neue Dachorganisation des syrischen Widerstandes gegründet. Sie gab sich den Namen: Nationale Koalition der Syrischen Revolutionären und Oppositionellen Kräfte.
Die bisher bekannteste Organisation des syrischen Widerstandes im Exil, der SNC, Syrian National Council, der sich anfänglich widersetzte, wurde am Ende dazu bewogen, in die neue Dachorganisation einzutreten. Diese besteht jetzt aus einer Art Parlament, dem 60 Mitglieder angehören sollen, 22 davon aus dem SNC. Die restlichen Mitglieder sind Vertreter anderer syrischer Oppositionskräfte sowie des Widerstandes im Inneren und der unterschiedlichen Volks- und Religionsgruppen Syriens.
Ein liberaler islamischer Geistlicher
Der Präsident der neuen Koalition ist Mouaz al-Khatib, ehemaliger Scheich der grossen Omayaden Moschee von Damaskus. Dazu kommen zwei Vizepräsidenten: Riad Seif gilt als der wichtigste Initiant der Vereinigungsbewegung, die nun von Erfolg gekrönt scheint. Und Frau Suhair al-Assali ist eine bekannte, säkular ausgerichtete Trägerin des Widerstands gegen Assad.
Der neue Präsident ist ein Geistlicher sehr liberaler Überzeugungen, der die Fragen des Zusammenlebens der verschiedenen Religionsgemeinschaften in Syrien seit geraumer Zeit in das Zentrum seiner Forschertätigkeit gestellt hat. Er wurde vom Assad-Regime verfolgt und mehrmals eingekerkert, bis er im vergangenen Jahr aus Syrien floh. Man kann sich über seine Ansichten auf seinem Blog, "Darbuna", "Unser Schlag", orientieren. Man findet sie dort auch auf Englisch.
Anerkennung durch die Golfstaaten
Der neu gebildete Koalitionsrat wird eine Regierung zu ernennen haben. Sie soll aus "Technokraten" gebildet werden. Auch mehrere Exkutivkomitees sollen bestimmt werden, eines für Armeeangelegenheiten und eines für humanitäre Hilfe, sowie möglicherweise noch andere mehr. Die "Freie Syrische Armee", deren leitende Offiziere meist von der Türkei aus, teilweise auch im Inneren Syriens, wirken, soll dem Koalitionsrat unterstellt werden, und man hofft auch, möglichst viele der gegenwärtig frei agierenden Kampfgruppen innerhalb Syriens unter dessen Autorität zu bringen.
Der neue Rat wurde von sechs Golfstaaten als die legale Vertretung des syrischen Volkes anerkannt. Doch die arabische Liga ging nicht so weit, weil, wie verlautete, einige ihrer Mitglieder - man denke nur an Libanon und den Irak - "die syrische Rebellion nicht voll unterstützen".
Das State Departement der USA hat die neue Organisation begrüsst, wie nicht anders zu erwarten war, doch die diplomatische Formel gebraucht: "Wir sind erfreut, den Rat künftig bei den Schritten zu unterstützen, die er unternehmen wird, um das blutige Regime Assads zu beenden". Die Rede war auch von einer möglichen Zusammenkunft aller Staaten der "Freunde Syriens" in Marokko, die zur offiziellen Anerkennung durch diese beinahe 200 Staaten führen könnte.
Die nächsten Aufgaben
Die Regierungschefs der westlichen Länder haben alle die neue Koalition begrüsst und sie als einen wichtigen Schritt voran bezeichnet. Dies soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch viele weitere wichtige Schritte getan werden müssen, bevor die Koalition so etwas wie eine effektiv funktionierende provisorische Regierungsautorität für den gesamten syrischen Widerstand werden kann.
Die nächste Klippe, die es zu überwinden gilt, ist die Besetzung der exekutiven Posten in der geplanten Technokraten-Regierung und in den Exekutivkommissionen, ohne dass der innere Streit zwischen den Anwärtern neu ausbricht. Dann wird es darum gehen, der Koalition Autorität im Inneren Syriens über die beinahe unzähligen kämpfenden Gruppen zu verschaffen. Dies wird nicht weniger als eine Sysiphusarbeit sein.
Heikles Thema der Waffenhilfe
Die Fragen der finanziellen und der Waffenhilfe für die Revolution sind der entscheidende Punkt, von dem alles abhängt, wenngleich niemand offiziell über ihn spricht. Nur wenn die neue Koalition die ihr zuneigenden Mächte ausserhalb Syriens, allen voran die Amerikaner, davon überzeugen kann, dass sie in der Lage ist, den Geld- und Waffenfluss ins Innere Syriens wirksam zu kontrollieren, kann der Aufstand damit rechnen, dass er die entscheidende Hilfe von schweren Waffen erhält, die unabdingbar ist, um die Flugzeuge und Tanks der Assad-Regierung abzuwehren.
Die sympathisierenden Mächte befürchten, dass solche Waffen in die falschen Hände geraten könnten. Das heisst konkret, in jene von radikalen islamistischen Kampfgruppen im Stile der Qa'ida. Die im Prinzip hilfsbereiten Regierungen brauchen die Sicherheit, dass dies nicht geschieht, bevor sie sich zu weiterer Unterstützung der Aufständischen entschliessen.
Wenn aber die dringend benötigte Waffenhilfe weiter ausbleibt, steht es sehr schlecht um die Zukunft des Landes, seiner Aufständischen und seiner ganzen Bevölkerung. Denn in diesem Falle würde das Ringen um Syrien in der gegenwärtigen Art und Weise weitergehen: Der Widerstand ist zwar in der Lage, landesweit hier und dort immer wieder neue Aufstände und bewaffneten Widerstand zu initiieren, aber er vermag keine Territorien, Ortschaften oder Stadtteile auf Dauer zu halten. Denn diese sind den Luftangriffen oder dem schweren Beschuss aus Tanks und der Artillerie seitens der Regierungstruppen so lange ausgesetzt, wie die Aufständischen über keine brauchbaren Abwehrmittel verfügen.