Der ‚Rosenkavalier entstand aus zwei Gründen: Einmal wollte Richard Strauss nach den düsteren Stoffen der Opern ‚Elektra’ und ‚Salome’ eine freudig sinnliche Oper schreiben: ‚Eine Komödie für Musik’. Und dann suchte er ‚etwas zum komponieren’ für den Sommer in Garmisch. Dort pflegte er - zum Arbeiten von der resoluten Gattin Pauline ins enge Bügelzimmer verbannt - stundenlang glücklich und mit leichter Hand zu komponieren. Sein Librettist, Hugo von Hofmannsthal, schickte ihm schliesslich einen Stoff, der sich anlehnt an ‚Die Abenteuer des Chevalier Faublas’ von Jean-Baptiste Louvet de Couvray und Molières Komödie ‚Der Herr aus der Provinz'.
Das Schema gleicht dem von Molières ‚Médecin malgré lui’. Die zentrale Figur der Oper, der rüpel- und dünkelhafte Landadelige ‚Ochs von Lerchenau’ zeichnet den molièreschen Buffo ‚Pourceaugnac' nach und zeigt die Diskrepanz zwischen rustikalem Betragen und zur Schau getragenem Standesbewusstsein. Die molièreschen Eigenschaften Grobheit, Dummheit, Standesdünkel werden im Hofmannsthalschen ‚Rosenkavalier’ noch um Lüsternheit und Geiz vermehrt. Die Oper spielt im kaiserlichen Wien der Maria Theresia um 1740 und nimmt sich die galanten Spiele in der Donaumonarchie und den Dünkel des Adels zum Thema.
"Wie Öl und Butter"
Strauss war vom Thema begeistert und schrieb an Hofmannsthal aus Garmisch am 4. Mai 1909:
‚Ersten Akt gestern erhalten: bin einfach entzückt! Es ist wirklich über alle Massen reizend: so fein, vielleicht ein bisschen zu fein für den grossen Haufen, aber das tut nichts. Der mittlere Teil ist nicht leicht zu gestalten, aber ich werd's schon schaffen. Hab ja den ganzen Sommer vor mir. Schlussszene herrlich, wird sich wie Öl und Butter komponieren, hab' heute schon daran rumprobiert. Ich wollt ich wär schon so weit! Aktschluss entzückend, kurz und gut. Sie sind ein Prachtkerl. Wann krieg ich das andere?’
Strauss war begierig diese Szenen kompositorisch umzusetzen. Ähneln sie doch in ihren Verwechslungen und Intrigen auch Mozarts ‚Nozze di Figaro’. Mit seiner üppigen, sinnliche Instrumentation bediente er allerdings den Zeitgeist, denn das Orchester benötigt ca. 100 Musiker.
Im Januar 1911 konnte das Werk dann, wie die meisten Opern von Strauss, an der Dresdner Hofoper uraufgeführt werden.
"Meine Frau befiehlt: Rosenkavalier"
Ihr Titel war allerdings lange umstritten. Richard Strauss polterte: ‚Mir gefällt ‚Ochs von Lerchenau’. Aber was will man machen? Hofmannsthal liebt das Zarte, Ätherische, meine Frau befiehlt: ‚Rosenkavalier’: Also ‚Rosenkavalier’. Der Teufel hol’ ihn!’
Die Oper wurde ein überwältigender Erfolg; ein Postamt wurde in Dresden in der Hofoper (der heutigen Semperoper) eingerichtet. Sonderzüge der Reichsbahn fuhren von Berlin nach Dresden. Zigaretten erhielten den Namen „Rosenkavalier“, und in einem Faschingsumzug ritten Rosenkavaliere zu Pferd mit - hinter ihnen folgten weinend Richard Strauss und seine Bühnenfiguren. Satiregedichte wurden verfasst – mit anderen Worten, dieses Werk war in aller Munde.
"Det is keene Musik für mich!"
Musikalisch waren die Meinungen allerdings nicht einhellig. Von einigen Kritikern wird Strauss wegen seiner ‚harmonischen Kühnheiten’ zerfleddert und Stimmen brandmarkten ihn als gefühlskalten, berechnenden Komponisten.
Doch da ist auch die hymnische Kritik des Münchner Kritikers Alexander Dillmann: ‚Aus dem Orchester springt in den Hörnern und Fagotten kühn und stürmisch das Motiv des Rosenkavaliers. Springt mit einem einzigen Satz hinein in das festliche Haus voll prunkender Toiletten und blitzender Uniformen. … Ein stürmisches Fordern. Ein glückseliges Gewähren. So liebt der Rosenkavalier!’
Weitere Aufführungen des ‚Rosenkavaliers’ hatten immer wieder mit dem ‚Anstössigen’, ja ‚Obszönen’ im Stoff zu kämpfen. In Berlin zum Beispiel nahm Ihre Majestät, die Gattin Wilhelms II., starken Anstoss daran, dass die Oper mit zwei Menschen, die sich im Bett suhlen, beginnt. Der Kaiser mischte sich wohlweislich nicht ein, sondern überliess die Schaffung einer ‚Hoftheater-gemässen’ Fassung den Autoren und seinen Verantwortlichen. Er selbst hörte sich diese Oper als einzige je an, verliess sie aber mit den Worten: ’Det is keene Musik für mich!’
Die Futuristen grölten
Im Mailand aber war der Protest gefährlicher: Einmal legte man die Premiere denkbar ungünstig auf den Aschermittwoch 1911. Dann versammelten sich erwartungsfroh die Futuristen, denen Strauss mit früheren avantgardistischen Werken als ihr Musikgott erschienen war. Hier aber komponierte er konventioneller und zitierte sogar Werke älterer Komponisten. Die Futuristen grölten.
Dann kam sogar noch ein Wiener Walzer. Dieser wurde seit der Habsburgischen Besatzung in Italien als Symbol der Unterwerfung gesehen. Die Unruhe wurde so gross, dass ein Abbruch der Aufführung imminent erschien. Doch im dritten Akt beruhigten sich die Gemüter, und die Oper konnte zum Erfolg geführt werden. Grossen Anteil daran hatte der Dichter Gabriele d’Annunzio, der Strauss anschliessend zum Diner führte und die Oper leidenschaftlich verteidigte.
Mitreissende Verve
In München wurde diese Oper am 26. Januar 1911 zum ersten Mal aufgeführt. Die jetzige Fassung mit der Inszenierung von Otto Schenk, sowie Bühnenbild und Kostümen von Jürgen Rose, entstand 1972 und wurde damals von Carlos Kleiber dirigiert. Sie besticht durch ein besonders reiches Bühnenbild – mehrere Interieurs von Wiener Palais wurden nachgebaut - historische Kostüme wurden nachgeschneidert.
Auch von der Besetzung entsprach die Aufführung in etwa dem Usus: Ein grobschlächtiger, betagter ‚Ochs’ (Peter Rose) und eine alternde ‚Marschallin’ (Soile Isokoski). Doch solcher Art Besetzung entsprach nicht den Intentionen von Strauss, der angeordnet hatte: ’Der Ochs muss eine ländliche Don Juan-Schönheit von etwa 35 Jahren sein’. Und zur Marschallin: ‚Eine junge schöne Frau von höchstens 32 Jahren. Auch Octavian (Alice Coote) kann in dieser Fassung visuell nicht verzaubern.
Man denkt wehmütig an die junge Sofie von Otter in dieser Hosenrolle zurück. Stimmlich überzeugten alle drei, und von der komödiantischen Seite speziell Peter Rose. Das Orchester spielte unter dem neuen Generalmusikdirektor Kirill Petrenko mit mitreissender Verve.