Mag ja sein, dass der Fels im roten toten Herzen Australiens schon kraft seiner Natur weltweit einzigartig ist – mitnichten ist er aber ein Monolith, obwohl sogar die Unesco dieses Touristenlatein nachplappert. Und als Inselberg aus geschichtetem Sandstein, den Erosion und Verwitterung aus einer Rumpffläche herauspräparierten, ist er nicht einmal – so eine zweite ständig nachgebetete Behauptung – der grösste. Er ist ein Berg der dritten Art. Die Bezeichnung „heiliger Berg“ wird seiner Aura nicht gerecht, das Wort „heilig“ transportiert zu wenig Mythisch-Magisches. So berührungsscheu ist Uluru, dass die Gutachter in ihren Berichten zuhanden des Welterbekomitees auf gewisse Aspekte nur anspielen, sie aber keinesfalls ausführen durften. Sie zu bereden wäre soviel wie sie zu entweihen.
Dieser Berg hiess seit dem 19. Jahrhundert Ayers Rock (nach einem Ersten Sekretär von New South Wales und späterem australischen Premierminister) und wurde seit dem Bau einer Naturstrasse 1948 noch vor den Betonsegeln des Opernhauses in Sydney zum Markenzeichen Australiens. Die Naturikone war das Ziel einer lawinenartig anschwellenden Zahl von Schaulustigen (eingeschlossen das übliche Kontingent von Vandalen und Schmierern), die das Spektakel des bei Sonnenuntergang dramatisch erglühenden Bergs anzog. Den Ureinwohnern, die in Zentralaustralien seit wenigstens 30 000 Jahren nomadisieren und, nach Ausweis von Felsmalereien, mindestens seit 5 000 Jahren in Symbiose mit dem Berg leben, war dessen Herabwürdigung zum Tummel- und Rummelplatz ein Greuel. Australien schuf 1958 Abhilfe – auf fiese, zynische Weise: es nahm Ayers Rock und die nahen 36 Felsbuckel des Mount Olga (benannt nach einer Königin von Württemberg) den Ureinwohnern weg und erklärte sie zum Schutzgebiet; die Ureinwohner wurden nach Möglichkeit ausquartiert. 1977 avancierte das Schutzgebiet zum Nationalpark. Die Parkverwaltung beschnitt Auswüchse des Tourismusgewerbes, Hotels, Motels, Zelt- und Parkplätze mussten jetzt wenigstens die Parkgrenze respektieren. Die Ureinwohner freilich wollten ihren Berg zurück. Ihr Kampf endete nach zwischenzeitlichen Alibi-Ergebnissen (die Parkverwaltung stellte einige Ureinwohner als Rangers an) mit durchschlagendem Erfolg. 1985 ging der Rechtstitel am Parkland an die Ureinwohner über, die es im Gegenzug der Bundesregierung für 99 Jahre verpachteten. Gleichzeitig nahmen sie mit einer Mehrheit in dem Gremium Einsitz, das den Park verwaltet und betreibt.
Ayers Rock wurde Uluru, wie der Inselberg in der Sprache der ansässigen Pitjantjatjara – mit unklarer Bedeutung – heisst; und die Olgas wurden wieder Kata Tjuta („viele Köpfe“). Beim Namenswechsel blieb es nicht. Besucher mussten sich mit neuen Einschränkungen abfinden. Einige Stellen des Bergs sind stets tabu, und an Festtagen, an denen grosse Rituale die schöpferische „Traumzeit“ ins Jetzt und Hier holen, schliesst der Park. Die Ureinwohner sorgten aber für mehr als nur Verbote. Ihr in Jahrtausenden akkumuliertes ökologisches Wissen lommt dem Park zugute. Die Praxis kontrollierter Abbrände (für die Parkverwaltung bis anhin Anathema) erweist sich als Segen: das Feuer hilft Pflanzen mit essbaren Früchten keimen; auf den Brandflächen spriesst frisches Gras für Känguruhs. Einheimische Frauen säubern jährlich die natürlichen Zisternen, die am Fuss des Bergs das Regenwasser sammeln.
Der Park erlangte schon 1987 Welterbe-Würde; damals freilich noch, mit etwas wackliger Begründung, als Naturgut. Das Welterbekomitee doppelte l994 mit überzeugenderen Argumenten nach: nun würdigte es Uluru-Kata Tjuta als Kulturlandschaft und als unvergleichliche „assoziative Landschaft“. Das Wort „assoziativ“ ist (genauso wie „heilig“) bestenfalls ein Behelf. Uluru und Kata Tjuta deuten nicht auf die Heroen der „Traumzeit“ hin; sie sind Fels gewordene mythische Ahnen. Die Südseite von Uluru identifizieren die Anwohner mit den Python-Menschen und dem Blauzungenskink-Mann, die Nordwestecke mit der Beutelmulle-Frau. Trotzdem wurden bisher das Herumklettern auf dem Berg, seine Besteigung entlang einer Route über die Nordwestflanke nicht unterbunden. Die Parkverwaltung mahnt zwar die Touristen, nicht auf den Göttern der Ureinwohner herumzutrampeln und die Gipfeltour zu unterlassen, aber nicht gerade mit überwältigendem Erfolg. Ein beantragtes, klar formuliertes Besteigungsverbot ist unvermeidlich. – Jahr des Flugbilds: 1974 (Copyright Georg Gerster/Keystone)