Er hat gewonnen, aber nicht triumphiert. Peña-Nieto erhielt den offiziellen Zwischenergebnissen zufolge 37 Prozent der Stimmen. Sein stärkster Herausforderer Andrés Manuel López Obrador von der linksgerichteten Partei der demokratischen Revolution brachte es auf etwa 32 Prozent, während die Kandidatin der konservativ-katholischen Regierungspartei Acción Nacional (PAN), Josefina Vázquez Mota, sich mit 26 Prozent bescheiden musste. Das Schlussergebnis wird erst in den nächsten Tagen feststehen.
Hartnäckiger Verlierer
In Mexiko gewinnt auf Anhieb der Bewerber, der die höchste Stimmenzahl erreicht hat, auch wenn er – wie jetzt Peña-Nieto – die absolute Mehrheit verfehlt. Vázquez Mota hat ihre Niederlage bereits anerkannt. López Obrador, der wie schon bei der Präsidentschaftswahl 2006 vor allem in den unteren sozialen Schichten viele Stimmen holte, gibt sich hingegen noch nicht geschlagen.
Er wolle die endgültige Auszählung abwarten, sagte er in einer ersten Stellungnahme. Der charismatische Volkstribun hatte vor sechs Jahren mit einem Rückstand von bloss 0,56 Prozentpunkten gegen den Konservativen Felipe Calderón verloren und zweifelt dieses Ergebnis heute noch an.
Image wichtiger als Ideologie
Mexikos frisch gewählter Staatschef hatte sich seinen Landsleuten im Wahlkampf als das „junge Gesicht des neuen Partido Revolucionario Institucional (PRI)“ präsentiert. Der 45-jährige Ex-Gouverneur des Bundesstaates México betonte immer wieder, seine Partei, die bis 2000 sieben Jahrzehnte lang autoritär geherrscht hatte, habe aus den Fehlern der Vergangenheit die nötigen Lehren gezogen. Sie werde künftig absolut demokratisch regieren und mit ihm als Präsident die Modernisierung des Landes zielstrebig vorantreiben.
Seine Botschaft verkündete der PRI-Politiker, der in jeder Telenovela als Galan gute Figur machen würde, hauptsächlich über den Privatsender Televisa. Das grösste Medienunternehmen Mexikos bevorzugte ihn krass gegenüber allen anderen Kandidaten und trug damit wesentlich zu seinem Erfolg bei. Peña-Nieto achtete bei seinen Auftritten sorgsam darauf, ja nicht anzuecken, das persönliche Image schien ihm stets wichtiger zu sein als Ideologien. Spontanen inhaltlichen Auseinandersetzungen ging er möglichst aus dem Weg und handelte sich so bei seinen politischen Gegnern den Ruf eines intellektuellen Leichtgewichts ein.
Eine Kampfansage an die Drogenbosse
Mindestens so sehr wie seine vagen Reformversprechen und die demonstrativ zur Schau gestellte Läuterung dürfte eine gewisse Nostalgie bei vielen seiner Landsleute Peña-Nieto zum Sieg verholfen haben. Zwar bringt ein Grossteil der Mexikaner den PRI nach wie vor mit Betrug, Korruption, hemmungsloser Vetternwirtschaft und Egoismus in Verbindung. Die ehemalige Staatspartei steht in den Augen vieler aber auch für Erfahrung, Stärke und Ordnung. Ihr trauen sie am ehesten zu, die akute Sicherheitskrise des Landes zu überwinden. Eher als dem PAN, der die in ihn gesetzten Erwartungen nach dem überraschenden Machtwechsel im Jahr 2000 nicht erfüllte, oder dem Linksbündnis um López Obrador. In den alten Zeiten, so ist von Mexikanern immer wieder zu hören, habe das Drogengeschäft zwar ebenfalls geblüht, aber früher sei es wenigstens unter Kontrolle gewesen und habe weniger Gewalt verursacht.
Der Kampf gegen das organisierte Verbrechen und die damit verbundenen Gewaltsexzesse wird die grösste Herausforderung für den neuen Präsidenten sein. Peña-Nieto versicherte, dass er mit aller Entschlossenheit gegen die Drogenkartelle vorgehen und ihnen nicht die geringsten Konzessionen machen werde. Er will dabei aber offenbar zumindest teilweise eine andere Strategie verfolgen als der scheidende Staatschef Calderón.
Auch Prävention, nicht nur Repression
Calderón hatte unmittelbar nach seinem Amtsantritt Ende 2006 eine Grossoffensive gegen das organisierte Verbrechen gestartet. Die Sicherheitskräfte konnten mächtige Paten festnehmen sowie Rekordmengen an Drogen, Waffen und Geld beschlagnahmen. Der Preis für diese Erfolge war allerdings hoch: Seit Anfang 2007 kamen im Drogenkrieg mehr als 50 000 Menschen ums Leben.
Peña-Nieto erklärte nun, er wolle es nicht bei der Repression bewenden lassen, sondern eine nationale Präventionspolitik in die Wege leiten, also bei den Ursachen der Kriminalität ansetzen und nicht bloss ihre Folgen bekämpfen. Ein solcher neuer Ansatz ist dringend nötig, wenn die Macht der Drogenkartelle nicht nur punktuell geschwächt werden soll. Wie er dieses anspruchsvolle Ziel konkret erreichen möchte, hat Peña-Nieto bisher nicht gesagt.
Vieles ist ungewiss
Auch zu seinem Wirtschaftsprogramm äusserte sich der zukünftige Präsident eher unverbindlich. Er werde an der freien Marktwirtschaft festhalten, aber mehr soziale Gerechtigkeit anstreben, sagte er. Falls er es ernst meint mit diesem Gelöbnis, wartet viel Arbeit auf ihn. Die soziale Kluft in Mexiko ist nach wie vor riesig. Während eine verschwindend kleine Minderheit im materiellen Überfluss schwelgt, lebt beinahe die Hälfte der 112 Millionen Einwohner unter der Armutsgrenze. In den vergangenen Jahren hat das soziale Ungleichgewicht nicht ab-, sondern sogar noch zugenommen.
Um einen Ausgleich zu schaffen, müsste unter anderem das Steuersystem grundlegend verändert werden. Ob Peña-Nieto und seine Partei auf diesem Gebiet mehr als nur kosmetische Korrekturen vornehmen werden, lässt sich im Augenblick schwer abschätzen. Und auch in der Frage, wie sich der für die mexikanische Wirtschaft ausserordentlich wichtige Energiesektor unter der neuen Regierung entwickeln wird, sind keine präzisen Prognosen möglich.
Peña-Nieto war zwar viel öfter im TV zu sehen als jeder andere Kandidat. Das heisst aber noch längst nicht, dass seine Landsleute über ihn und seine Absichten wirklich im Bild sind.