Dokumenten, die nach dem Sturz Gaddafis entdeckt wurden, entnahm Human Rights Watch, dass libysche Oppositionelle während der Bush-Ära zu Unrecht in CIA-Gefängnissen gefangen gehalten und gefoltert und anschliessend an den Diktator ausgeliefert worden waren. Dabei hätten die sogenannten Verhörspezialisten auch das als „Waterboarding“ bekannte simulierte Ertränken von Gefangenen angewandt.
Dies – so betonen Zeitungsberichte – widerspreche den Aussagen des ehemaligen CIA-Direktors Michael Hayden, der 2008 vor einem Kongressausschuss in Washington erklärt hatte, dass diese Verhörmethode nur bei den mutmasslichen Terroristen Khalid Scheich Mohammed, Abu Subaida und Abdel Rahim el Nashiri angewendet worden sei. Danach jedoch nie wieder.
Die Folter als Normalfall
Wieder einmal ist der beinahe naive Glaube am Wahrheitsgehalt von Aussagen von Politikern, Geheimdienstagenten und mit den Verhören von Gefangenen beauftragten Soldaten erschüttert. Gerne wird in unserer zivilisierten Welt mit ihren humanistischen Idealen der Glaube an Verhörprozeduren verbreitet, bei denen die internationalen Gesetze, die Folter verbieten, eingehalten werden. Folter, auch das so häufig kritisierte Waterboarding wird nicht nur von Vertretern undemokratischer Regime angewandt und fand nicht nur unter der Regierung George W. Bushs in Afghanistan oder Irak in den einschlägigen Kreisen breite Befürwortung, sie wird in kriegerischen Konflikten regelmässig angewandt.
Spanische Conquistadores folterten ungläubige Azteken und Inkas. Britische Soldaten folterten im Kenia des Mau-Mau-Aufstandes, im Burenkrieg in Südafrika oder in den Kolonialkriegen an der Northwest Frontier. Franzosen folterten in Vietnam und in Algerien. Deutsche Truppen mordeten und folterten in Deutsch-Südwest und in den geheimen Verhörzentren der Gestapo.
Entwicklungshilfe für Folterknechte
Die USA leisteten den Folterknechten befreundeter Staaten und Regierungen sogar Entwicklungshilfe. Mitte der sechziger Jahre schickte Washington den ehemaligen Polizeichef von Richmond (Indiana) und Folterspezialisten Dan Mitrione nach Uruguay, der seinen Studenten, Offizieren von Polizei und Militär, vom „richtigen Schmerz an der richtigen Stelle im richtigen Umfang, um den erwünschten Effekt zu erzielen“, lehrte, Nachhilfe in der Anatomie des Menschen und des menschlichen Nervensystems gab, um dann an Testpersonen (Bettler, Frauen aus armen, ländlichen Gegenden) die Wirkung bestimmter Stromspannungen an den verschiedenen Körperteilen zu demonstrieren.
„Mitrione folterte persönlich vier Bettler mit Elektroschocks zu Tode“, berichtete später einer dieser Schüler in der New York Times (5. August 1978). In Uruguay machten Mitrione und andere US-Berater Folter zu „einer Routine-Maßnahme“, wie der ehemalige uruguayische Chef der Polizeiaufklärung, Alejandro Otero, in einem Interview mit der New York Times(15. Aug. 1970) erklärte. Die Dinge gerieten beinahe ausser Kontrolle, so dass sogar der uruguayische Senat eine Untersuchungskommission(1) einsetzte, die einstimmig zu dem Schluss kam, dass Folter in Uruguay „ein normaler, häufiger und gewohnheitsmässiger Vorgang“ sei.
Systematische Verletzung der Menschenrechte
Sogenannte amerikanische Militärberater, die sich tatsächlich aber auch an Kampfhandlungen beteiligten, wohnten in den achtziger Jahren in El Salvador Verhören bei, bei denen Geständnisse durch Folter erzwungen wurden. Zur gleichen Zeit wussten ihre Kameraden, die in Honduras die antisandinistischen Contras ausbildeten und ausrüsteten, dass deren „hauptsächliche Methode der Kriegführung die systematische Verletzung der Menschenrechte“ war, wie Amnesty International damals berichtete.
Zwischen 1915 und 1934 hielten die USA Haiti besetzt, schrieben dem Land als Investitionsanreiz für amerikanische Firmen eine neue Verfassung und schlugen jeden Widerstand der „französisch sprechenden Nigger“, wie US-Aussenminister William Jennings Bryan die Haitianer zu nennen pflegte, grausam nieder. Sogenannte Cacos (Bauernguerillas) wurden gefoltert, an Kirchentore genagelt und erschossen. Und in ihrem ersten imperialen Krieg ausserhalb der westlichen Hemisphäre war Waterboarding oder „water cure“, wie es damals genannt wurde, eine der bevorzugten Foltermethoden.
Die Einführung der Water cure
Kurz nach Ausbruch des spanisch-amerikanischen Krieges in Kuba (1898) griffen die USA auch in der anderen Spanien verbliebenen Kolonie, den Philippinen, an. Commodore George Dewey versenkte die spanische Flotte im Hafen von Manila. Während Dewey die spanischen Verbände von See her angriff, legten die aufständischen Filipinos unter Führung ihres Generals Aguinaldo einen Belagerungsring um die Stadt. Nach drei Monaten kapitulierten die spanischen Verbände. Mit dem Friedensvertrag von Paris, der den „grossartigen, kleinen Krieg“ beendete, verlor Spanien Kuba, Puerto Rico, die Philippinen und Guam.
