Das Treffen fand in der ugandischen Hauptstadt Kampala statt. Die Delegtion der Rebellen wurde von Jean-Marie Runiga Lugerero angeführt, dem politischen Chef des M23. Kabila, der unter starkem Druck steht, hatte sich bisher geweigert, mit den Aufständischen zusammenzukommen. Er wirft ihnen vor, von Ruanda militärisch unterstützt zu werden.
Die Atmosphäre während der Begegnung sei „angespannt“ gewesen, erklärte Runiga. „Doch es geht nicht um persönliche Probleme, es geht um die Probleme des Landes.“
Am Samstag hatten sich die Präsidenten von Uganda, Kenia und Tansania in Kampala zu einer Dringlichkeitssitzung getroffen. Dabei war auch der kongolesische Präsident Joseph Kabila. Ziel ist es, einen neuen Kivu-Krieg zu verhindern.
In einer gemeinsamen Erklärung wurden die M23-Rebellen aufgefordert, die Millionenstadt Goma wieder zu räumen.
Der grosse Abwesende
In den Jahren 1996 bis 2009 war die Region um den Kivu-See Schauplatz schwerer Kämpfe, Massaker und Massenvergewaltigungen. Wahrscheinlich starben während des ersten, zweiten und dritten Kongo-Krieges mehrere zehntausend Menschen. Viele afrikanische Beobachter befürchten, dass sich ein solcher Krieg jetzt wiederholen könnte.
Der grosse Abwesende des Treffens am Samstag in Kampala war der ruandische Präsident Paul Kagame. Ihm wird vorgeworfen, die Rebellengruppe mit Waffen, Soldaten und Geld zu unterstützen. Er verneint dies. Kagame war es gewesen, der die beiden ersten Kongo-Kriege angezettelt hatte. Auch Uganda wird beschuldigt, die Rebellen zu unterstützen. Auch Uganda dementiert.
Die Rebellen des „Mouvement 23 mars“ (M23) hatten am Dienstag Goma, den Hauptort der Provinz Nord-Kivu, widerstandslos eingenommen. Am Tag danach eroberten sie die westlich gelegene Stadt Sake. Die reguläre Armee zog sich nach Minova zurück. Als nächstes wollen die Aufständischen Bukavu am Südende des Sees erobern. Hauptziel ist der Sturz der kongolesischen Regierung von Präsident Kabila.
Untätige UNO-Truppen
Als die M23-Rebellen am Dienstag vor Goma standen, flüchteten die meisten Angehörigen der regulären kongolesischen Armee. Eine schlechte Figur machten auch die Soldaten der Monusco, der UNO-Friedensmission. Sie schauten tatenlos zu, wie die Rebellen triumphierend in Goma einmarschierten.
Al Jazeera zitiert einen wütenden Einwohner von Goma: „Zu was sind sie (die UNO-Truppen) denn da? Sie fahren in ihren Panzern herum, schauen den Kämpfen zu und kehren dann um. Sie tun nichts.“
Ein UNO-Sprecher rechtfertigt sich: „Die Armee ist geflohen, kein regulärer Soldat verblieb in der Stadt, nicht eine einzige Seele. Was hätten wir tun können, als die M23-Rebellen in der Stadt einzogen? Kämpfe hätten für die Zivilbevölkerung verheerend werden können“.
"Was tut die Regierung für euch?"
Ein am vergangenen Mittwoch veröffentlichter UNO-Bericht betont, dass Ruanda und Uganda weiterhin die Rebellen mit Waffen, Munition und Geld unterstützten. Laut Augenzeugen wurden die Aufständischen bei ihrem Einmarsch in Goma von ruandischen Kämpfern unterstützt. „Wir wissen, dass es Ruander sind“, zitiert Al Jazeera einen Englischlehrer, der den Einmarsch mitverfolgt hat. „Sie sprachen Kinyarwanda und auch ein anderes Französisch, das sich vom kongolesischen Französisch unterscheidet.“
Ein Militärsprecher der Rebellen hatte im Fussballstadion von Goma versucht, die Bevölkerung aufzuwiegeln: „Was tut die Regierung in Kinshasa für euch? Sie gibt euch kein Essen und kümmert sich nicht um eure Familien.“ „Sollen wir Richtung Kinshasa marschieren?“, rief er den etwa 3000 Zuhörern zu. Die Antwort war ein klares „Ja“. 700 Polizisten und 2100 Soldaten, die bei der Ankunft der Rebellen kapituliert hatten, gaben daraufhin ihre Waffen ab.
