Sebastian Kurz, der alte und neue Kanzler Österreichs, ist jung, eloquent, sicher im Auftreten, immer tadellos gekleidet, anständig im Umgang.
Weniger anständig war der Koalitionspartner, den sich Kurz nach den Wahlen im Oktober 2017 aussuchte. Die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) tanzte ihm auf der Nase herum. Sie zwang ihn immer wieder zu einer Politik, die er eigentlich nicht führen wollte. Doch um an der Macht zu bleiben, musste er nachgeben. Dieses Kuschen vor dem immer frecher auftrumpfenden FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und seiner anti-europäischen, migrationsfeindlichen Politik war kein Ruhmesblatt für Kurz. Es hat nicht nur ihm geschadet, sondern den Ruf Österreichs lange Zeit beschädigt. Da lässt sich der deklarierte Pro-Europäer Kurz von einem Mann auf der Nase herumtanzen, der sich gerne mit Viktor Orbán und Marine Le Pen fotografieren lässt – oder mit der AfD, mit Matteo Salvini und mit Geert Wilders.
Aus rein machtpolitischen Motiven musste Kurz den Rechtspopulisten unterstützen, sich ideologisch verbiegen und viele der FPÖ-Forderungen mittragen. Viele sagen: Kurz habe keine Wahl gehabt. Hätte er Strache nicht unterstützt, wäre die Koalition zerbrochen. Doch die Frage bleibt, hätte Kurz der FPÖ gegenüber nicht etwas weniger unterwürfig auftreten können?
Nicht Kurz hat dann schliesslich das Problem gelöst. Strache selbst war es, der sich in beispielloser Überheblichkeit vom Sockel stürzte. Die Ibiza-Affäre beendete die Koalition. Bei den Neuwahlen im vergangenen September stürzte die FPÖ ab, Kurz gewann Stimmen dazu und die Grünen feierten einen spektakulären Wiedereinzug ins nationale Parlament.
Jetzt musste Kurz einen neuen Koalitionspartner finden. Eigentlich hatte er keine Wahl. Mit den einst stolzen, jetzt dahinsiechenden Sozialdemokraten, die sich in ihrer grössten Nachkriegskrise befinden, lässt sich keine konstruktive Politik betreiben. Eine Neuauflage der Allianz mit der schwer skandalgeschädigten und teils im sehr rechten Sumpf steckenden FPÖ wäre wohl ein Bumerang geworden. Und ein Zusammengehen mit den liberalen „Neos“ hätte nicht die nötige Mehrheit im Parlament gebracht. Blieben die Grünen.
Sie waren, in der Vor-Greta-Zeit, bei den Wahlen 2017 mit 3,8 Prozent der Stimmen aus dem Parlament geflogen. Dann, im September 2019, erzielten sie 10 Prozent.
Ideologisch sind die ÖVP und die Grünen wohl weiter voneinander entfernt, als es die ÖVP und die FPÖ waren. Dennoch dürfte das Verhältnis zwischen Kurz mit dem Grünen-Chef Werner Kogler konstruktiver sein, als es zwischen Kurz und Strache war. Der Ökonom Kogler, der künftige Vize-Kanzler, ist kein Populist und kein Träumer. Er gilt als realistischer Politiker, der das Machbare machen will.
Auch jetzt musste Sebastian Kurz viele Konzessionen machen, um weiterhin einer Regierung vorzustehen. Die Koalitionsverhandlungen dauerten ewig lange. Das war vielleicht auch Show. Kurz wollte demonstrieren, dass er hart und wochenlang für seine Prinzipien kämpfte. Doch eigentlich hatte er keine andere Wahl, als viele der grünen Forderungen zu akzeptieren. Mit den Grünen im Boot rückt Österreich ein Stück weit nach links. Mit Strache rückte Kurz nach rechts, mit Kogler rückt er nach links.