Haben Schweizer Geldhäuser das Bankkundengeheimnis dafür missbraucht, unversteuerten Schwarzgeldern einen sicheren Hort zu bieten? Aber natürlich. War das übliches Geschäftsgebaren? Aber sicher. Können die Schweizer Banken die daraus entstehenden Probleme, den Steuerstreit mit den USA, mit der EU, aus eigenen Kräften lösen? Sicher nicht. Wer könnte das? Die Politik, die Regierung. Tut sie das? Nein.
Das Versagen der Politiker
Als ein Vertreter der Bank Wegelin vor Gericht in New York das Selbstverständliche, Unbestreitbare und Offenkundige aussprach, schäumten Schweizer Politiker auf. Von links bis rechts wurde er als «Verräter» beschimpft, der immer schnell erregte FDP-Präsident fügte das Wort «Sauerei» hinzu, der SP-Präsident «Katastrophe».
Keinem dieser nicht über die Nasenspitze hinausdenkenden Populisten fiel es ein, an die Wirkung aufs Ausland zu denken. Und daran, dass mit dieser Reaktion alle anderen Behauptungen als reine Heuchelei entlarvt wurden. Denn wer den Boten einer unbestreitbaren Wahrheit als «Verräter» brandmarkt, impliziert damit, dass man am liebsten den Deckel draufhalten will, dass das Bankgeheimnis selbstverständlich als Schutz vor ausländischen Steuerforderungen diente.
Die Lüge von der «Weissgeldstrategie»
Im Ausland nahm man erstaunt zur Kenntnis, dass die meisten Schweizer Parteien zwar von einer «Weissgeldstrategie» schwafeln, also keine weitere Aufbewahrung von unversteuerten Geldern auf eidgenössischen Bankkonten mehr wollen. Andererseits aber entrüstet abstreiten, dass es logischerweise zuvor eine «Schwarzgeldstrategie» gab.
Schafft das wirklich Vertrauen, dass in der Schweiz der politische Willen existiert, oberhalb von wohlfeilen Deklarationen, einen Paradigmenwechsel durchzuführen? Natürlich nicht. Offenkundig sind diese Lippenbekenntnisse lediglich Ausdruck tiefster Heuchelei. Aber das ist nicht einmal das Schlimmste.
Ein politisches Problem
Schweizer Banken, und die meisten haben da mitgespielt, kommen aus eigener Kraft nicht aus dem Schlamassel heraus, das sie sich selbst eingebrockt haben. Sie vertrauten auf den Rechtsschutz dank der Gültigkeit Schweizer Gesetze in der Schweiz. Das nennt man Rechtssouveränität, was immer man auch vom Bankgeheimnis halten mag.
Die USA, und auch die Europäische Union, führen aber seit geraumer Zeit vor, dass es supranationale Herrschaftsinstrumente gibt. Nämlich Währungsräume. Der Ansatz ist einfach: Wenn du in Dollar oder in Euro geschäften willst, dann musst du dich an unsere Spielregeln halten. Überall, auch in der Schweiz. Die Spielregeln heissen FATCA oder Automatischer Informationsaustausch. Ob das gegen Schweizer Gesetze verstösst oder nicht, ist wurst. Deshalb handelt es sich hier um ein politisches Problem.
Das Versagen der Regierung
So berechtigt auch das Ansinnen sein mag, dass Schweizer Banken die Suppe selber auslöffeln, die sie sich eingebrockt haben: Sie können es nicht. Denn entweder verstossen sie dabei gegen Schweizer Gesetze – oder gegen ausländische. Im Fall der UBS wurde das mit Rechtsbruch und Notrecht hingebogen, aber das kann ja nicht die Lösung sein.
Also müsste die Schweizer Regierung auf Staatsebene eine Regelung finden, ob die nun «Globallösung» oder anders heisst. Seit geschlagenen drei Jahren kaspert sie daran herum, ohne einen neuen Rechtsrahmen geschaffen zu haben, ohne Resultat. Dabei kommen die Einschläge immer näher. Ein unerhörtes Versagen unserer Regierung.
Die Einschläge
UBS in die Knie gezwungen. Eine Liste von ursprünglich zwölf weiteren Banken veröffentlicht, darunter die CS. Die Bank Wegelin angeklagt und zur Selbstentleibung gezwungen. Drei Banker der Staatsbank ZKB angeklagt. Schweizer Banken zur Herausgabe von Mitarbeiterdaten verleitet. Eine Liste von weit über 30 000 Selbstanzeigen mit allen damit zusammenhängenden Informationen in der Hand. Die Offenlegung von allen Informationen auf einem Korrespondenzkonto Schweizer Banken in den USA angeordnet.
Die Amis fragen sich sicherlich zunehmend irritiert, was sie so unterhalb des Kommandoeinsatzes der Killertruppe Navy SEALs oder dem Einsatz von Drohnen eigentlich noch unternehmen müssen, damit der Schweizer Regierung der Ernst der Lage klar wird.
Und der Bundesrat?
Winter-Olympiade. Teilnahme am G20-Treffen. Für und Wider die Minder-Initiative. Die Krankenkassenprämien. Die Medikamentenpreise. Das Raumplanungsgesetz. Ausstieg aus der Atomenergie oder Wiedereinstieg. Staatliche Förderung von Kinderkrippen. Wie Traumtänzer kümmern sich die Bundesräte um Probleme, die angesichts von existenzbedrohenden Multimilliardenforderungen an Bussen nun doch wirklich sekundär sind.
Und wenn dann der nächste Blitz einschlagen wird, also eine Klage gegen die ZKB, die Basler Kantonalbank oder die CS, dann sind plötzlich alle furchtbar überrascht. Murmeln etwas von «unvorhersehbar». Rufen gar eine Sondersitzung des Bundesrats ein. Gebildete Mitglieder unserer Landesregierung erinnern sich dann an Sophokles oder Aischylos. Und dass man auch mal eine moderne Schweizer Tragödie schreiben könnte. Sie wird gerade aufgeführt.