Was haben die Fahrstühle und was die Telefon- und Internetverbindungen in einem Hamburger Geschäftshaus mit der iranischen Atombombe zu tun? Nur so viel, dass es diese Atombombe bisher nicht gibt, aber dass es Lift und Internet bald nicht mehr geben könnte.
Der Eigentümer besitzt das fragliche Gebäude in Hamburg seit 44 Jahren. Nun sollen er und seine Mitarbeiter künftig Treppen steigen und ihre Geschäftskontakte per Brieftaube unterhalten. Es handelt sich nämlich um „Bank Melli“, die grösste iranische Handelsbank, die bereits seit 1965 in Hamburg vertreten ist, einem der wichtigsten iranischen Im- und Export-Umschlagplätze in Europa.
Angst vor Sanktionen
Seit Monaten ist der Streit im Gange: Er begann, als die „Deutsche Telekom“ den Telefon- und Internetvertrag der Bank zunächst fristlos und dann fristgerecht zu kündigen versuchte. „Bank Melli“ zog vor Gericht, erwirkte zunächst eine Aufhebung der fristlosen Kündigung durch das Landgericht und wartet nun auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts zur Frage der fristgerechten Kündigung. Ähnlich der Fall der Fahrstühle: Herstellerfirma Krone versucht, den Wartungsvertrag zu kündigen, „Bank Melli“ will ihn gerichtlich am Leben halten.
Der Hintergrund beider Fälle ist derselbe: die „Telekom“ und „Krone“ versuchen, US-amerikanischen Sanktionen zu entgehen, die Präsident Trump Firmen weltweit angedroht hat, die sich über das von ihm verhängte Geschäfts- und Handelsverbot mit Iran hinwegsetzen. Kein Wort davon, dass dies auch vertraglich vereinbarte Serviceleistungen für eine ausserhalb Irans basierte Firma gelten kann oder soll. Zumal die Laufzeit solcher Verträge in der Regel von unbegrenzter Dauer ist.
Wirtschaftsmacht USA
Wie immer das Oberlandesgericht auch entscheidet: Der Fall stellt die Rolle der deutschen – und auch europäischen Politik in der Frage des Atomabkommens mit Iran und dem Vorgehen von US-Präsident Trump zentral ins Scheinwerferlicht. Und es ist alles andere als ermutigend, was die Welt da zu sehen bekommt: Entgegen aller Zusicherungen, dem Ausstieg Washingtons aus dem Atomabkommen nicht folgen zu wollen, haben die Europäer eben dies getan. Zwar haben sie keine eigenen Sanktionen eingeführt, aber sie kuschen unter dem Druck Trumpscher Androhungen. Und schliessen sich damit den amerikanischen Sanktionen an, die allemal radikaler und vernichtender sind als europäische Sanktionen es je wären. Abgesehen davon, dass die Europäer ja seit dem Rückzug der USA immer versichert haben, das Abkommen aufrechtzuerhalten, solange Iran dies auch tue. Im Klartext: Solange Teheran die Bedingungen des Abkommens erfüllt, werde man sich ebenfalls an das Abkommen halten.
Für Teheran bedeutet dies in erster Linie: die Begrenzung der Menge und der Konzentration angereicherten Urans wie der freie Zugang für die Inspektoren der IAEA (Internationale Atom-Energie-Behörde) zu den iranischen Atomanlagen. Für die Europäer heisst es in erster Linie: keine Sanktionen. Bis vor einigen Tagen hat die IAEA Iran bescheinigt, sich an das Abkommen zu halten. Dass die Europäer sich erneut den Sanktionen angeschlossen haben, bedurfte keiner offiziellen Untersuchung. Nolens volens hatte die europäische Wirtschaft ihre Hoffnungen auf ein neues und einträgliches Iran-Geschäft aufgegeben, denn überall galt dieselbe Erkenntnis: Das Geschäft mit den USA ist einträglicher als das mit Iran und darf deswegen nicht gefährdet werden.
Und die Politiker? Einst hatten sie Washington gewarnt, Drohungen und Sanktionen gegenüber Iran wegen seiner vermeintlichen Atomrüstung seien für alle gefährlich. Wie man aus dem Fall des Irak nur zu gut in Erinnerung hatte. Der damalige US-Aussenminister, Colin Powell, hatte dem UN-Sicherheitsrat im Februar 2012 gefälschte „Beweise“ für eine vermeintliche Atomrüstung Bagdads aufgetischt und in der Folge kam es Tage später zur amerikanischen Offensive gegen das Land Saddam Husseins. Solches dürfe sich im Fall Irans nicht wiederholen, mahnten die Europäer und nahmen Verhandlungen mit Teheran auf.
Spiel mit dem Feuer
Die USA stiessen mit dazu, ebenso die anderen permanenten Mitglieder des UN-Sicherheitsrates. Und schliesslich folgte 2015 das Atomabkommen. Der Rest ist bekannt, vielleicht auch schon Geschichte – seitdem Trump auch hier ungeschehen machen wollte, was unter seinem Vorgänger Obama vereinbart und beschlossen wurde.
Die unrühmliche Rolle Europas seitdem ist Auslöser der iranischen Reaktion der letzten Tage: Die meisten europäischen Politiker und auch die meisten Medien wollten und wollen das aber nicht akzeptieren. Als Teheran zu warnen begann, es werde seine Verpflichtungen aus dem Abkommen schrittweise abzubauen beginnen, wenn sich an der Haltung der Europäer nichts ändere, hiess es in den Schlagzeilen vieler Medien, Teheran „drohe“ mit der Aufkündigung des Abkommens, und dieser Ausdruck wurde von vielen Politikern rasch übernommen.
Zumal dies perfekt in das Bedrohungs-Image passt, das Donald Trump von Iran malt. Nach den ersten Massnahmen Teherans (Erhöhung der Menge angereicherten Urans und Ankündigung des Anreicherungsgrades) kommen aus Europa offene Mahnungen: Iran „untergrabe das Atomabkommen“ und er treibe damit ein „Spiel mit dem Feuer“.
Selbst der französische Präsident ist sich nicht zu schade dafür. Macron erklärte schon vorher, dass es für ihn Priorität sei, dass der Iran sich an das Abkommen halte und eine militärische Eskalation verhindert werde.