Das Städtchen Pompeji am Golf von Neapel war von einer Mauer umgeben. Etwa 700 Meter nordwestlich ausserhalb befand sich das Anwesen einer reichen Familie. Von einer Terrasse aus sah man aufs Meer hinaus bis nach Capri und Ischia. In dieser Vorstadtvilla in Civita Giuliana fanden nun Archäologen die beiden Leichen. Sie stammen von einem etwa 40-jährigen, offenbar reichen Mann und seinem Sklaven.
Die jetzt präsentierten Körper sind Abgüsse der gefundenen Leichen. Die meisten Toten von Pompeji hinterliessen in der gehärteten Vulkanasche einen Hohlraum. Schon im 19. Jahrhundert hatte der italienische Archäologe Giuseppe Fiorelli begonnen, diese Hohlräume mit Gips auszugiessen. Dieses Verfahren wurde auch jetzt angewandt. Anhand der Gipsmodelle wurden mit neuester Technologie Abgüsse der Leichen angefertigt.
Neben der Villa befanden sich Ställe, in denen die Archäologen schon 2017 die Überreste von drei Vollblut-Pferden entdeckt hatten. Eines der Pferde trug glitzerndes Geschirr und einen verzierten Sattel – so, als ob es gerade für den Ausgang seines Herrn bereitgemacht worden sei.
10’000 Tote?
Beim Ausbruch des Vesuv im Jahre 79 wurde nicht nur Pompeji von Asche, Lava und Steinen begraben. Auch die Städte Herculaneum, Stabiae und Optontis wurden verschüttet.
Anderthalb Jahrhausende lag Pompeji unter einer bis zu sechs Meter hohen Decke aus vulkanischer Asche und Lapilli. Dadurch blieben viele Leichen erhalten. Im 18. Jahrhundert war die Stadt dann von Archäologen entdeckt worden.
Die Zahl der Todesopfer der Katastrophe von 79 nach Christus schwankt zwischen 5’000 und 10’000.
August oder Oktober?
Beim Ausbruch des Vulkans starb der römische Gelehrte und Geschichtsschreiber Plinius der Ältere. Sein Neffe, Plinius der Jüngere, war Augenzeuge des Vulkanausbruchs. Er datierte die Katastrophe auf den 24. August 79 n. Chr. Doch schon bald kamen an dieser Datierung Zweifel auf. Mehrere Forscher glauben, der Vesuv sei zwei Monate später, am 24. Oktober 79 ausgebrochen.
Die jetzt gefundenen zwei Leichen könnten diese These stützen. Die Leiche des etwa 40-jährigen Mannes war von den Resten eines Wollmantels umhüllt. Ein Hinweis vielleicht darauf, dass der Ausbruch nicht im heissen Sommer, sondern im kühleren Oktober stattgefunden hatte.
Der Archäologe Massimo Osanna, bisheriger Leiter des Archäologischen Parks von Pompeji und neuer Generaldirektor der staatliche Museen in Italien, spricht von einer „aussergewöhnliche Entdeckung“.
(J21)