Zahlreiche bekannte Sportler, unter ihnen erstaunlich viele Russen, setzen ihr Image gegen Putins Krieg in der Ukraine ein. Und jetzt haben die beiden mächtigsten Sportverbände der Welt – Uefa und Fifa – den russischen Fussball des Feldes verwiesen.
Da ist Andrei Rublew, die Nummer 7 der Tennis-Weltrangliste, der nach einem Sieg beim Turnier – soll man sagen ausgerechnet – in Dubai mit Filzstift auf die Linse einer Übertragungskamera die Worte schreibt: «Kein Krieg, bitte!» Wenig später sollte der tschechische Tennisstar Jiri Vesely diese Geste seines russischen Kollegen wiederholen. Und auch die derzeitige Nummer 1 im Herrentennis, der Russe Daniil Medwedew, liess sich zu dem, wenn auch etwas vorsichtigeren Kommentar verleiten, wonach sein Sport jetzt wahrlich nicht wichtig sei und er am Morgen angesichts des Kriegs in der Ukraine mit grossen Emotionen aufgewacht sei.
Deutlicher äusserte sich seine weibliche Kollegin Anna Kalinskaja, die eine ukrainische Mutter hat und betonte, das russische Volk wolle keinen Krieg.
Vielleicht noch wichtiger: Fedor Smolnov, Stürmerstar der russischen Fussball-Nationalmannschaft und nicht irgendwo bei einem Verein im Westen, sondern beim russischen Hauptstadtclub Dynamo Moskau unter Vertrag, hat klar und deutlich geäussert: «No war». Er postete diese Botschaft auf Instagram, vor schwarzem Hintergrund, neben einer ukrainischen Fahne und einem gebrochenen Herzen.
Weit verzweigte Proteste
Und dann ist da auch noch Russlands Eishockeystar in der amerikanischen NHL, Alexander Owetschkin, 36, Kapitän der «Washington Capitals», der mit Blick auf Putin, welcher sich in der Vergangenheit gerne als Eishockeyspieler inszeniert hatte, betonte, wir können nicht einfach nichts tun und schweigen und ebenfalls formulierte: «Bitte keinen Krieg».
Zugegeben, dieses wiederholte «Bitte» angesichts des schon tobenden Krieges klingt ein wenig hilflos, aber immerhin: Russische Spitzensportler beziehen klar Stellung gegen Putins Wahnsinn, und manche riskieren dafür einiges.
Dabei weiss niemand zu sagen, inwieweit diese Äusserungen tatsächlich die russische Öffentlichkeit erreichen. Mit Sicherheit nicht über das geknebelte russische Fernsehen.
Erstaunlich schnell unter den verschiedenen Sportverbänden reagierte die ansonsten vor allem das grosse Geld scheffelnde Formel-1-Branche, indem sie das kommende Rennen in Putins künstlichem Multisport-Resort Sotchi am Schwarzen Meer doch tatsächlich fast über Nacht aus dem Kalender gestrichen hat.
Und nicht zu unterschätzen: Der Judo-Weltverband hat Wladimir Putin, welcher in gestellten Kämpfen hier und da seinen schwarzen Gürtel vorzeigte, umgehend als Ehrenmitglied ausgeschlossen. Gleichzeitig wird im internationalen Fechtverband alles unternommen, um den derzeitigen russischen Präsidenten zum Rücktritt zu bewegen.
Und selbst der ansonsten reichlich träge Exekutivrat des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hat an diesem Montag alle internationalen Sportverbände und die Veranstalter von Sportereignissen dazu aufgerufen, russische Sportler nicht einzuladen oder an den Start zu lassen. Man wird sehen, ob das auch für die Olympischen Winterspiele für Behinderte gelten wird, die in wenigen Tagen in Peking eröffnet werden.
Es sind meist kleine Gesten, und doch muss der Sport aufgrund seiner gesamtgesellschaftlichen Rolle und seiner enormen Präsenz in den internationalen Medien diese Möglichkeiten des Protestes wahrnehmen und dafür sorgen, dass die Gesten und Massnahmen Putins Russland möglichst wehtun.
Finnland etwa, der frischgebackene Olympiasieger im Eishockey und Veranstalter der Eishockey-Weltmeisterschaft im kommenden Mai, hat ohne jedes Zögern klargemacht, dass die russische Nationalmannschaft bei dieser WM nicht willkommen sein wird. Für eines der Mutterländer dieses Sports ein herber Schlag.
Zeichen in den Fussballarenen
Die besten Protestmöglichkeiten hat natürlich der meistbetriebene und meistgesehene Sport, der Fussball. Beeindruckend waren zum Beispiel die Minuten vor Beginn des international übertragenen englischen Cupfinals zwischen Liverpool und Chelsea an diesem Sonntag.