Ruandische Massaker
Die Provinz Nord-Kivu ist reich an Bodenschätzen. Vor allem Koltan, das für die Herstellung von Handys von Bedeutung ist, wird abgebaut. Laut einem UNO-Bericht hatte Ruanda während der beiden ersten Kongo-Kriegen (1996 – 2006) 70 Prozent des Coltan-Abbaus kontrolliert.
Den ruandischen Soldaten war vorgeworfen worden, während der Kongo-Kriege Massaker angerichtet zu haben. Dörfer wurden niedergebrannt. Augenzeugen sprachen von Massenvergewaltigungen. Zielscheibe der Gewalt waren Hunderttausende ruandischer Hutus, die vor Kagames Tutsi-Armee nach Goma und seiner Umgebung geflüchtet waren.
"Keines der strukturellen Probleme wurde gelöst"
Am 23. März 2009 (deshalb: Mouvement du 23 mars, M23) haben die von Ruanda unterstützten Tutsi-Rebellen und die kongolesische Regierung ein Abkommen geschlossen. Dieses sah vor, dass die Rebellen in der nationalen kongolesischen Armee integriert würden. Doch dies sei nicht geschehen, sagt Thierry Vircoulon vom „Think Tank International crisis group“ (ICG) der französischen Zeitung "Libération".
Die Ex-Rebellen hätten darauf erneut zu den Waffen gegriffen und die militärische Kontrolle über das Gebiet ausgeübt – mit dem Segen von Kinshasa. „Keines der strukturellen Probleme wurde gelöst, weder die Reform der Armee noch der Einbezug der Ex-Rebellen, noch eine Landreform, noch eine Neuordnung der Verwaltung der Bodenschätze“.
Die M23-Rebellen werden heute von Bosco Ntaganda angeführt. Er wird vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht. Ihm werden Morde und Vergewaltigungen vorgeworfen. Zudem soll er Kindersoldaten rekrutiert haben. Sein Übernahme ist „der Terminator“. Ntaganda war Stabschef einer in Nord-Kivu operierenden kongolesischen Miliz. Nach dem Friedensschluss vom 23. März wurde er in der kongolesischen Armee integriert.
Schlecht bezahlte Soldaten
Im Frühjahr dieses Jahres baute er die M23-Bewegung auf, der vor allem Tutsis angehören. Er wirft der Regierung in Kinshasa vor, das Friedensabkommen nicht zu respektieren und die Zusagen nicht zu erfüllen.
Ruanda wirft der internationalen Staatengemeinde vor, den falschen Schuldigen zu benennen. Indem man Ruanda angreife, versuche man die eigentlichen Ursachen des Konflikts zu vertuschen. Das ist nicht ganz falsch.
Kabila hatte dem vernachlässigten Ostkongo weitreichende Reformen versprochen und Entwicklungsmöglichkeiten in Aussicht gestellt. Schulen und Spitäler würden gebaut und Arbeitsplätze geschaffen. Auch die Elektrizitätsversorgung würde ausgebaut. In seiner neunjährigen Amtszeit ist kaum etwas geschehen. Die Soldaten, die Goma hätten bewachen sollen, waren schlecht und teilweise gar nicht bezahlt. Dies erklärt zum Teil den Erfolg der Rebellen. Und Ruanda könnte versuchen, die Lage im vernachlässigten Ostkongo auszunützen.
UNO-Kreise befürchten, dass Ruanda jetzt erneut versuche, einen Krieg anzuzetteln, um an die Bodenschätze im östlichen Kongo heranzukommen. Neben der UNO ist auch die EU überzeugt, dass Ruanda die Rebellen unterstützt. Brüssel hat inzwischen Hilfsgelder an Ruanda eingefroren.
Ironie der Geschichte: Ruanda ist für zwei Jahre in den UNO-Sicherheitsrat gewählt worden.
(J21 mit "Le Monde", "Libération", "Al Jazeera")