Als leidenschaftliche Krimileserin folge ich Fred Vargas in die Abgründe von Paris, tauche mit Andrea Camilleris ‚Montalbano’ in die Wirren sizilianischer Verbrechen ein und bereise mit Michael Dibdins enigmatischen Sonderermittler Aurelio Zen verschiedene faszinierende Tatorte Italiens.
Ich freue mich an Guido Brunettis familiären Tröstungen in Donna Leons Venedig, begleite den übersinnlich veranlagten Commissario Riccardi durch Neapel, exploriere mit der ‚Roten’ Kommissarin Andrea Isari’s Rom und fürchte mich in Oliver Bottinis Schwarzwald wegen der Abgründe in einer scheinbar friedlichen Landschaft.
Homöopathische Dosen
Auch die dunklen Hintergründe des mir vertrauten Dreiländerecks habe ich mit Hansjörg Schneiders Hunkeler bereist. Allerdings nie so genussvoll wie mit Arturo Buzzettis Komissar Alex Menton in ‚Die Nacht der Grillen’. Ich las das Buch nur in homöopathischen Dosen, um nicht zu schnell fertig zu sein. Der Wortwitz und die Beschreibungen sind einfach umwerfend.
Hier ‚erbrechen’ nach einer stürmischen Nacht ‚die umgekippten Abfalleimer ihren Abfall auf die Strasse’. Personen und Schauplätz werden so lebendig, dass man förmlich, wie in einem interaktiven Film, darin wandelt und sie selbst anschaut. Wie ‚El Viejo’ im Elendsviertel von Lima: ‚Während der Sprechens verzieht sich sein altes, gegerbtes Ledergesicht fast clownhaft nur auf eine Seite. Dabei sieht man auch den letzten verbliebenen Zahn mit einer Goldfüllung blinken. Seine grossen Ohren wackeln bei jedem Wort. Sein linker Arm fällt kraftlos herunter. Den rechten stützt er auf einen Stock, auf dem seine Initialen und das Familienwappen eingeritzt sind.’
Von Bob Dylan bis Stockhausen
Der Komissar Alex Menton ist nicht wie Hunkeler ein eher koboldhafter in sich versponnener Charakter. Menton, schlank und hochgewachsen, ist gesellig und kommunikativ und wird von seinen Freunden scherzhaft Donald Sutherland genannt - wegen seiner Ähnlichkeit mit dem kanadischen Schauspieler. Sein Musikgeschmack reicht von Bob Dylan bis Stockhausen, er schätzt bequeme, doch hochwertige Kleidung, liest Nietzsche, und tafelt oft genüsslich und ausgiebig mit seinen Freunden.
Er ist ein zurückhaltender Frauenversteher und hat ein sehr herzlich kollegiales Verhältnis zu seinen jungen hippen Mitarbeitern. Alex Menton ist so mit allen Sinnen dem Leben verbunden, dass ihm dessen Licht-und Schattenseiten vertraut und er eine ‚Nase’ entwickelt hat. Einen Instinkt, der ihm bei der Verbrecherjagd hohe Erfolgsquoten bescherte. Doch dann kam ein grausamer Serienmörder. An dem verzweifelte Menton so, dass er den Dienst frühzeitig quittierte und sich aufs Altenteil nach Andalusien zurückzog, wo er weiterhin, Freundschaft, Wein, Weib und Flamenco genoss.
Doch nun wird er nach Basel zurück gerufen, um eben diesem Serienmörder das Handwerk zu legen. Wie er dies tut, ist technisch ganz ausgezeichnet beschrieben. Der Autor spielt mit dem Leser wie Ronaldinho weiland mit seinen Gegnern, er dribbelt, täuscht, weicht aus und prescht vor. Erst auf der allerletzten Seite präsentiert er die erstaunliche Lösung, die, wenn man sie einmal kennt, als völlig logisch erscheint. Man erinnert sich im Nachhinein an diverse Hinweise, die man während des Lesens bekommen, jedoch übersehen hatte.
Dies ist das erste Buch des Basler Multitalents und Weltenbummlers Arturo Buzzeti. Früher tourte er als Sänger Buzz Bennett mit seinem Sextett durch Europa, komponierte und nahm Schallplatten auf. Jetzt zeichnet und malt er, und schafft Skupturen, die gerade wieder in einer Ausstellung in Basel zu sehen sind. Ein Buch zu schreiben war für ihn ‚wie eine weisse Leinwand zu bemalen; aus dem Nichts etwas zu schaffen.’
Hoffen wir, dass er dies noch öfter tut.
Arturo Buzzetti: Die Nacht der Grillen, Editions Relege Basel