Die „ewigen Säulen des Feuers“ in Baku, zu denen die Zoroastrier beteten, waren das Ergebnis entflammbarer Gase, die sich bei Petroleumlagern bilden und durch das poröse Kalkgestein entweichen. Das „oleum incendiarum“ oder griechische Feuer war eine der gefürchtetsten Waffen des oströmischen Reichs.
Das Rezept dazu, eine Mixtur aus Petroleum und Kalk, die sich in Verbindung mit Feuchtigkeit entzündete, war ein Staatsgeheimnis in Byzanz. Marco Polo berichtete im 13. Jahrhundert, von einer Quelle nahe Baku gehört zu haben, die Öl produzierte, das zwar „nicht gut zur Zubereitung von Nahrung“, aber „gut zu verbrennen“ sei und sich auch zur Bekämpfung der Krätze bei Kamelen eignete. Anfang des 19. Jahrhunderts wühlten vereinzelte Optimisten mit Schaufeln und Hacken in dem Schlamm, um das Kerosin zu gewinnen. Und 1871 wurden die ersten primitiven Bohrtürme errichtet.
Walnussholz für Gewehre
Zur gleichen Zeit schickte Ludvig Nobel, der von der Regierung des Zaren den Lieferauftrag für Gewehre für die russische Armee erhalten hatte, seinen älteren Bruder Robert in den Kaukasus, dort Walnussholz zur Herstellung der Gewehre einzukaufen. Auf seiner Reise kam Robert auch nach Baku, wo ihn die neue Geschäftigkeit weit mehr faszinierte als sein Auftrag.
Hier bohrten Tataren, Perser und Armenier nach Öl, das sich hervorragend zur Beleuchtung eignete. Ohne seinen Bruder zu fragen, kaufte er mit dem „Walnussgeld“, immerhin 25 000 Rubel, keine Hölzer, sondern eine kleine Raffinerie. 1876 traf die erste Kerosinlieferung aus Robert und Ludwigs Produktion für die Lampen in St. Petersburg ein.
Zwei Jahre später ließ Ludvig, dem die Kosten für die bis dahin üblichen Holzfässer zu hoch waren, den ersten Tanker „Zoroaster“ bauen, der den kostbaren Stoff die Wolga aufwärts zu Bahnstationen für den Weitertransport brachte. Nach einigen Jahren produzierte Russland zeitweilig mehr Öl als Amerika, wo John D. Rockefeller über seine Raffinerien 90 Prozent der Ölproduktion kontrollierte.
Aktiengesellschaft Branobel
Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts verfügte die Petroleum herstellende Kompagnie der Nobel-Brüder nicht nur über Ölfelder, sondern auch über Pipelines, Raffinerien, Flusskähne, Lagerdepots, eigene Bahnlinien, ein Verteilungsnetz und sogar über hochseetüchtige Tanker, beschäftigte als erste Dutzende Chemiker und Geologen in seinen Laboratorien in Baku.
In der 1879 von ihm gegründeten Aktiengesellschaft Branobel, an der er die Mehrheit hielt und seine Brüder beteiligte, wurde die multinationale Belegschaft besser bezahlt als jede andere Arbeitergruppe im Zarenreich und wurde sogar am Gewinn beteiligt. Darum baute Ludvig nicht nur Schulen und ein Hospital und ließ seinen Arbeitern nicht nur Speise-, Konferenz-, Billardräume oder Bibliotheken einrichten, sondern auch eine Bankkooperative, eine Sparkasse. Branobel konnte es sich leisten, schließlich produzierte die Firma die Hälfte allen russischen Kerosins. Triumphierend konnte sie ihren Aktionären mitteilen: „Amerikanisches Kerosin ist nun völlig aus dem russischen Markt verdrängt.“
Herzattacke in Cannes
Ludvigs jüngerer Bruder, der Chemiker und Erfinder (er hielt 350 Patente) Alfred, verschaffte ihm ein Darlehen der französischen Crédit Lyonnais, damals ein beispielloser Vorgang. Zum ersten Mal dienten die Einnahmen aus der zukünftigen Petroleumproduktion als Sicherheit für einen Bankkredit. Damit erweiterte Ludvig seine Tätigkeit und machte Rockefellers Standard Oil nun auch auf dem europäischen Markt Konkurrenz. Doch dann, auf dem Höhepunkt seiner Unternehmertätigkeit, erlag er am 12. April 1888 auf einem Erholungsurlaub in Cannes einer Herzattacke.
