Die zweite Corona-Welle mit all ihren Begleitumständen und Folgen dürfte in kaum einem Land des Nahen und Mittleren Ostens die Bevölkerung mehr unter Druck setzen als im Iran. Nicht nur, weil die tägliche Infektionsrate höher ist als beim ersten Mal, sondern auch, weil die Wirtschaftslage des von US-amerikanischen Sanktionen gebeutelten Landes sich von Tag zu Tag weiter verschlechtert und Besserung nicht in Sicht ist.
Zumindest bisher war das so. Nun aber versucht die Regierung von Präsident Rohani, dem Volk Mut zu machen, dass man an einer Lösung arbeite, die den Iran vom Druck der USA und deren europäischen Vasallen befreie: Der Iran werde weitreichende Zusammenarbeit mit China vereinbaren und im Hintergrund werde Russland dieses Dreier-Gespann ergänzen und die USA und andere Feinde des Iran ins Leere laufen lassen.
Wieder Ahmadinejad?
Es ist dies keine neue Idee, denn bereits vor 20 Jahren hatte es erste chinesisch-iranische Kontakte zu diesem Thema gegeben. Trotzdem wird die Idee heute von der Regierung als mögliches Allheilmittel angepriesen. Die wachsende Opposition im „Madjlis“ – dem iranischen Parlament – lässt aber keine Gelegenheit aus, den Plan zu verurteilen. Wohl weniger aus begründeten sachlichen, sondern eher aus innenpolitischen Gründen. Dies wurde besonders deutlich, als der ehemalige Präsident Ahmadinejad sich zum Wortführer der Opposition zum China-Vertrag aufzuschwingen versuchte:
Der Vorgänger verfolgt damit eindeutig eigene politische Ziele, denn er will bei den für nächstes Jahr anstehenden Präsidentschaftswahlen erneut kandidieren. Beim letzten Mal war er vom mächtigen „Wächterrat“ nicht zugelassen worden. Sicher nicht, weil viele Iraner ihm längst die Verantwortung dafür geben, dass es zur Zuspitzung mit den USA in der Nuklearfrage gekommen war, sondern weil Erzkonservative sich von einem Kandidaten wie ihm die ideale Antwort auf Trumps Kurs des harten Drucks auf Iran versprechen. In der Bevölkerung dürfte dies weniger überzeugen, dort ist man das ständige Taumeln von einer Krise in die nächste leid. Besonders jetzt, wo Corona die Sache zusätzlich erschwert. Und – auch das darf nicht ignoriert werden – wo die wirtschaftliche Notlage sich immer deutlicher nicht nur als Folge der Sanktionen erweist, sondern auch der rücksichtslosen Korruption verantwortlicher Kreise der iranischen Politik und Wirtschaft. Die Täter sind entweder längst über alle Berge verschwunden oder sie sind geschützt durch ihre hochrangigen Beziehungen. Nur wenige kommen wirklich vor Gericht und noch weniger werden dann dort verurteilt.
Ausverkauf des Iran
All diese Umstände stacheln die Bevölkerung in letzter Zeit zusehends auf zu neuem Unmut, Frust und Zorn. Sie schliessen dabei das Abkommen mit China mit ein: Dies sei ein Ausverkauf des Iran, China werde das Land immer mehr unter seine Kontrolle bringen und man habe ihm bereits einige Inseln im Persischen Golf zugesagt, darunter auch das Luxus-Ressort von Teherans „Schönen und Reichen“, die Insel Kish. Bisher gab es wiederholte Dementis aus Regierungskreisen, solange der Text oder auch nur der Entwurf des Abkommens aber nicht fertig und veröffentlicht sind, bleiben die Vermutungen und Verdächtigungen schier unkontrollierbar.
Nur soviel scheint festzustehen: China wird künftig Hauptabnehmer des iranischen Erdöls sein. Zum Vorteilspreis, aber eben besser als gar nicht – wie es wegen der US-Sanktionen in fast allen anderen Staaten der Fall ist. China will auch grosse Summen in die iranische Wirtschaft investieren und diese damit wieder in Schwung bringen, indem es auch Hauptabnehmer der erzeugten Produkte werden soll. Der Iran soll auch eine wichtige Rolle beim Projekt der chinesischen „Seidenstrasse“ spielen, indem chinesische Waren auf dem Landweg den Iran gen Westen durchqueren sollen, ebenso aber auf dem Seeweg über iranische Häfen. Hier sind viele Iraner argwöhnisch, dass China diese Häfen zwar ausbauen, dann aber so weit unter seine Kontrolle bringen werde, dass der Iran dort künftig vielleicht nichts mehr zu sagen hat. Andere Bedenken richten sich gegen die Übertragung weitreichender Fischereirechte an China: Jetzt schon wird der chinesischen Fischereiflotte vorgeworfen, die iranische Küste am Indischen Ozean abzufischen, sodass iranischen Fischern dort nichts bleibe.
Vorteile eines Abkommens mit China
Auch strategische Überlegungen werden in der China-Diskussion von Gegnern des Abkommens vorgebracht: So sei eine enge Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften beider Länder (und vermutlich auch Russlands) geplant, mit Truppenstationierungen und Militärstützpunkten im Iran. Auch dies sei ein Beispiel für den Verlust iranischer Souveränität, argumentieren die Gegner. Regierungskreise, unter ihnen besonders Aussenminister Zarif, hingegen diskutieren solche Vorwürfe bisher nicht, sondern sie weisen auf die Vorteile eines solchen Abkommens hin: Der Iran erhalte dadurch mit China einen sehr wichtigen und mit Russland einen wichtigen Partner, was ihn künftig mehr denn je gegen feindselige Aktionen der USA schützen werde. Gerade Zarif weiss natürlich, dass eine Mehrheit der Iraner eher nach Westen (und trotz aller Probleme nach den USA) hin orientiert ist. Aber solange auch nur eine noch so schwache Möglichkeit besteht, dass Trump im November wiedergewählt wird, dürften mögliche Nachteile einer solch radikalen Hinwendung Teherans nach China wohl letztlich in Kauf genommen werden.