Nur in Werbefilmen, die übrigens im Ausland gedreht werden, tragen urchige Bauern und fröhliche Heidis Käse und Milch ins Tal, um dort ihren Lohn zu empfangen. In Wirklichkeit ist die Schweiz natürlich ein hochindustrialisierter Staat, dessen Wirtschaft global vernetzt ist. Nicht in erster Linie auf den Bergen werden die Rohstoffe gewonnen, die dann von emsigen Alphirten veredelt und ins Ausland verkauft werden. Wo sie dann erschreckt feststellen müssen, so geht die Mär, dass der steigende Frankenkurs ihre Produkte für die armen Europäer oder Amerikaner unbezahlbar macht.
Banale Buchhaltung
Der emeritierte Bankenprofessor Hans Geiger brachte es in einer Diskussionsrunde auf den Punkt: «Unter dem Strich profitiert die Schweizer Wirtschaft vom starken Franken, da netto mehr importiert als exportiert wird. Das ist banale Buchhaltung.» Alle Schweizer Betriebe, die im Ausland gekaufte Materialien weiterverarbeiten, gewinnen dabei mehr durch billigere Einkäufe und verlieren weniger durch höhere Preise eidgenössischer Produkte in Fremdwährungen. Schmerzlich ist der steigende Franken nur für den Tourismus und einige wenige Industriesparten. Wenn das anders wäre, würde die Schweiz ja nicht auch 2011 auf einen neuen Exportrekord zusteuern. Anders sieht es aber bei Investitionen aus, aber gehen wir Schritt für Schritt vor.
Untaugliche Versuche
Da auch Währungen inzwischen Spielfelder für Spekulanten und Händler geworden sind, ist jede staatliche Einflussnahme auf den Kurs des Franken von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wir erinnern uns, dass sich die Nationalbank letztes Jahr mit dem untauglichen Versuch, den Franken zu drücken oder zumindest zu stabilisieren, eine blutige Nase holte, genauer gesagt: Multimilliarden in den Sand setzte. Nichtsdestotrotz wird von einigen Finanzkoryphäen die Idee, einen Staatsfonds von 100 Milliarden aufzusetzen und im Ausland zu investieren, für «bedenkenswert» gehalten. Wenn man weiss, dass an den FX, den Devisenmärkten, Schweizerfranken im Wert von 6000 Milliarden Dollar gehandelt werden – pro Tag –, dann ist da das Bild eines Tropfens auf den heissen Stein noch schwer untertrieben. Das ist - klarer gesagt - reiner Unfug.
Kursgarantien?
Genauso putzig ist die Idee, der Schweizer Exportindustrie mit einer staatlichen Kursgarantie unter die Arme zu greifen. Also die allfällige Differenz beispielsweise des Eurokurses bei Bestellungseingang und bei Bezahlung würde ausgeglichen. Als ob eine einigermassen clevere KMU noch nie etwas von einem Geldtermingeschäft gehört hätte, mit dem allfällige Währungsschwankungen gegen eine relativ bescheidene Gebühr abgesichert werden können. Ein typischer Vorschlag aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm von Theoretikern, die keine Ahnung von der realen Geschäftswelt haben.
Eine gemeingefährliche Idee
Geradezu gemeingefährlich ist hingegen der Vorschlag, den Franken an den Euro zu koppeln oder den gar gleich in der Schweiz einzuführen. Ganz abgesehen davon, dass alle diese Versuche bislang in krachenden Katastrophen endeten, wie beispielsweise Argentinien und Brasilien vorführten, würde sich damit die Schweiz auf Gedeih und Verderb und ohne nennenswerte Einflussmöglichkeit der offensichtlich „äusserst erfolgreichen“ Währungspolitik der EU ausliefern. Das wäre nur noch bescheuert, um es mal zurückhaltend auszudrücken. Und die einzig denkbare Steigerung im Anrichten von Schäden im Vergleich zu einem neuerlichen Versuch der Nationalbank, den Franken zu drücken.
Was sind Währungskurse eigentlich?
Sie widerspiegeln nach der ökonomischen Theorie Kaufkraftverhältnisse (und einiges mehr, aber das tut hier nichts zur Sache). Vereinfacht gesagt, wenn ein Brötchen und ein Haarschnitt entweder 30 Franken oder 15 Euro kosten, dann ist das Kaufkraftverhältnis zwei zu eins. Wenn nun aufgrund einer Schieflage (so kann man die Situation des Euro wohl zurückhaltend bezeichnen) eine andere Währung, also der Franken, zum schlichten Spekulationsobjekt wird, dann ist dieses Gesetz ausgehebelt und der Franken überbewertet. Die Ökonomie sollte auf klaren Spielregeln beruhen; würde der Franken von dem eingangs zitierten Gesetz gesteuert, könnten Prognosen über den zukünftigen Währungskurs abgegeben werden. Da aber niemand weiss, was die Eurokraten mit dem Euro noch alles anstellen werden (und den Franken möglicherweise in den Himmel jagen), gibt es keine Spielregeln mehr, ergo keine verlässlichen Prognosen, ergo wird in der Schweiz nicht oder nur zögerlich investiert. Da niemand weiss, ob sich solche Investitionen in zukünftigen Exporten ausgedrückt auch bezahlt machen. Das ist der Kern des Problems.
Bittere und süsse Auswirkungen
Wenn der Euro es noch erleben sollte, auf Parität mit dem Franken zu sinken, dann wäre das natürlich bitter für die Schweizer Tourismusindustrie. Aber süss für Schweizer Touristen im Ausland. Und eigentlich völlig egal für Schweizer Binnentouristen, die ja immer noch die grösste Gruppe unserer Gäste darstellen. Industriezweige, die teurer das Gleiche herstellen, das schon lange billiger in Asien produziert wird und neuerlich in der EU, werden untergehen. Das passierte auch schon in der Vergangenheit mit grossen Teilen der Schweizer Metall- und Textilmaschinenindustrie. Wo früher um den Zürcher Escher-Wyss-Platz schwere Eisenhämmer dröhnten, lärmt heute das Partyvolk von Dienstleistungsunternehmen, das Quartier wurde nicht aufgelassen oder eingeebnet, sondern umgebaut. Na und?
Keine Spielregeln
Wenn in einem Fussballspiel ständig die Regeln geändert würden, Abseits mal existiert, mal nicht, eine rote Karte statt Platzverweis auch mal ein Gegentor bedeutet, dann herrscht Chaos und Verwirrung. Und nichts hassen Investoren auf dem Spielfeld der wirtschaftlichen Entwicklung mehr als Unsicherheit und Chaos. Aber weder die Schweizer Nationalbank noch der Bundesrat können hier Schiedsrichter spielen oder Regeln festlegen, dafür ist der Währungsraum Schweiz einfach zu klein. Obwohl jeder Tag ohne Investitionen ein verlorener Tag ist, kann man im Moment nur Karl Valentin zitieren, wobei man Wetter mit Frankenkurs ersetzen sollte: «Alle reden vom Wetter, aber keiner tut etwas dagegen.»