Das in Eritrea herrschende Regime begeht Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf breiter Ebene und systematische Weise quer durch das Land. Die schweren Verletzungen der Menschenrechte spielen sich zumeist nicht auf offener Strasse ab, sondern in den Gefängnissen, militärischen Ausbildungslagern und anderen geschlossenen Stätten. Zu diesem Ergebnis gelangt eine von den Vereinten Nationen eingesetzte Untersuchungskommission in ihrem am Mittwoch veröffentlichten zweiten Bericht.
Totale Unterwerfung des Volks
„Verbrechen wie Versklavung, willkürliche Haft, Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, Mord und andere unmenschliche Taten sind Bestandteil einer Politik, die Furcht erzeugen und jegliche Opposition abschrecken will“, heisst es in dem Bericht. Das Ziel der regierenden „Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit“ sei es, die gesamte Bevölkerung Eritreas zu kontrollieren.
„Eritrea ist ein autoritärer Staat“, stellt die Untersuchungskommission fest. „Es gibt kein unabhängiges Gerichtswesen, keine Nationalversammlung und keine anderen demokratischen Institutionen. Dadurch sind ein Rechtsvakuum und ein Klima der Straflosigkeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit entstanden. Dieser Zustand dauert seit einem Vierteljahrhundert bis heute an.“
Schwierige Uno-Untersuchung
Die 2014 vom Menschenrechtsrat der Uno eingesetzte Untersuchungskommission wird vom Australier Mike Smith geleitet. Die beiden anderen Mitglieder sind Victor Dankwa aus Ghana und Sheila Keetharuth aus Mauritius. Die eritreische Regierung verweigert den Ermittlern die Einreise. Die drei unabhängigen Experten mussten sich daher mit der Befragung von 673 Eritreern in 13 anderen Ländern, darunter in der Schweiz, begnügen. Während zwölf Monaten werteten sie auch 160 schriftliche Zeugenaussagen aus.
Insgesamt hat die Untersuchungskommission in ihrem zweiten Arbeitsjahr rund 45'000 Briefe zur Menschenrechtslage in Eritrea erhalten. Die Mehrzahl dieser Briefe seien aber Gruppenschreiben oder sie kritisieren praktisch wortgleich den im Juni 2015 veröffentlichten ersten Bericht der Kommission. Deren Mitglieder gelangten deshalb zur Auffassung, dass es sich dabei um eine von der eritreischen Regierung organisierte Kampagne handelt, mit der die Untersuchungskommission diskreditiert werden soll.
Fassade der Normalität
Gelegentlichen Besuchern Eritreas werde von den dortigen Machthabern „eine Fassade von Ruhe und Normalität gezeigt, hinter der sich weiterhin die schweren und konstanten Verletzungen der Menschenrechte abspielen“, heisst es in dem Bericht der Untersuchungskommission. Dieser Passus kontert die Äusserungen von Schweizer Politikern und Artikel in rechtsnationalen Publikationen, die eine Verfolgung von Eritreern in ihrer Heimat bestreiten und die Motive der Flüchtlinge in Frage stellen.
2015 haben mehr als 47'000 Eritreer in Europa Asyl beantragt, darunter etwa 10'000 in der Schweiz. Insgesamt leben in der Schweiz derzeit 28'500 Eritreaflüchtlinge. Verwunderung haben Informationen hervorgerufen, wonach etliche von ihnen über die eritreische Botschaft in Bern eine Art Steuer an ihr Land zahlen und dafür ungehindert heim- und wieder zurück in die Schweiz reisen dürfen.
Verfahren des Internationalen Strafgerichtshofs
Einer der Gründe für die Massenflucht aus Eritrea ist der zeitlich unbegrenzte Militärdienst, dem die jungen Männer unterworfen sind. Der Schweizer Staatssekretär für Migration, Mario Gattiker, sagte nach einer Fact-Finding-Mission, dass sich die angedeutete Begrenzung des obligatorischen Militärdienstes auf 18 Monate als falsch herausgestellt hat.
Die Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats der Uno verlangt jetzt von der Regierung in Asmara, den Militärdienst auf höchstens anderthalb Jahre zu verkürzen. Den Weltsicherheitsrat fordert die Kommission auf, ein Verfahren des Internationalen Strafgerichtshofs in die Wege zu leiten. Die unabhängigen Experten haben Schuldbeweise gegen mehrere Personen gesammelt. Der Sicherheitsrat soll sie vorerst mit Sanktionen wie einem Reiseverbot und dem Einfrieren ihrer Auslandskonten belegen.