Joséphine de Beauharnais, ein Glamour-Star des 18. Jahrhunderts ist attraktiv, mächtig und umworben. In Wirklichkeit heisst sie Marie Josephe Rose de Tascher de la Pagerie. Geboren wird die Adlige am 23. Juni 1763 – also vor 250 Jahren - auf der Karibik-Insel Martinique. 1779 heiratet sie den Armeeoffizier Alexandre de Beauharnais. Die beiden hassen sich.
Er bezeichnet seine Frau als „niedrigste Hure der Welt“. Ob die zwei Kinder, die Joséphine gebärt, wirklich von Alexandre sind, ist zweifelhaft. Schliesslich lassen sich die beiden scheiden. Während der Französischen Revolution wird de Beauharnais guillotiniert.
Die 22jährige Joséphine zieht nach Paris und führt ein Leben in Saus und Braus. Sie gibt Unsummen für Kleidung aus, sie ist eines der ersten fashion victims. Sie lebt in einem Schloss und veranstaltet rauschende Feste, Gala-Dinners und riesige Bälle. Immer mehr steht die verführerische, zarte Frau im Rampenlicht der feinen Pariser Gesellschaft. Und diese himmelt sie an. Wenn Joséphine in den Pariser Parks spaziert, wirft ihr das Volk Blumen vor die Füsse.
Napoléon verdankt seinen Aufstieg der Untreue seiner Frau
Paul de Barras ist ein Lebemann ohne moralische Prinzipien. Er ist einer der einflussreichen Politiker, und Joséphine ist seine Maîtresse. Barras rät Joséphine, Napoléon zu heiraten. Doch sie mag ihn nicht. Barras beharrt darauf, er braucht Napoléon, und sie gibt nach.
Napoléon ist sechs Jahre jünger und über beide Ohren in sie verliebt. Vier Tage nach der Heirat zieht er wieder in den Krieg nach Italien – Joséphine ist erleichtert. Sie pflegt weiterhin ihren verschwenderischen Lebensstil und frequentiert diverse einflussreiche Liebhaber. Bei ihnen legt sie ein gutes Wort für ihren Gatten ein. So wird Napoléon General der Italien-Armee.
Ohne Joséphine wäre Napoléon wohl nie der mächtigste Mann Europas geworden. Er profitiert vom gesellschaftlichen Status seiner Frau. Er, der aus einfachen Verhältnissen kommt, sieht sich plötzlich in der feinen Pariser Gesellschaft. Letztlich verdankt er seinen Aufstieg der Untreue seiner Frau.
Gräfin Maria Walewska
Napoléon will einen Erben, einen Sohn, um seine Dynastie fortsetzen zu können. Doch die Ehe bleibt kinderlos. Joséphine, die schon zwei Kinder hat, wirft Napoléon vor, zeugungsunfähig zu sein. Das treibt ihn zur Weissglut und ins Bett anderer Frauen. Er will beweisen, dass es nicht an ihm liegt. Tatsächlich: Mit zwei Geliebten zeugt er zwei Kinder: zunächst mit der 18-jährigen Eléonore Denuelle und dann mit der schönen 23-jährigen polnischen Gräfin Maria Walewska. Später zeugt er vier weitere uneheliche Kinder und hat Dutzende von Geliebten.
Der Druck auf Napoléon, die Herrschaft mit einem Erben fortzusetzen, wächst. In Europas Königshäusern munkelt man von möglicher Scheidung. Flugblätter mit den Scheidungsgerüchten werden verteilt. Das Volk ist entsetzt. Schon spekuliert man über geeignete Frauen. Genannt werden die Töchter des russischen Zaren und des spanischen Königs – und viele andere. Schliesslich willigt Joséphine in die Scheidung ein.
Joséphine fällt in Ohnmacht, das Volk weint
Am 30. November 1809 erklärt ihr Napoléon das Ende. Sie bricht in Tränen aus. In Anwesenheit der ganzen Familie geben die beiden die Scheidung bekannt. Joséphine fällt in Ohnmacht. Das Volk weint. Die Scheidung wird am 10. Januar 1810 vollzogen. Sie ist die erste offen proklamierte Scheidung in Frankreich. Sie ist schräg und verlogen. Eigentlich dürften sich die beiden gar nicht scheiden lassen.