Das gesamte Wembleystadion sang minutenlang – und selbst die Nationalhymne übertönend – im mit ukrainischen Farben ausgestatteten weiten Oval die legendäre Hymne des FC Liverpool: «You' ll Never Walk Alone».
Und auch der französische Fussball hatte eine kleine Note beizusteuern. Der Erstligaclub «Stade Reims» war am Sonntag zu Gast bei AS Monaco, dessen Besitzer kein anderer als der milliardenschwere russische Oligarch und Vertraute des monegassischen Herrscherhauses, Alexander Rybololev, ist.
Der Mann ist auch bekannt durch seine jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Yves Bouvier, dem Schweizer Initiator von Zollfreilagern an Flughäfen, erst in Genf, später in Luxemburg und Singapur, wo vor allem Kunstwerke im Wert von mehreren Milliarden Euro an der Steuer vorbei gelagert werden. Der russische Oligarch und Mehrheitseigner von AS Monaco hatte dem Schweizer Geschäftsmann vorgeworfen, ihn beim Ankauf seiner einst rund 2 Milliarden teuren persönlichen Kunstsammlung übers Ohr gehauen und einige Dutzend Millionen Euro abgezweigt zu haben.
Beim Anstoss der Begegnung um 13 Uhr – damit die chinesischen Fernsehzuschauer am Sonntagabend den Club aus dem Fürstentum spielen sehen können – waren die Kicker aus der Champagne schlicht und einfach nicht auf dem Feld erschienen und kamen erst fünf Minuten später aus den Katakomben des Stadions. Man könne nicht einfach nichts tun, so die simple Begründung des Präsidenten von Stade Reims. Und prompt verlor AS Monaco auch noch sein Heimspiel mit 1:2.
Uefa und Fifa
Bis gestern Montag durfte man sich noch fragen: Was tun aber die zwei internationalen Sportverbände, die mit Abstand das grösste politische Gewicht und am meisten Macht haben, die Uefa und die Fifa?
Zugegeben, die Uefa hat zunächst nicht lange gebraucht, um zumindest das Champions-League Endspiel kommenden Mai aus Sankt Petersburg nach Paris zu verlegen. Danach hiess es aber: erst mal abwarten.
Doch der Druck von allen Seiten nach echten Sanktionen wurde selbst für die herrschsüchtigen und zwielichtigen internationalen Fussballverbände zu gross. Mit «besorgt sein» und «beobachten», wie sich Fifa-Präsident Infantino zunächst geäussert hatte, war es nicht mehr getan.
Noch vor 24 Stunden hatten Uefa und Fifa gemeint, es mit dem russischen Fussball mit Blick auf die Weltmeisterschaft Ende des Jahres noch irgendwie richten zu können. Russlands Nationalmannschaft, die kommenden Monat in Play-Offs um die letzten WM-Tickets in Katar kämpfen wollte, durfte am Sonntag laut Fifa noch zu den Ausscheidungsspielen, die allerdings auf neutralem Boden auszutragen seien, antreten, hätte allerdings bei den Spielen als «Strafe» auf die russische Fahne und die russische Nationalhymne verzichten müssen. Es wäre ein Witz gewesen.
Zumal die potentiellen Gegner Russlands – Polen, Schweden und die Tschechische Republik – schon zuvor mehr als klargemacht hatten, dass sie nicht daran denken, in der jetzigen Situation jemals gegen die russische Nationalmannschaft anzutreten.
Und auch der englische Fussballverband – konkret nicht betroffen – hatte klargestellt, dass in absehbarer Zeit keine englische Fussballmannschaft gegen eine russische antreten werde. Der Druck auf die mächtige Fifa wurde einfach zu gross und ihr Präsident Gianni Infantino musste das Handtuch werfen, seine seit der Fussball-WM 2018 in Russland mit Putin gepflegte Männerfreundschaft opfern und an diesem Montagabend klein beigeben.
Gemeinsam mit der UEFA verkündete man am Montagabend also, dass sämtliche russischen Fussballvereine und die Nationalmannschaft von allen internationalen Wettbewerben ausgeschlossen werden. Das heisst: die Nationalmannschaft wird auf keinen Fall zur WM nach Katar fahren und Spartak Moskau sein Achtelfinale in der Europa-League gegen RB Leipzig nicht bestreiten.
Und – auch das ist für ihre Verhältnisse eher beachtlich – die Uefa wird die Zusammenarbeit mit dem Hauptsponsor der Champions-League, dem russischen Staatskonzern Gazprom, mit dem sich der deutsche Altkanzler Gehard Schröder weiter kompromittiert, unmittelbar aufkündigen. Die 40 Millionen Euro pro Jahr wird sie anderweitig finden müssen.
Schade dabei ist nur, dass man den Eindruck haben muss, dass beide internationalen Fussballverbände erst zu dieser Entscheidung gedrängt werden mussten, anstatt von vorneherein mit all der Macht, die sie haben, eine Vorreiterrolle zu spielen.