Als im Herbst 2008 die US-Zockerbank Lehman Brothers Bankrott erklärte, standen die Chancen etwa 50 zu 50, dass es zur Kernschmelze in der internationalen Finanzwelt käme. Selbst der damalige US-Finanzminister Henry Paulson, der sich als ehemaliger CEO der US-Zockerbank Goldman Sachs eigentlich über das Ende eines Konkurrenten freuen konnte, kotzte vor Angst in den Papierkorb. Zahlreiche Klein- und Grosssparer und Rentenanwärter taten es ihm wohl gleich.
War da mal was?
Viereinhalb Jahre später erinnern sich in der Schweiz wohl nur noch Kleinanleger, die vor allem von der Grossbank Credit Suisse in Lehman-Schrottpapiere mit hineinberaten wurden, an diesen Moment. Die Finanzwelt hat’s ja überlebt, seither sind Bankdinosaurier wie die UBS «too big to fail», und industrialisierte Staaten haben sich mit rund 6 Billionen Dollar zusätzlich verschuldet, damit das Finanzsystem nicht kollabiert. Also ist doch alles in Butter.
Die Börsen jubilieren, der Börsenindizes Dow Jones klettert über die Marke von 15 000, auch in der Schweiz können sich stolze Hausbesitzer mit lächerlichen 20 000 Franken eine Million finanzieren. Eigentlich kann man die herrschende Stimmung so beschreiben, wie weiland in Deutschland: «Hurra, wir leben noch.»
Die Alternativlosigkeit
99 Prozent aller Kleinsparer, damit völlig einig mit 99 Prozent aller Rentenanwärter, machen sich eigentlich keine grossen Sorgen. Jedenfalls keine, die über den Satz hinausgehen: «Ach, das wird schon nicht so schlimm werden.» Mit dem restlichen Prozent sind sie sich ebenfalls einig in der hilflosen Frage: «Ja was soll ich denn machen, um meinen Sparbatzen in Sicherheit zu bringen?»
Wer da dem Ratschlag eines als Bankberaters verkleideten Verkäufers vertraut, ist sowieso verloren. Der hat nämlich meistens auch keine Ahnung und murmelt etwas von «diversifizieren, nur Blue Chips, solide Staatspapiere, vielleicht eine Prise Gold.» Für Wagemutigere gäbe es noch Kunst, Antiquitäten, Sachwerte, Rohstoffe, Immobilien. Ist aber alles alternativlos gefährlich.
Das Horror-Kabinett
Die Märkte sind bekanntlich globalisiert, da nützt Diversifizierung wenig. Wenn ein Dow Jones bei 15 000 Punkten keine Börsenblase ist, befeuert von Gratisgeld, dann will ich Alan Greenspan heissen. Und Staatspapiere sind höchstens dann einigermassen solide, wenn ihr Zinssatz unter der Inflationsrate liegt, der Gläubiger also Geld damit verliert, Geld zu verleihen. Gold kann man gelinde gesagt als volatil bezeichnen, mit Kursausschlägen von über 30 Prozent. Abgesehen davon, dass ja nur physischer Goldbesitz einen vor dem Risiko schützt, dass das Goldzertifikat plötzlich nicht mehr das Papier wert ist, auf das es der Emittent druckte.
Kunst ist was für Könner, Antiquitäten für Kenner, Sachwerte und Rohstoffe fahren, da sie längst zum Tummelfeld für Profispekulanten geworden sind, Achterbahn. Wer heute in Immobilien investiert, auch in der Schweiz, legt sein Geld in einer Blase an. Wer schon lange Hausbesitzer ist, kann sein Eigentum im Notfall nicht bewegen und ist allfälligen staatlichen Konfiskationen hilflos ausgeliefert. Dann Bargeld? Also wirklich ...
Das Fragezeichen
Selbst den wenigen besorgten Mitbürgern, die sich völlig zu recht und ernsthaft Gedanken machen, was sie unternehmen könnten, um ihren erarbeiteten Spargroschen möglichst sicher aufzubewahren oder anzulegen, kann nur wenig Trost und Rat gespendet werden. Der globalisierte Finanzkapitalismus hat es geschafft, dass es wirklich keine sichere Geldanlage mehr gibt. Wer verzweifelt an exotische Gegenden denkt, eine Bananenfarm in Lateinamerika, Kakao-Plantage in Afrika, Reisfeld in Asien, spielt als Amateur in einer Profiliga, in der er sich nicht auskennt. Ganz abgesehen davon, dass exotische Weltgegenden sich nicht gerade durch Rechtssicherheit, Eigentumsgarantie und Stabilität auszeichnen.
Wenn wir ganz ehrlich sind, machen wir uns doch an und ab so unsere Sorgen, dann tun wir das, was Menschen am besten können: verdrängen. Einen Plan B höchstens als hilfloses Gedankenspiel reflektieren. Die meisten Eidgenossen haben nicht mal mehr als eine Bankverbindung. Noch weniger haben Geld unter der Matratze. Ganz, ganz wenige horten physisch Gold, vielleicht abgesehen von ein paar Goldvreneli.
Was tun?
Geld heute für Spass und Vergnügen, die Weltreise oder irgend ein Objekt der Begierde auszugeben, schützt zwar vor zukünftigem Wertverlust. Löst aber nicht das Problem der Altersversorgung oder der Vererbung an die nächste Generation. Vermögen sowohl sicher wie auch ohne Wertverlust anzulegen, ist schlichtweg unmöglich. Auswandern nach Kanada, Neuseeland oder auf eine hübsche Südseeinsel mit Tauschhandel ist für fast alle unrealistisch. Also gehen wir morgen alle zum nächsten Bankomaten, holen ein paar Scheinchen raus und sind froh, dass sie auf dem Weg zum Supermarkt nicht schon an Wert verlieren.
Und dass das nicht so bleiben muss und wird, das verdrängen wir. Immerhin gibt es eine Sicherheit: Einen Weltuntergang wird’s nicht geben. Wir werden einfach zu Ruinenbaumeistern und räumen nach der nächsten Katastrophe wieder auf. Glücklicherweise können wir Menschen auch das verdrängen. Obwohl es schon kräftig kracht im Gebälk. Aber solange die Häuser noch stehen ...