Die Anhänger des jemenitischen Präsidenten al-Hadi sind dabei, die Huthi-Rebellen von Süden nach Norden zurückzudrängen. Die Huthis beherrschen noch immer die Hauptstadt Sanaa. Doch sie sind nun bereit, über einen Waffenstillstand und einen möglichen Frieden zu verhandeln. Eine Rückkehr des im Exil lebenden al-Hadi wollen sie jedoch unter allen Umständen verhindern.
Die Huthi-Kämpfer und ihre Verbündeten aus der jemenitischen Armee befinden sich seit dem Fall der südjemenitischen Hafenstadt Aden im vergangenen Juli in der Defensive. Bekämpft werden die Huthis von jenen Teilen der Armee, die zu Präsident al-Hadi halten. Sie werden unterstützt von den Freiwilligen Milizen Südjemens.
Kriegsmaterial aus den Emiraten
Über den Hafen von Aden haben die Huthi-Gegner jetzt Verstärkung erhalten. Ferner werden sie weiterhin von der saudischen Luftwaffe unterstützt – ebenso von Kampfflugzeugen der mit Saudi-Arabien verbündeten Koalition.
Verstärkt werden die Huthi-Gegner mit jemenitischen Soldaten, die in Saudi-Arabien ausgebildet worden sind. Geliefert wird auch Kriegsmaterial aus den Arabischen Emiraten. Offenbar setzen die Emirate auch eigene Truppen in Jemen ein. Sie sollen nach offizieller Darstellung hochtechnische Waffen bedienen, welche den jemenitischen Soldaten fremd sind. Ob auch saudische Truppen in Jemen eingesetzt werden – darüber gehen die Berichte auseinander.
Südjemen - frei von den Huthis
Die Pro-Hadi-Kriegsmächte haben in den letzten Tagen alle südlichen Provinzen unter ihre Kontrolle gebracht. Das sind jene Landesteile, die einst zum südjemenitischen Staat gehörten. Als letzte ist die Wüsten- und Erdölprovinz Schabwa von den Huthis geräumt worden. Die weiter östlich gelegenen Wüsten und das grosse Tal von Hadramauth haben sich nie unter Herrschaft der Huthis befunden. Dort haben zurzeit offenbar in erster Linie die Kräfte von AQAP (al-Qaida of the Arabian Peninsula) das Sagen. Sie beherrschen den Hafen von Mukalla, den sie zu ihrem Hauptsitz gemacht haben.
Bei ihrem Rückzug aus Schabwa Richtung al-Baida sind die Huthis von saudischen Kampfflugzeugen angegriffen worden. Dabei sollen sie schwere Verluste erlitten haben. Ihre Feinde, die Anhänger al-Hadis, befinden sich auf dem Vormarsch nach Taiz, der zweitgrössten Stadt des Landes. Teile der Bevölkerung von Taiz und der dort stationierten Truppen hatten den Huthis von Anfang an Widerstand geleistet. Präsident al-Hadi soll bereits aus Riad mit dem Kommandanten der Truppen in Taiz telefoniert und ihm versprochen haben, Entsatz sei im Anzug.
Sanaa bleibt in Händen der Huthis
Die Huthis beherrschen weiterhin Sanaa. Sie haben das Quartier von Jaraf im Norden der Stadt, wo vorwiegend Zaiditen leben, zu ihrer eigenen Festung ausgebaut. Dort gibt es strenge Strassenkontrollen, weil immer wieder Selbstmordanschläge gegen die Huthis verübt werden. Verantwortlich dafür sollen Anhänger des „Islamischen Staats“ und Mitglieder von al-Qaida sein.
Die führenden Leute der Huthis sollen sich dort in Privathäusern und Kliniken versammeln und aufhalten. So wollen sie offenbar den saudischen Luftangriffen entgehen.
Kontakt mit dem Uno-Vermittler
Seitdem sie in die Defensive geraten sind und Rückschläge erleiden mussten, zeigen sich die Huthis einigermassen verhandlungsbereit. Ihr Chefunterhändler ist Hamza al-Huthi. Er ist auch der Chef der von den Huthis ernannten Volksversammlung. Al-Huthi hat jetzt Kontakt mit dem Sondergesandten der Uno, dem Mauretanier Ould Cheikh Ahmed aufgenommen. Al-Huthi steht auch in Verbindung mit dem Sultan von Oman, der als Vermittler auftritt.
