Der Cricket-Star und pakistanische Oppositionsführer Imran Khan hatte unmittelbar nach den Wahlen von 2013 auf einen Rücktritt von Ministerpräsident Nawaz Sharif hingearbeitet. Jetzt hat Khan sein Ziel erreicht: Sharif wurde gestürzt.
Imran Khan hatte das Ergebnis der Wahlen von 2013 angefochten, doch damit kam er nicht durch. Er warf dem Ministerpräsidenten Korruption vor und organisierte mehrere spektakuläre Demonstrationen gegen ihn. Die grösste war sein Marsch auf Islamabad und die Besetzung der Innenstadt im August und September 2014.
Belastende Panama-Papers
Doch Nawaz Sharif besass eine bedeutende Mehrheit im Parlament. Der Opposition unter Imran Khan gelang es nicht, seine Stellung zu erschüttern. Dann wurden 2015 die Panama-Papers publiziert. Aus ihnen geht hervor, dass die Familie Sharif von einer Holding in Panama profitierte. Über diese wurden unter anderem mehrere Luxus-Wohnungen in den besten Quartieren Londons gekauft.
Sharif ist der Erbe einer grossen Industriellen-Familie. Nach seinen Erklärungen stammt sein Vermögen von seinem Vater. Die Panama-Papers verwickelten nun Sharif in ein juristisches Hickhack, das kurz nach der Veröffentlichung der Papiere begann und nun zu seinem Sturz geführt hat. Doch noch gehen die juristischen Auseinandersetzungen weiter. Imran Khan und seine Partei „Tahreek-e-Insaf“ (Gerechtigkeitsbewegung) haben diese „Justiz-Schlacht“ angeheizt und politisch ausgekostet.
Gefälschtes Dokument
Im April dieses Jahres entschied eine Mehrheit von drei der fünf Richter des Obersten Gerichtshofes, dass keine Beweise vorlagen, um den Ministerpräsidenten schuldig zu sprechen. Dies schien einem Freispruch gleichzukommen. Doch das Gericht ordnete auch an, dass eine Kommission die komplexen Details der Geldüberweisungen an die Holding in Panama untersuchen soll. Der daraufhin ernannten fünfköpfigen Kommission gehörten ein Vertreter des pakistanischen Geheimdienstes ISI sowie ein Geheimdienstmann der Armee an. Die Kommission stellte mehrere Ungereimtheiten in den Darstellungen der Familie Sharif fest.
Die Familie besteht aus der Tochter Nawaz Sharifs, Mariyam und zwei Söhnen, Hassan und Hussein. Ein Bruder des Ministerpräsidenten, Shahbaz Nawaz Sharif, ist Ministerpräsident der Provinzregierung von Punjab, der grössten Provinz Pakistans. Die Tochter, Mariyam, galt bisher als eine mögliche Nachfolgerin des Ministerpräsidenten in seinem Amt. Sie versuchte nachzuweisen, dass nicht sie die Nutzerin der Vermögen ist, die in der Panama-Holding parkiert sind. Deshalb legte sie dem Gericht einen Trustee-Vertrag vor. Daraus sollte hervorgehen, dass sie bloss – im Auftrag ihrer Brüder – die Beauftragte für den Empfang dieser Gelder war. Doch ein Sachverständiger erklärte dem Gericht, dass der Vertrag, der das Datum 2006 trug, mit der Microsoft Colibri-Schrift abgefasst wurde, die in Pakistan erst im Jahr 2007 verwendet wurde. Deshalb wurde das Dokument als Fälschung entlarvt.
Sharif, nicht „ehrlich“
Dem Ministerpräsidenten selbst konnte vorgeworfen werden, dass er die Gelder, die in Panama parkiert waren, nicht auf der Liste seiner Güter aufgeführt hatte, die er dem Parlament vorlegt hatte. Auf Grund des Gutachtens der Untersuchungskommission beschloss das Oberste Gericht am 27. Juni, der Ministerpräsident sei nicht „ehrlich“. Da „Ehrlichkeit“ nach der Verfassung eine Vorbedingung für die Wahl ins Parlament sei, müsse Nawaz Sharif seinen Sitz aufgeben. Damit konnte er auch nicht mehr als Ministerpräsident amtieren. Das Gericht ordnete auch eine gerichtliche Untersuchung gegen Nawaz Sharif und seine Kinder an.
