Phänomene und Entwicklungen in den USA zu beobachten, kann immer von Nutzen sein; geschieht es doch oft genug, dass sie, mit gebührender Verspätung, auch unsere Breitengrade erreichen. In vielen amerikanischen Universitäten, so war kürzlich zu lesen, greift eine wahre Leidenschaft für politisch korrektes Sprechen um sich. Besessene Puristen beobachten und denunzieren das, was sie für Sprachvergehen halten und würden am liebsten alles Unanständige, Scharfe, Satirische, Polemische aus der gesprochenen und geschriebenen Sprache tilgen. Ihre Schlachten für absolute politische und gesellschaftliche Korrektheit führen sie mit Vorliebe in den sozialen Netzwerken, dort, wo sich ja auch die Beschimpfungen, Verleumdungen, die sprachlichen Vernichtungsstrategien massiv austoben.
Parallel zu derartigem verbalen Reinlichkeitswahn feiert ein Mann Triumphe, der das genaue Gegenteil der eifernden Studenten betreibt. Donald Trump, der Republikaner, der Präsident Obama beerben möchte, erklärt, dass er für so etwas wie politisch korrekte Sprache keine Zeit habe. Er beleidigt Frauen, Immigranten, Gegner oder macht sie unflätig an. Halb Amerika liegt ihm entzückt zu Füssen. Sei es, weil das Volk insgeheim die Lust am Unkorrekten mit Trump teilt und sich bei seinen Eskapaden bestens unterhält; sei es, weil es mit Trumps sackgroben Stil so sehr einverstanden ist, dass es den Mann, wenn es soweit käme, wählen würde.
Der Wunsch, die Sprache mittels Geboten, Regeln, am liebsten per Gesetz zu entschärfen und zu disziplinieren, hat etwas Irreales an sich – und der Wille, aus der heimlichen Lust am Unkorrekten eine öffentliche Kampagne zu machen etwas Erschreckendes. Möge uns die gütige Vorsehung vor allzu rascher Imitation solcher US-Phänomene verschonen…