Erstaunlich wie dieser helvetische Ausnahmekönner, zwanzig Jahre nach seinem Suizid, ein Publikum zu interessieren vermag. Einmal mehr schafft es der Meienberg, die Gemüter zu bewegen. Das hat er ja zu Lebzeiten in erklecklichen Mass getan. Sehr zum Missbehagen eines Teils der bürgerlichen Kritik, die seinen Texten, mit dem Hinweis, dass es sich bloss um journalistische Eintagsfliegen handeln würde, jegliche Nachhaltigkeit absprechen wollten. Eine ziemlich lächerliche Argumentation. Sie verschliesst sich der Tatsache, dass es Reportagen gibt und immer gegeben hat, die zur Literatur gehören, egal warum und in wessen Auftrag sie entstanden sind. Eine spannendere Frage, die an Meienbergs Texte gerichtet wird, ist diejenige nach der aktuellen Bedeutung: Haben wir es mit der „schönen“ und deshalb wirkungslosen Prosa eines Künstlers zu tun? Oder mit zeitbedingten und deshalb überholten Recherchen? Ich kann Zolas „J´accuse“, eine über hundert Jahre alte journalistische Attacke auf den französischen Staat, noch heute lesen und mich beeindrucken lassen von der Verve, mit der ein brennendes Anliegen vertreten wird. Ebenso ergeht es mir, wenn ich Meienbergs „Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.“ wieder lese. (Christoph Kuhn)