Es war im August 2002, als sich Verhörspezialisten in einem geheimen CIA-Gefängnis in Thailand den Palästinenser Abu Zubaydah vornahmen, den sie für ein führendes Mitglied von al-Qaida hielten. Sie banden ihn auf eine Krankenpritsche und schütteten Wasser über seinen Mund und seine Nase, bis er zu ersticken drohte. Sie hämmerten seinen Schädel gegen die Wand und steckten ihn für Stunden in eine sargähnliche Kiste.
Der falsche Mann
Der 31jährige Palästinenser bettelte um Gnade und versicherte, nichts von al-Qaida zu wissen. Doch die kommandierende CIA-Agentin machte sich nur lustig über den Gequälten und setzte die Tortur fort. 83 Mal unterzogen die Folterer Abu Zubaydah in einem einzigen Monat dem Water Boarding. Die Agentin schaute zu, wie sich Zubaydah übergab, in Ohnmacht fiel oder unkontrolliert urinierte. Als medizinisches Personal den in Ohnmacht Gefallenen, dem Speichel aus dem Mund blubberte, wiederbelebt hatte, gratulierte sie ihm zu seinen schauspielerischen Fähigkeiten: „Good Job! Ich mag Deine Art zu sabbern, das bringt etwas Realismus in die Sache. Ich nehme dir das beinahe ab. Kaum vorstellbar, dass ein erwachsener Mann so etwas tut.“
Und alles wurde gefilmt. Als die Presse von dem geheimen Gefängnis in Thailand Wind bekam, wurde Abu Zubaydah schnellstens in ein anderes, ähnliches Gefängnis in Polen gebracht. Schliesslich dämmerte es der Agentin und den Verhörbeamten, dass sie den falschen Mann hatten, dass Abu Zubaydah nicht die Nr. 3 oder Nr. 4 in der al-Qaida-Hierarchie war, dass er nicht einmal Mitglied von al-Qaida war.
Lebenslange Isolation
Ein ehemaliger Antiterrorismusexperte der CIA, John Kiriakou, berichtete in einem Artikel in „Reader Supported News“, dass der Agentin und ihrem Personal durchaus klar war, dass Zubaydah unter der Folter sterben könnte. Sollte dies passieren, so war vereinbart, würde der Körper verbrannt. Für den Fall, dass Abu Zubaydah die Verhöre überleben sollte, suchte die „chief of base“ die Zusicherung, dass „das Subjekt für den Rest seines Lebens isoliert in Einzelhaft gehalten wird“. Dieses Versprechen wurde eingehalten, Zubaydah sitzt immer noch in Guantanamo. Auch Kiriakou musste für seine Enthüllungen klassifizierter Informationen über Folterungen durch amerikanische Soldaten und Agenten büssen; er wurde zu 23 Monaten Haft verurteilt.
Als später unangenehme Fragen über das Programm „verschärfter Verhöre“ an geheimen Orten, sogenannten „black sites“, auftauchten, drängte die CIA-Agentin darauf, die Filme zu zerstören. Drei Jahre später in höherer Position innerhalb des Geheimdienstes entwarf sie eine Anweisung, alle Beweise, die immer noch in der amerikanischen Botschaft in Bangkok in einem Safe eingeschlossen waren, zu vernichten. Ihr Chef, der Leiter des Antiterrorismuszentrums der CIA, unterschrieb den Befehl, die 92 Videobänder zu schreddern. Das wurde erledigt, ohne die notwendige Genehmigung des Weissen Hauses oder des Justizministeriums dafür einzuholen.
Die ganze Angelegenheit wäre wohl eine politisch unbedeutende Fussnote der Geschichte geblieben. Doch dann ernannte Präsident Donald Trump jene Agentin, die damals so gnadenlos die Verhöre geleitet hatte, zur Vizedirektorin des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA. Zum ersten Mal in der siebzigjährigen Geschichte der Central Intelligence Agency nimmt eine Frau die zweithöchste Führungsposition bei der Behörde ein. Mit der Beförderung von Gina Cheri Haspel bewies Präsident Trump erneut ein geschicktes Händchen, umstrittenen Persönlichkeiten hohe Ämter anzuvertrauen.
Patriotisch foltern
Gleichzeitig machte er mit dieser Entscheidung deutlich, dass er von den Ermittlungen der letzten acht Jahre gegen Mitarbeiter des Geheimdienstes, die bei ihrer Tätigkeit die gesetzlichen Einschränkungen beim Umgang mit Gefangenen oder des Terrorismus Verdächtigen recht grosszügig auslegten, nichts hält. Dabei haben auch die USA – wenngleich erst nach langem Zögern – das UN-Abkommen gegen Folter und andere grausame, inhumane und entwürdigende Behandlung oder Bestrafung ratifiziert. Und „Waterboarding ist zweifelsfrei Folter“, konstatierte Marjorie Cohn, emeritierte Professorin der Thomas Jefferson Law School und vormalige Präsidentin der Nationalen Anwaltsvereinigung.
