Gründer des abtrünnigen Militärkomitees sollen Soldaten und Offiziere aus der Zeit sein, da Südjemen einen unabhängigen Staat bildete. Sie rufen die ehemaligen Soldaten der südlichen Landesteile auf, sich ihnen anzuschliessen, durch zivilen Ungehorsam die Führung ihrer Landesteile zu übernehmen und schussendlich zur Unabhängigkeit zurückzukehren. Sie erklären, alle gegenwärtigen Gouverneure und leitenden Staatsbeamten seien Südländer. Wenn diese sich dem Militärkomitee anschlössen, würden sie ihre heutigen Posten behalten.
Südjemens verlorene Selbständigkeit
Südjemen war ein eigener Staat von 1976 bis 1990. Das Land, zuvor unter britischer Verwaltung, stand damals zu Beginn unter dem Schutz Rotchinas und später unter jenem der Sowjetunion. Es war der einzige kommunistische Staat in der arabischen Welt. Die damaligen Offiziere wurden meist in der Sowjetunion ausgebildet. Natürlich gehören sie in der Zwischenzeit zu den älteren Jahrgängen und stehen ausser Dienst.
Die südjementische Armee wurde aufgelöst, nachdem sie 1994 einen kurzen Bürgerkrieg mit dem Norden verloren hatte. Damals war es darum gegangen, ob Südjemen seine vier Jahre zuvor eingeführte Vereinigung mit dem Norden rückgängig machen könne oder nicht. Der Kriegsausgang hatte den Süden in eine gegenüber dem Norden unterlegene Lage gebracht. Nicht nur seine Armee wurde aufgelöst, auch die südlichen Staatsbeamten wurden entlassen und durch nördliche oder deren politische Freunde ersetzt.
Die Nordländer benützten zudem ihre Überlegenheit, um sich allerhand Landbesitz im Süden anzueignen. Aden beklagte sich mit guten Gründen darüber, dass es wirtschaftlich von Sanaa benachteiligt werde. Ali Saleh Abdullah, der langjährige Präsident Jemens, benützte seine damalige zahme Opposition, die Islamisten von Islah, um den Süden auch ideologisch niederzuhalten. Die Islah-Islamisten, unter denen die Muslimbrüder eine führende Position einnehmen, zwangen dem Süden ihre Form des Islams auf, was mit der Zerstörung lokaler Heiligtümer einher ging, die zur mystischen Sufi-Tradition des Islams gehörten.
Widerstand gegen Sanaa seit sieben Jahren
Die Gründer des gegenwärtigen Militärkomitees wollen die Südjemeniten an ihrer militärischen Erfahrung teilhaben lassen. Sie erklären, die Zeit sei gekommen, um die Unabhängigkeitswünsche des Südens zu verwirklichen.
Seit 2007 gibt es Hirak, die Unabhängigkeitsbewegung des Südens. Die Bewegung begann ihre Aktivitäten in Aden in ihrem Entstehungsjahr mit grossen Demonstrationen, die von der Polizei Ali Saleh Abdullahs niedergeschlagen wurden. Damals haben Hunderte von Südjemeniten ihr Leben verloren und Tausende wurden verletzt. Bisher hat Hirak (übersetzt «Bewegung») erklärt, sie wolle mit gewaltlosen Mitteln gegen den Norden wirken. Sie hat insbesondere auf zivilen Ungehorsam gesetzt, und dieser steht nun auch auf dem Programm der ehemaligen Offiziere.
Fehlgeschlagene Versöhnung
Hirak hat wie die Huthis an der ein Jahr lang dauernden Nationalen Dialogkonferenz teilgenommen, welche Grundlagen für einen neuen Jemen hätte legen sollen. Um die Teilnahme der Südländer zu gewinnen, hatte Präsident al-Hadi einige Zugeständisse an die Forderungen der Bewegung gemacht. Doch die meisten blieben im Bereich der Versprechungen hängen.
