Nächstes Wochenende werden die Aussenminister der USA, Russlands, Frankreichs, Grossbritanniens, Chinas und Irans in Wien versuchen, endlich einen Vertrag über Begrenzungen des iranischen Nuklearprogramms zusammenzuschnüren. US-Aussenminister John Kerry wird morgen Freitag in Wien erwartet. Bereits am 2. April hatten sich die fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats plus Deutschland (5+1) in Lausanne mit Iran auf ein Rahmenabkommen geeinigt. Die Einzelheiten sollen bis zum 30. Juni zu Papier gebracht werden, doch plötzlich trickst Teheran wieder.
„Tod für Amerika“
Begleitet von Sprechchören „Tod für Amerika“ nahm das iranische Parlament am Sonntag ein Gesetz an, das internationalen Inspektoren den Zugang zu Militäranlagen, Dokumenten und Atomwissenschaftlern verbietet. 199 der anwesenden 213 Abgeordneten stimmten für den Gesetzentwurf, der auch die sofortige und vollständige Aufhebung der Wirtschaftssanktionen als Bestandteil des geplanten Abkommens zwischen Iran und der 5+1-Gruppe fordert.
Um in Kraft zu treten, muss dieser Parlamentsbeschluss noch vom „Wächterrat“ bestätigt werden, der ein konstitutionelles Instrument des geistigen Führers Ali Chamenei ist. Der Ober-Ajatollah betont unablässig, dass er den Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) keinen Zutritt zu Anlagen erlauben werde, die Iran selber als „militärisch“ einstuft. Ist das nur ein letzter Bluff im Atompoker? Die nächsten Tage oder Wochen werden Klarheit schaffen.
Parlament ohne Opposition
Der Madschlis, wie das Parlament in Iran heisst, ist kein repräsentatives Organ. Oppositionelle werden von der Bewerbung um einen der 290 Sitze ausgeschlossen. Bei den letzten Wahlen 2012 lehnte der übergeordnete Wächterrat – eine Art Senat – mehr als ein Drittel der Kandidaten ab.
Der jüngste Vorgang gleicht einer anderen Episode der bereits zwölf Jahre dauernden Atomverhandlungen. Im Dezember 2003 signierten die in die Enge getriebenen iranischen Unterhändler in Wien ein Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zur Überwachung ihrer Nuklearanlagen durch die IAEO. Dieses Dokument hätte es den Inspektoren der IAEO erlaubt, Fabriken zur Uran-Anreicherung und andere einschlägige Werkstätten ohne Voranmeldung zu besuchen. Doch der Madschlis verweigerte umgehend die Ratifizierung des Vertrags. Das roch stark nach abgekartetem Spiel.
Merkwürdige Manöver um Parchin
Im Jahre 2003 war es auch das erste und letzte Mal, dass IAEO-Inspektoren ein verdächtiges Militärlabor in Parchin, 30 Kilometer südlich der Hauptstadt, besichtigen durften. Sie stellten dort keine Radioaktivität fest. Das hatten sie auch nicht erwartet, denn nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste wurden in Parchin konventionelle Supersprengstoffe getestet, die als Zünder von Atomsprengsätzen verwendet werden können.
Seither steht im Raum, ob Iran zumindest in der Vergangenheit an einer militärischen Nutzung der Kernkraft gearbeitet hat. Die Iraner deckten die Gebäude mit einer grossen Plache ab, um Satellitenfotos zu verunmöglichen. Ausserdem schafften sie das gesamte Erdreich fort und asphaltierten das Gelände. Alle Verhandlungen mit der IAEO erschöpften sich in verbalen iranischen Zusicherungen, die nicht umgesetzt wurden.
Welchen Einfluss haben Rohani und Sarif?
Die 5+1-Gruppe will einem Atomabkommen mit Iran nur zustimmen, wenn es verifizierbar ist. Der iranische Aussenminister Mohammad Dschawad Sarif warnt hingegen vor „übertriebenen Forderungen“. Sarif traf am Montag in Luxemburg mit mehreren westeuropäischen Amtskollegen zusammen. In der Sache kam man sich dabei nicht näher. Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius bezeichnete anschliessend ein „striktes Verifikationssystem“ als eine der Prioritäten in den Verhandlungen, „das, wenn nötig, auch Militäranlagen einbeziehen muss“. Eine weitere Priorität ist laut Fabius „die automatische Wiedereinführung der Sanktionen, falls Iran seine Verpflichtungen bricht“.
Welchen Einfluss der gemässigte iranische Präsident Hassan Rohani und sein Aussenminister Sarif auf das Schlussergebnis – oder das Scheitern – der Atomverhandlungen haben, ist schwer abzuschätzen. Die iranische Diplomatie hat der IAEO und deren Inspektoren einen Zugang zu Militäranlagen „unter strikter Kontrolle und besonderen Umständen“ in Aussicht gestellt. Dazu gehöre auch das Sammeln von Umweltproben in und um Militäranlagen. Glaubwürdig werden solche Zusagen indessen erst, wenn sie schwarz auf weiss in einem Abkommen stehen.