Schliesslich glaubt Präsident Trump, dass Folter durchaus zu den gewünschten Ermittlungsergebnissen führt. Nach Ansicht seines ebenfalls neu ernannten CIA-Direktors, Mike Pompeo, ein Anhänger der Tea-Party-Bewegung und lebenslanges Mitglied der National Rifle Association, fallen Waterboarding und andere Techniken zur Erhöhung der Aussagebereitschaft Verdächtiger ohnehin nicht unter Folter und sind jene Männer und Frauen, die solche Methoden anwandten „Patrioten“.
Die Rache der CIA
Gina Haspel ist ganz sicher eine solche „Patriotin“. Sie folterte patriotisch. Sie spielte nicht nur eine führende Rolle in dem „aussergewöhnlichen Auslieferungsprogramm“ der CIA, in dem der al-Qaida-Mitgliedschaft Verdächtige ausländischen Regierungen übergeben und in geheimen Gefängnissen von CIA-Agenten gefoltert wurden. Gina Haspel leitete als „chief of base“ in Thailand die erste derartige Einrichtung der CIA und war für diesen Job von ihren Vorgesetzten in Langley extra ausgesucht worden.
Republikaner wie der Kongressabgeordnete Devon Nunes aus Kalifornien, der auch dem „House Intelligence Committee“ vorsitzt, zeigten sich „beeindruckt von ihrem Engagement, ihrer Ehrlichkeit und ihrer grossen Hingabe zur Gemeinschaft der Geheimdienste“. Ehemalige hochrangige Geheimdienstbeamte äusserten sich „sehr erfreut“, und „applaudierten der Ernennung“.
Andere wie die demokratischen Senatoren Ron Wyden (Oregon) und Martin Heinrich (New Mexico) halten sie aufgrund „ihres Hintergrundes für die Position ungeeignet“, wie sie an Trump schrieben. „In einem Brief, der nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, werden wir unsere Position darlegen und fordern, dass die Informationen (über Gina Haspel) sofort öffentlich zugänglich gemacht werden.“ Immerhin hatte die US-Regierung einst, nach dem Ende des Pazifikkrieges, japanische Soldaten, die amerikanische Gefangene der Folter des Waterboardings ausgesetzt hatten, als Kriegsverbrecher exekutiert. Andere sehen in der Berufung die Rache der CIA. „Die Agentur zeigt jetzt jedem den Stinkefinger, der jemals das damalige Programm kritisiert hat“, vermutete ein ehemaliger Regierungsbeamter aus der Obama-Administration.
Das Schweigen der Verantwortlichen
Vor allem vor dem Hintergrund der irrlichternden Politik und den sich oft widersprechenden Äusserungen Trumps sei Gina Haspels Vergangenheit besonders relevant. Während des Wahlkampfes hatte Trump versprochen, seine Regierung werde „eine weit schlimmere Hölle als Waterboarding zurückbringen“. Nach seinem Wahlsieg jedoch hatte ihm sein Veidigungsminister James Mattis erklärt, dass Folter wenig effizient sei. Ein Bier und ein paar Zigaretten machten die Verhörten weit gesprächiger. Dann entwarf die Regierung doch eine Verfügung des Präsidenten an die amerikanischen Geheimdienste, „verschärfte Verhöre“ von Terrorverdächtigen eventuell wieder aufzunehmen, um sie wenig später wieder zurückzuziehen. Inzwischen hat Trump erneut seine Meinung geändert und billigt Folter wieder.
Gina Haspel scheint die alten Geister nicht loszuwerden. Im Bundesstaat Washington läuft derzeit ein Verfahren gegen die Psychologen James Mitchell und Bruce Jessen, die unter der Regierung George W. Bushs die Leitlinien für das Programm „verschärfter Verhöre“ entworfen und in Thailand unter dem Befehl Gina Haspels solche auch durchgeführt hatten. Vor zwei Wochen verlangte die Verteidigung der beiden Männer in einer Eingabe das Erscheinen Gina Haspels als Zeugin vor Gericht, weil sie „unmittelbar involviert“ gewesen sei. Einen Tag später untersagte Trumps Justizministerium die gewünschte Zeugenaussage unter Hinweis auf die Sicherheitsbelange der Nation.
Da ihre Berufung keine Bestätigung des Kongresses erfordert, ist zweifelhaft, dass Gina Haspel sich jemals selbst in der Öffentlichkeit zu den Vorwürfen äussern wird.