Die Hirak Vertreter unter der Führung von Mohamed Ali Ahmed, einem einstigen Innenminister Südjemens, nahmen an der Konferenz teil unter der Vorbedingung, dass ihr Wunsch nach Unabhängigkeit dort debattiert werde. Als dies dann doch nicht der Fall war, zog sich Mohamed Ali Ahmed mit einem Teil der südlichen Delegation zurück. Andere südliche Abgesandte verblieben jedoch in der Konferenz.
Vielfach gespaltene Bewegung
Hirak ist auch anderweitig gespalten. Man kann mindestens drei Tendenzen unterscheiden: eine, die nach wie vor volle Unabhängigkeit fordert; eine zweite, die sich eventuell einen Verbleib im jemenitischen Staat akzeptieren könnte, jedoch ein Autonomiestatut für den gesamten Süden fordert; und eine Dritte, die bereit wäre, der gegenwärtig geplanten föderalen Struktur Jemens, die aus sechs Teilstaaten gebildet werden soll, zuzustimmen. Diese dritte dürfte wohl die zahlenmässig kleinste Faktion sein.
Ausserdem leidet Hirak darunter, dass seine bekanntesten Führer – Politiker aus der Zeit der südlichen Unabhängigkeit – im Exil leben, während neue lokale Chefs im Lande selbst die Leitung inne haben. Manche berufen sich auf die exilierten Altpolitiker, andere nicht. Die jüngeren Führer sind stark lokal verankert, weil sie ihre Stellungen in einer Zeit erlangt haben, in der es keinen umfassenden südlichen Staat mehr gab.
Erdöl vor allem im Süden
Lokale Fragen haben ein besonderes Gewicht dadurch, dass 80 Prozent der jemenitischen Erdölförderung aus dem Süden stammt. Die Quellen liegen jedoch in der Wüste, nicht in den Bevölkerungszentren. Sollen die Erdöleinkünfte dem gesamten Staat Jemen dienen, wie gegenwärtig? Oder nur dem Süden, wie es die Südländer möchten? Oder gar ausschliesslich oder teilweise den Stämmen, in deren Stammesgebieten sie liegen?
Ausserdem ist der jemenitische Süden in zwei Bevölkerungszentren geteilt, zwischen denen weite Wüstenstrecken liegen: Aden mit seinen umliegenden Provinzen im Westen und Hadramauth mit seinen drei Städten und seinem Hafen, Mukalla, im Osten. Alle Südjemeniten zusammen machen nur ein Fünftel der 22 Millionen Jemeniten aus. Doch der Süden ist der wirtschaftlich stärkste Teil des Landes wegen des Erdöls und wegen der Fischereien von Aden und seinem Hafen mit der dortigen Raffinerie und anderen Industrieanlagen.
Südjemen ohne klare Führung
Die südliche Militärjunta hat erklärt, sie wolle dem Vorbild der Huthis folgen. Doch die Huthis besitzen eine allgemein anerkannte Führung, als deren gegenwärtiger Chef Abdel Malik al-Huthi wirkt. Die Südjemeniten haben nichts Vergleichbares. Ihre zersplitterte Führungssstruktur bedeutet für sie ohne Zweifel einen Nachteil, wenn es darum geht, ihre Wünsche gegenüber dem Norden durchzusetzen.
Die Huthis haben während der Diskussionen um die Zukunft des Landes in der Dialogkonferenz mit den Südländern sympathisiert, verständlicherweise weil es beiden um die Lockerung ihrer Abhängigkeit vom Zentrum in Sanaa ging. Nun, da die Huthis sich des Zentrums bemächtigt haben (ob vorläufig oder endgültig, bleibt noch offen) hat Abdel Malik al-Huthi sich weiter für die Anliegen der Südjemeniten ausgesprochen.
Doch wenn die Huthis auf Dauer eine führende Position in Sanaa erreichen sollten, ist zu erwarten, dass sie den Anliegen der Südländer immer weniger Gehör schenken werden. Das liegt primär am Erdöl. Die jemenitischen Erdölquellen sind zwar bescheiden. Doch ohne sie könnte der bitterarme Staat noch weniger existieren als gegenwärtig. Wer immer in Jemen regiert, ist darauf angewiesen, die Erdöleinkünfte aus der südlichen Wüste weiterhin zu beziehen, wenn er in Sanaa am Ruder bleiben will.