Denn: 1804 erlässt Napoléon den sogenannten Code civil, das berühmte Gesetzesbuch zum Zivilrecht, das heute noch in weiten Teilen der Welt zum Teil gilt. Darin heisst es, dass Ehen geschieden werden können, wenn beide Partner einverstanden sind. Aber: In einer von Napoléon erlassenen Satzung von 1806 steht, dass Scheidungen im Kaiserhaus nicht gestattet sind (Artikel 7). Also: Napoléon hätte sich schon aufgrund seiner eigenen Gesetzgebung nicht scheiden lassen dürfen. Mehr noch: In Artikel 277 heisst es: Ehescheidungen sind unter keinen Umständen erlaubt, wenn die Frau älter als 45 ist. Joséphine ist bei der Scheidung 46.
Dennoch: Ein Senatsausschuss, der Napoléon wohlgesinnt ist, erlaubt die Scheidung. Juristisch ist also alles arrangiert. Und wie sieht es die katholische Kirche, die jede Scheidung kategorisch ablehnt?
„Gar nie verheiratet“
Die Kirche windet sich und spielt wieder einmal ein klägliches Spiel. Napoléon, der die Kirche hasst, sei eigentlich gar nie richtig verheiratet gewesen, sagt der Vatikan. Tatsächlich hatten Napoléon und Joséphine auf eine kirchliche Trauung verzichtet, was laut damaliger Gesetzgebung möglich war. Sie hatten in einer Mairie im 2. Pariser Arrondissement zivil geheiratet. Darauf stürzt sich die Kirche und sagt: Die beiden seien gar nie verheiratet gewesen, es müsse also gar keine Scheidung geben: Die Vermählung mit einer Neuen sei also möglich.
Dumm nur: 1804 hatten sich Napoléon und Joséphine dann doch nachträglich kirchlich trauen lassen, und zwar von Kardinal Fesch, einem Onkel Napoléons.
Die Kirche findet einen neuen Trick. Kardinal Fesch sei gar nicht berechtigt gewesen, die beiden kirchlich zu trauen. Zudem gebe es Unklarheit, wer die Trauzeugen gewesen seien. Kurz: Man erklärt Napoléons Ehe mit Joséphine als Scheinehe. Doch da gibt es schon wieder ein Problem.
Nur der Papst kann bei gekrönten Menschen eine Scheinehe erklären. Und Pius VII. wehrt sich. Er mag Napoléon nicht; dieser hatte ihm seinen Kirchenstaat gestohlen. Der Streit eskaliert. Napoléon wird vom Papst exkommuniziert. Der Kaiser reagiert auf seine Art. Er nimmt den Papst gefangen und verfrachtet ihn nach Savona in Ligurien und später nach Fontainebleau.
Die aufgeschwatzte neue Ehefrau
Napoléon bildet jetzt ein siebenköpfiges Gremium mit Prälaten, die ihm zu Füssen liegen. Auch dieses Gremium erklärt nun die Ehe mit Joséphine als nie geschlossen. Die Gründe sind lachhaft: Die Mutter Napoléons sei nie für diese Eheschliessung gewesen. Zudem sei die Ehe ungültig, weil sie nur auf Drängen Joséphines stattgefunden habe (das Gegenteil ist der Fall). Und die spätere kirchliche Trauung hätte ohne wirkliche Zeugen stattgefunden. Kardinal Fesch verleugnete sich. Er sei eigentlich gar nicht zuständig gewesen.
Am 9. Januar 1809 entscheidet dann der Diözesan-Offizialrat, die 14-jährige Ehe zwischen Napoléon und Joséphine sei nur „ein Verhältnis“ gewesen. Beide seien frei, jetzt richtig zu heiraten. Und Napoléon hat schon eine neue im Visier, aufgeschwatzt vom österreichischen Fürsten Metternich: Marie-Louise, die älteste Tochter von Kaiser Franz I. von Österreich. Ihrem Einzug durch den noch unfertigen Triumphbogen in Paris steht nichts mehr im Wege.