Schon zwei Jahre vor dem amerikanischen Angriff hatte der philippinische Bauernsohn und Unabhängigkeitskämpfer Emilio Aguinaldo die spanische Kolonialmacht zu einem Friedensabkommen gezwungen, in dem ihm Madrid die Erfüllung seiner Forderungen zusicherte: Die Heimkehr der spanischen Mönche und Rückgabe des von ihnen konfiszierten Landes, gleiche Bezahlung und gleiche Behandlung vor den Gerichten für alle ungeachtet der ethnischen Zugehörigkeit, Freiheit der Presse und parlamentarische Repräsentation der Einheimischen in der Cortes in Madrid. Im Gegenzug dafür war er dem Verlangen der spanischen Behörden gefolgt und hatte sich freiwillig in die Verbannung begeben. Doch Spanien hatte sich nicht an das Abkommen gehalten, keine der Forderungen Aguinaldos war erfüllt worden, woraufhin er zurückgekehrt war, um den Kampf erneut aufzunehmen.
Beste Erinnerungen
In Erwartung der lange ersehnten Unabhängigkeit hatten die Aufständischen die US-Truppen in ihrem Kampf gegen die Spanier begeistert unterstützt. Doch anstatt den Philippinen die erwartete Unabhängigkeit zu geben, bezahlten die Vereinigten Staaten der spanischen Krone 20 Millionen Dollar und sicherten sich diesen Grundstein eines Imperiums, das sie nun gegen die gleichen Aufständischen verteidigten, die zuvor an der Seite Deweys gekämpft hatten und nun folgerichtig zu Terroristen mutiert waren.
Zwar beschrieben Zeitgenossen Aguinaldo in lobenden Superlativen. „Wir hielten Manila und (die Provinz) Cavite“, schrieb General Anderson, Commander-in-Chief der US-Verbände auf den Philippinen, „den Rest der Insel (Luzon) hielten nicht die Spanier sondern die Filipinos. Auf den anderen Inseln waren die Spanier in zwei oder drei befestigte Städte zurückgedrängt.“
Zwei amerikanische Soldaten kehrten von ihren sechsmonatigen Streifzügen durch Luzon „nur mit den besten Erinnerungen an das ruhige und wohl geordnete Leben, das die Eingeborenen unter der Regierung (Aguinaldos) führen“, nach Manila zurück. „Wir fühlten uns auf unserer ganzen Reise absolut sicher.“ In einer ätzenden Kritik an Washingtons Kolonisierung der vormaligen spanischen Kolonie verglich Mark Twain den Freiheitskämpfer mit George Washington und Jeanne d’Arc: „Keine andere Person der Geschichte, antik oder modern, christlich oder heidnisch, begann so bescheiden und stieg in solche Höhen.“
Schrecklicher Anblick
Dennoch sahen die Vertreter der US-Staatsmacht in den Filipinos eine unzivilisierte Rasse, ausserstande sich selbst zu regieren. „Ich behandelte ihn nie als Alliierten, sondern benutzte ihn und die anderen Eingeborenen bei meinen Operationen gegen die Spanier“, beschrieb Commodore Dewey sein Verhältnis zu dem Verbündeten, der nun zum Feind geworden war. Nicht gegen die Spanier, erst gegen diese „unzivilisierte Rasse“ setzte Dewey die Water cure ein.
„Bei der Water cure wurde der Gefangene auf den Rücken gelegt und Wasser seine Gurgel hinuntergeschüttet, bis er wie eine schwangere Frau aussah“, beschrieb ein Gefreiter später seine Erfahrungen. Brachte die Folter nicht den gewünschten Erfolg, wurde der Gefangene dazu gebracht, sich zu übergeben, indem ihm ein Soldat auf den Magen sprang, so dass die Prozedur wiederholt werden konnte. „Der Anblick war so schrecklich, dass ich wegging“, gestand der Gefreite seine Abscheu. „Folter war nie offizielle amerikanische Politik“, urteilte David Silbey in seiner Schilderung des Krieges auf den Philippinen (David J. Silbey, „A War of Frontier and Empire. The Philippine-American War, 1899-1902, Hill and Wang, New York, 2007). „Vielerorts aber wurde sie de facto amerikanische Praxis.“
Ungebrochene Tradition
Und Präsident Barack Obama sprach in seinem Wahlkampf vor vier Jahren zwar gerne und viel von „change“, versprach die Schliessung des Gefangenenlagers in Guantánamo und die Abschaffung der Folter. Doch bis heute fliegt die CIA in illegalen Transporten des Terrorismus Verdächtige in illegale Gefängnisse, wo gerne gefoltert wird, heute nicht mehr nach Ägypten, Jordanien, Syrien, Polen oder Rumänien sondern in afrikanische Staaten, nach Djibouti, Äthiopien, Eriträa, Kenia, Uganda oder Jemen.
(1) Der Bericht der Senatskommission bildete später die Grundlage für Costa Gavras Film „A State of Siege“.