"Abschaffung stehender Heere"
Nun begingen die Journalisten einiger europäischer Zeitungen einen peinlichen Fehler. Sie verwechselten die Nobel-Brüder und schrieben Nekrologe auf den jüngsten und berühmtesten der drei Brüder, auf Alfred Bernhard. Dass er in diesen verfrühten Nachrufen als „Dynamit-König“ oder „Händler des Todes“ beschrieben wurde, der sein Vermögen mit der Erfindung neuer Möglichkeiten, Menschen zu verstümmeln und zu töten, gemacht hatte, erschütterte den Erfinder des Dynamits, der Sprenggelatine, des Zünders und der Zündkapsel. Er änderte seinen letzten Willen. Sein Vermögen sollte der Einrichtung eines Preises dienen, der seinen Namen auf alle Zeit mit der Ehrung des Besten im menschlichen Bemühen in Verbindung brachte.
„Mit meinem verbleibenden realisierbaren Vermögen soll auf folgende Weise verfahren werden: Das Kapital, das von den Nachlassverwaltern in sichere Wertpapiere realisiert wurde, soll einen Fonds bilden, dessen Zinsen jährlich als Preis an diejenigen ausgeteilt werden sollen, die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben. Die Zinsen werden in fünf gleiche Teile aufgeteilt“, legte Alfred Nobel in seinem Testament fest, auf die Gebiete Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und „an denjenigen, der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat“.
31 Millionen schwedische Kronen
Des weiteren bestimmte er, wer die Preise vergeben soll. Seither ist die schwedische Wissenschaftsakademie zuständig für die Wahl der Preisträger in Physik und Chemie, die medizinische Universität in Solna, das Karolinska-Institut, wählt den Träger des Nobelpreises für Medizin, die Akademie in Stockholm sucht einen würdigen Preisträger unter den Literaten aus. Der Friedensnobelpreisträger wird von einem fünfköpfigen Gremium ausgewählt, dessen Mitglieder vom norwegischen Storting (Parlament) gewählt werden. Zwei Dinge an diesem Testament behagten dem schwedischen König und großen Teilen der schwedischen Öffentlichkeit ganz und gar nicht.
Zwar waren Norwegen und Schweden noch in einer Personalunion verbunden, doch die Auflösung begann sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Testaments bereits abzuzeichnen (1905 löste sich die Union auf, und Norwegen wurde selbstständig), was die Vergabe des Friedenspreises an eine norwegische Institution zu einem sensiblen Thema machte. Besonderen Anstoß nahm der König Oskar II. an Nobels „ausdrücklichem Willen, dass bei der Preisverteilung die Zuteilung nicht an irgendeiner Nationalität festgemacht wird, so dass der Würdigste den Preis erhält, ob er Skandinavier sei oder nicht.“ Dass eine solche Geldmenge auch an Ausländer gehen konnte, gefiel dem Monarchen überhaupt nicht. Immerhin handelte es sich um ein Vermögen von 31 Millionen schwedischen Kronen, die der Industrielle hinterließ, von denen 94 Prozent in die Stiftung eingehen sollten.
Preisverleihung ohne den König
Doch nachdem die bei großen Hinterlassenschaften üblichen Erbschaftsstreitereien beigelegt waren, konnte am 29. Juni 1900, vier Jahre nach dem Tod Alfred Nobels, die Nobelstiftung gegründet werden. Bereits ein Jahr darauf wurden die Preise zum ersten Mal vergeben. (Auch wenn er seit 1968 in Erinnerung an Alfred Nobel vergeben wird, so ist der Preis für Wirtschaftswissenschaften im engen Sinn kein Nobelpreis. Er wurde von der Schwedischen Reichsbank zu ihrem 300-jährigen Jubiläum gestiftet.) Die ersten Preisträger waren: Wilhelm Conrad Röntgen (Physik), Jacobus H. van ’t Hoff (Chemie), Emil von Behring, (Medizin), Sully Prudhomme (Literatur) und Henry Dunant gemeinsam mit Frédéric Passy (Frieden). Weil König Oskar immer noch verstimmt war, blieb er der Preisverleihung fern. Urkunden, Medaillen und Schecks überreichte damals der Kronprinz.