„Ich habe eine Gebärmutter geheiratet“
Kleine Probleme gibt es noch: Die 19-jährige Marie-Louise hasst alles Französische, und sie hasst auch Napoléon. Sie gebärt ihm dann doch zwei Kinder. Napoléon sagt: „Ich habe eine Gebärmutter geheiratet“. Im Gegensatz zu Joséphine, die noch heute die Herzen der Franzosen erobert hat, gilt Marie-Louise als arrogant, zickig, wenig attraktiv. Seit der Kaiser mit Marie-Louise verheiratet ist, geht es militärisch bergab.
Joséphine, die Davongejagte, darf den Kaiser-Titel behalten. Sie erhält vom Staat jährlich drei Millionen Livres; sie braucht ein Vielfaches und verschuldet sich. Der Staat liebt sie noch immer und begleicht ihre Schulden. Und Joséphine freundet sich mit ihrer ehemaligen Nebenbuhlerin an, der schönen Gräfin Walewska. Gemeinsam quatschen sie im Schloss Malmaison über ihren früheren Partner.
Mit geschwollener Luftröhre erstickt
Dort kultiviert Joséphine auch 150 Rosensorten und empfängt weiterhin Männer. Zu ihnen gehört Napoléons Hauptfeind: Zar Alexander I. Joséphine begrüsst ihn im Garten im leichten Sommerkleid. Dabei soll sie sich tödlich erkältet haben. Sie stirbt 1814 einen schrecklichen Tod: Sie erstickt mit geschwollener Luftröhre. Napoléon erfährt davon während seines Exils auf der Insel Elba.
Nach dem Sturz Napoléons geht der Streit um die Scheidung weiter. Die einen sagen, die Auflösung der Liaison zwischen Napoléon und Joséphine sei keine Scheidung, sondern eine Ungültigkeitserklärung der Ehe. Deshalb sei die Ehe mit Marie-Louise rechtens – deshalb auch sei der Sohn der beiden ein legitimer Sohn und Nachfolger des Kaisers. Andere sagen, die Ehe mit Marie-Louise sei nicht gültig, da Napoléons Ehe mit Joséphine laut zivilem und kirchlichem Recht nicht hätte aufgelöst werden dürfen – folglich ist der Sohn von Napoléon und Marie-Louise (der mit 21 starb und wenig Bewegendes leistete) illegitim und nicht Nachfolger des Kaisers.
„Sie liebte mich immer, nicht wahr?“
Und noch einmal beteiligt sich der Vatikan an diesem Possenspiel. Nach dem Tod Joséphines bietet der Papst an, die Verbindung zwischen dem jetzt gestürzten Napoléon und der jetzt verstorbenen Joséphine als Ehe neu einzusegnen: Heirat mit einer Toten. Damit wäre die Ehe mit Marie-Louise ungültig geworden. Doch dazu kommt es nicht. Der österreichische Hof wehrt sich dagegen.
Und die wenig geliebte Marie-Louise? Obwohl sie noch mit Napoléon verheiratet ist, beginnt sie noch vor seiner Niederlage in Waterloo ein Verhältnis mit Graf Adam Albert Neippberg, einem einäugigen General. Sie kehrt nach Wien zurück und will Napoléon nicht mehr sehen. Mit Neippberg hat sie drei Kinder. Nach Napoléons Tod, 1821, heiratet sie ihn.
Die Österreicherin weiss Zeit ihres Lebens, dass Napoléon ihre Vorgängerin mehr geliebt hat als sie. Gut drei Wochen bevor er nach Waterloo zieht, besucht Napoléon das Schloss Malmaison, in dem Joséphine gelebt hat und ein Jahr zuvor gestorben ist. Dabei sagt er : „Bonne femme, bonne Joséphine, elle m’aimait vraiment, celle-là, n’est pas? Elle était Française.“
Und er fügt bei: „Elle avait des faiblesses, sans doute. Mais au moins celle-là m’aurait jamais abandonnée." (Sie hatte ihre Schwächen, ohne Zweifel, aber wenigstens sie hätte mich nie verlassen.)
P.S. Eine wunderbare, schwärmerische Biographie von Joséphines letzten Jahren (465 Seiten, auf Französisch, von Imbert de Saint-Amand, publiziert 1884) wurde auch ins Netz gestellt. Klicken Sie HIER: "Impératrice Joséphine"