Der Uno-Abgesandte weilt zurzeit in Riad, um dort die Verhandlungen weiter zu führen. Es soll Übereinstimmung darüber bestehen, dass das bisherige Parlament Jemens erweitert werde, um auch die Interessen der Huthis zu berücksichtigen. Ferner soll ein Präsidialrat gebildet werden, in dem ebenfalls alle Interessen vertreten wären, auch jene der Huthis.
Wer soll Präsident werden?
Uneinigkeit jedoch besteht darüber, wer den Vorsitz über den geplanten Präsidialrat übernehmen soll.
Die Huthis erklären, Präsident al-Hadi komme für sie nicht in Frage, dann er habe das Land verlassen und das Unheil der saudischen Luftangriffe verschuldet. Doch für die Saudis und ihre Freunde ist die Rückkehr al-Hadis als Präsident genau das Symbol, das ihren Sieg dokumentieren soll.
Die ärmste Provinz für die Huthis
Die Huthis wollen, dass der Vertrag von Ende des vergangenen Dezembers Grundlage für einen Waffenstillstand und einen Friedensvertrag ist. Dieser Vertrag kam damals unter Vermittlung des damaligen Uno-Vermittlers zwischen Präsident al-Hadi und den Huthis zustande. Die Huthis beherrschten damals bereits die Hauptstadt Sanaa. Der Vertrag sah vor, dass die Regierung erweitert werde, um die Huthis miteinzubeziehen.
Doch dann brachen im Januar dieses Jahres Kämpfe in Sanaa aus. Präsident al-Hadi trieb seine Pläne für eine Föderation Jemens voran. Eine solche Föderation missfällt den Huthis, weil ihnen nur die ärmste aller Provinzen, Saada, als Föderationsstaat zugeteilt würde.
Im Laufe der Auseinandersetzungen und Kämpfe wurde al-Hadi gezwungen, aus Sanaa zu fliehen und in Aden Zuflucht zu suchen. Als die Huthis bis nach Aden vorstiessen, verliess al-Hadi die Hafenstadt und floh nach Saudi-Arabien. Die Saudis und al-Hadi fordern die Huthis seither auf, Sanaa zu verlassen und sich in das heute zerbombte Saada zurückzuziehen.
Befreier im Süden, gehasst im Norden
Je mehr man in Jemen nach Norden blickt, desto mehr werden die Saudis in der Bevölkerung als Landesfeinde betrachtet. Am stärksten ist die Abneigung gegen sie in der Provinz Saada, direkt an der saudischen Grenze. Dort haben schon in den 80er Jahren Kämpfe zwischen pro-saudischen Sunniten und anti-saudischen Zaiditen stattgefunden. Dieses Gebiet hat die saudische Luftwaffe in den vergangenen vier Monaten am heftigsten bombardiert.
In den Südprovinzen hingegen werden die Saudis mit ihrer Luftwaffe in der Bevölkerung als Befreier von den Huthis angesehen. Viele hoffen, dass der Süden wieder wie einst eine eigene politische Einheit bilden könnte.
Humanitäre Hilfe - zunächst nur im Süden
In den Südprovinzen beginnt die Versorgung der Bevölkerung mit Hilfsgütern anzulaufen. Über den Hafen von Aden kommt die Hilfe ins Land. Doch der Norden mit dem Hafen von Hodeida steht nach wie vor unter saudischem Embargo.
Nach Schätzungen der Uno sind 80 Prozent der 21,5 Millionen Jemeniten dringend auf Nahrungsmittel und medizinische Versorgung angewiesen. In Sanaa, der Hauptstadt mit 1.7 Millionen Bewohnern, herrscht Knappheit an Trinkwasser, Butangas und Benzin. Die Lebensmittel sind teuer geworden, und der Schwarzmarkt blüht.
Etwas mehr Hunger - hin oder her
Die politischen Führungskräfte – sowohl die Pro-Saudis als auch die Pro-Huthis – gehören zu den Privilegierten. Sie und ihre Familien leiden am wenigsten unter dem Krieg und den Versorgungsengpässen, unter denen die meisten Jemeniten leiden.
Damit wächst die Gefahr, dass sich die Verhandlungen über einen Waffenstillstand und einen Frieden noch lange hinziehen werden. Denn die Eliten, welche die Verhandlungen führen, hungern nicht und stehen nicht unter demselben Druck wie die breite Bevölkerung. Für sie geht es darum, möglichst viel von ihren bisherigen Privilegien und Machtpositionen zu bewahren.
Etwas mehr Hunger jener, die ohnehin Hunger leiden, dürfte die Verhadlungsführer schwerlich dazu veranlassen, mehr Kompromissbereitschaft gegenüber ihren Gegenspielern zu zeigen.