Daraufhin trat der Ministerpräsident zurück, meldete aber gleichzeitig „starke Bedenken“ gegenüber dem Urteil des Obersten Gerichtes an. Auch seine Partei erklärt, sie werde die Sache nicht ruhenlassen, sondern weiter verfolgen. Da die Partei die Parlamentsmehrheit besitzt, wird sie einen neuen, wahrscheinlich geschwächten, Ministerpräsidenten ernennen, der bis zu den kommenden Wahlen im Sommer 2018 sein Amt ausüben wird.
Imran Khan hofft auf die nächsten Wahlen
Die Partei Imran Khans triumphiert natürlich. Sie hofft auf grosse Gewinne bei den künftigen Wahlen, da die regierende Partei „Muslim-Liga (N)“, (das N steht für Nawaz, weil es auch noch andere Muslim-Ligen gibt), diskreditiert sei. Natürlich wird die Partei Imran Khans alles tun, um weiterhin die bevorstehenden Strafuntersuchungen und Prozesse politisch und propagandistisch auszuschlachten.
Ihre Sprecher loben die aufrechte Haltung und die Unbestechlichkeit der Richter. Sie erklären, in Pakistan habe eine neue, wahrhaft demokratische Ära begonnen. Dies sei der Anfang vom Ende der Herrschaft durch die schwerreichen Eliten, die das Volk verachteten und hintergingen.
Interesse der Militärs an der Konfrontation mit Indien
Imran Khan und sein Clan stehen den Offizieren der pakistanischen Streitkräfte nahe. Anderseits gibt es zwischen den Offizieren und Sharif Reibungen. Es ging vor allem um die Aussenpolitik Pakistans und um die Frage, ob das Militär dem Ministerpräsidenten über- oder untergeordnet ist. Die hohen Militärs haben permanent für ihr Land den Takt vorgegeben, wenn es um die Politik gegenüber Indien ging. Aus vielen Gründen sind sie für eine Konfrontationspolitik.
Diese geht auf die Entstehungsgeschichte Pakistans zurück. Stein des Anstosses ist immer wieder der ungelöste Kaschmir-Konflikt. Aber es geht auch um Afghanistan. Die pakistanischen Offiziere versuchen – zum Argwohn Indiens – ihr muslimisches Nachbarland immer mehr zu beherrschen. Sowohl Pakistan als auch Indien bauen ihre nuklearen Arsenale aus. Ferner wird das indisch-pakistanische Verhältnis durch die gegenseitigen subversiven Tätigkeiten der beiden Geheimdienste belastet. Der pakistanische ISI (Inter Service Intelligence) schützt offenbar islamistische Jihadisten, die in Kaschmir, Dehlhi und Mumbai eingesetzt wurden. Dazu kommt, und das ist vielleicht wichtiger als alle diese Streitpunkte: Ohne eine Konfrontation mit Indien gäbe es keinen Grund, den pakistanischen Streitkräften sehr bedeutende Teile des pakistanischen Staatseinkommens zur Verfügung zu stellen.
Die Richter auf Seiten der Generäle?
Aus all diesen Gründen wachen die pakistanischen Generäle darüber, dass sie die Aussenpolitik ihres Landes bestimmen. Zur Feindschaft gegenüber Indien gehört die Zusammenarbeit und das Bündnis mit China. Nawaz Sharif versuchte gelegentlich und eher zaghaft, selbst die Aussenpolitik seines Landes zu bestimmen, indem er erste Schritte unternahm, sich mit Indien zu verständigen. Während die pakistanische Armee die Taliban stützt, versuchte Sharif mit Afghanistan zusammenzusarbeiten, um die Taliban zu bekämpfen. Ferner wandte er sich eher Saudi-Arabien und den USA als China zu. Da er versuchte, das Militär unter seine Kontrolle zu bringen, wandten sich die Generäle immer mehr Oppositionsführer Kahn zu.
Bei allem Lob für die Unabhängigkeit der Richter gegenüber dem Ministerpräsidenten und seiner Sippe gibt es viele Pakistaner, die andeuten, die Richter hätten für ihre Haltung die Zustimmung der Generäle gefunden. Manche merken an, die Zeit der Panzer auf den Strassen sei vorbei. Heutzutage wolle die Armee aus dem Hintergrund die Fäden ziehen. Es gehe nicht mehr darum, wie früher so oft, die Macht direkt zu übernehmen und damit für alle Schwierigkeiten verantwortlich zu sein.
Sollte Imran Khan die Wahlen gewinnen, könnte er zum neuen Werkzeug des Militärs werden – jedenfalls solange, bis er sich erdreistet, gegen die Generäle vorzugehen.